S. 43 / Nr. 11 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 79 III 43

11. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Februar 1953 i. S.
Rütschi gegen Tuor.


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Regeste:
Zeitpunkt der Konkurseröffnung.
Ist einem vom Schuldner gegen das Konkurserkenntnis eingelegten Rechtsmittel
aufschiebende Wirkung erteilt, so wird auch der Eintritt der Wirkungen des
Konkurses auf das Vermögen des Schuldners (namentlich der
Dispositionsunfähigkeit gemäss Art. 204 SchKG) und auf die Rechte der
Gläubiger gehemmt (Art. 36 , 170 , 174 , 189 , 197 ff., 204, 208 ff. SchKG).
Moment au quel la faillite est ouverte.
Lorsqu'un effet suspensif est attribué à une voie de droit utilisée contre un
jugement de faillite, cette décision suspend également les effets de la
faillite sur le patrimoine du débiteur (notamment en ce qui concerne
l'incapacité de disposer selon l'art. 204 LP) et sur les droits des créanciers
(art. 36, 170, 174, 189, 197 et suiv., 204, 208 et suiv. LP).
Momento in cui è aperto il fallimento.
Se ad un gravame diretto contro il decreto di apertura del fallimento è
attribuito effetto sospensivo, sono ugualmente sospesi gli effetti del
fallimento sul patrimonio del debitore (segnata. mente per quanto concerne
l'incapacità di disporre a norma dell'art. 204 LEF) e sui diritti dei
creditori (art. 36, 170, 174, 189, 197 sgg., 204, 208 sgg. LEF).

Gegenüber dem auf Grund von Wechselbetreibungen am 5. August 1949 ergangenen
Konkurserkenntnis stellte die Gemeinschuldnerin ein Revisionsgesuch im Sinne
von § 351 ff. der zürcherischen ZPO; der Konkursrichter erteilte ihm
aufschiebende Wirkung und wies es am 16. September 1949 ab. Die
Gemeinschuldnerin zog diesen Entscheid ohne Erfolg an das Obergericht und das
Kassationsgericht weiter. Die Publikation des Konkurses erfolgte am 12.
Dezember 1949.
Im Kollokationsverfahren klagte der Konkursgläubiger Rütschi gegen A. Tuor auf
Wegweisung einiger in V. Klasse kollozierter Forderungen desselben aus
Wechseln, deren

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letzte die Gemeinschuldnerin nach dem Konkurserkenntnis ausgestellt hatte.
Die Vorinstanz hat die Klage abgewiesen. Mit der vorliegenden Berufung hält
der Kläger an seinem Begehren auf Wegweisung der Forderungen fest.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung
1.- ...
2.- Gegenüber den nach dem Konkurserkenntnis vom 5. August 1949 eingegangenen
Wechselverpflichtungen macht der Kläger geltend, dass sie wegen
Dispositionsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin gemäss Art. 204 SchKG ungültig
seien. Dass dem Revisionsbegehren derselben aufschiebende Wirkung erteilt
wurde, habe nur die Vollziehbarkeit des Konkurserkenntnisses, nicht jedoch
dessen materielle Folgen hinausgeschoben. Dies ergebe sich einerseits aus den
Vorschriften des kantonalen Prozessrechts, auf Grund deren die Aufschiebung
erfolgte, und anderseits aus den Vorschriften des SchKG.
Welche Bedeutung einer nicht gemäss Art. 36 SchKG, sondern auf Grund
kantonalen Prozessrechts verfügten aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels
im Konkursverfahren zukommt, ist nicht nach kantonalem, sondern nach
Bundesrecht zu beurteilen. Auch wenn nach kantonalem Recht die einem
Rechtsmittel zuerkannte aufschiebende Wirkung nur die Vollstreckbarkeit, nicht
aber den Eintritt der Rechtskraft eines Entscheides zu hemmen geeignet ist, so
bleibt die nach eidgenössischem Recht zu beantwortende Frage, ob und inwieweit
das Fehlen der Vollstreckbarkeit eines Konkurserkenntnisses den Eintritt der
vom SchKG an dasselbe geknüpften weitem Folgen hindert. Es kann keine Rede
davon sein, dass sich die Wirkungen des Konkurserkenntnisses je nach dem zur
Anwendung gelangten kantonalen Recht verschieden gestalten könnten, wenn wie
hier die einem Rechtsmittel verliehene aufschiebende Wirkung jedenfalls die
Folge hat, dass die Einleitung des Konkursverfahrens im Sinne der

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Art. 221 ff . SchKG, namentlich die Publikation, unterbleibt.
Fraglich erscheint freilich, ob es mit Art. 174 SchKG, der nur ein
ordentliches Rechtsmittel, die Berufung, gegen das Konkurserkenntnis vorsieht,
überhaupt vereinbar ist, einem ausserordentlichen Rechtsmittel aufschiebende
Wirkung zuzuerkennen, und zwar erst noch bei Konkurseröffnung auf Grund von
Wechselbetreibung, gegen die nicht einmal das ordentliche Rechtsmittel der
Berufung gemäss Art. 174 zulässig ist (Art. 189 Abs. 2 e contrario; JAEGER,
Art. 189 N. 4 i.f.). Diese Frage ist in BGE 53 III 204 ff., wo es sich
ebenfalls um ein ausserordentliches Rechtsmittel, nämlich eine
Nichtigkeitsbeschwerde handelte, nicht geprüft worden, weshalb in jenem
Entscheide auch nicht eine stillschweigende Bejahung derselben erblickt werden
kann. Sie müsste wohl verneint werden. Aber selbst wenn angenommen wird, dass
weder einer Nichtigkeitsbeschwerde noch einem Revisionsgesuch gegen das
Konkurserkenntnis aufschiebende Wirkung erteilt werden darf, so folgt daraus
nicht, dass die trotzdem verfügte Sistierung als nicht geschehen und
wirkungslos behandelt werden könnte. Es handelt sich bei der Erteilung
aufschiebender Wirkung um eine Massnahme der Prozessleitung rein
verfahrensmässiger, nicht materiellrechtlicher Natur, die, ob sie zu Recht
oder Unrecht erlassen worden ist, ihre faktischen Wirkungen hat und haben
muss. Der Eingriff in das Verfahren bleibt wirksam, bis er wieder aufgehoben
wird, und kann nicht ungeschehen gemacht werden; die Aufhebung erfolgt mit
Wirkung ex nunc, nicht rückwirkend ex tunc. Denn die Sistierung verhindert in
jedem Falle die Einleitung des weitem Konkursverfahrens, namentlich die
Publikation des Konkurses. Dem gutgläubigen Dritten gegenüber gilt die
Konkurseröffnung erst von der Publikation an; mit Bezug auf ihn kann es daher
keinen Unterschied ausmachen, ob die aufschiebende Wirkung, welche die
Publikation verhindert, zu Recht oder zu Unrecht erteilt worden ist; er muss
sich darauf

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verlassen können, dass eine Bekanntmachung nicht erfolgt ist. Diese Überlegung
muss zur weitern Schlussfolgerung führen, die das Bundesgericht im zit.
Entscheid gezogen hat, dass zufolge Erteilung aufschiebender Wirkung das
Konkurserkenntnis bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel weder auf das
Vermögen des Schuldners noch auf die Rechte der Gläubiger die in Art. 197 ff .
und 208 ff. SchKG vorgesehenen Wirkungen auszuüben vermag.
Diese Auffassung ist nun freilich nicht unangefochten geblieben (vgl.
GOETZINGER, Die Berufung gegen den Firmenkonkurs, in Festgabe für Cari
Wieland, S. 129 f., und namentlich ERNST BRAND, Zeitpunkt und Wirkung der
Konkurseröffnung, SJZ 44 (1948) S. 52 ff.). So gewichtig die insbesondere von
letzterem Autor gegen den Standpunkt des Bundesgerichts im zitierten
Entscheide (53 III 204 ff.) ins Feld geführten Argumente sein mögen, so hat
doch die diesem zugrunde liegende Haupterwägung keine Widerlegung erfahren,
nämlich dass es zu nicht entwirrbaren Komplikationen führen müsste, wenn die
Vorschrift des Art. 204 SchKG, wonach die nach der Konkurseröffnung vom
Gemeinschulduer vorgenommenen Rechtshandlungen den Konkursgläubigern gegenüber
ungültig sind, auf eine monatelang hinter der Konkurspublikation
zurückliegende Zeit angewendet werden wollte. Während der Zeit des Aufschubs
des Konkurserkenntnisses betreibt der Gemeinschuldner sein Gewerbe
befugtermassen weiter; eine Verwaltung seines Vermögens durch das Konkursamt
gemäss Art. 240 ff . SchKG ist ausgeschlossen. Sollte nun aber auch der
Gemeinschuldner selbst zu keiner gültigen Verfügung befugt sein, so könnte es
geschehen, dass monatelang überhaupt niemand dazu berufen wäre, sein Vermögen
zu verwalten. Die Anordnung einer Beistandschaft gemäss Art. 393 ZGB kommt
nicht in Betracht; die Situation gehört als rein konkursrechtlicher Natur
nicht zu den dort beispielsweise genannten Fällen. Dabei können es die
Bedürfnisse des Schuldners und namentlich eines von ihm betriebenen Geschäftes
mit sich bringen, dass

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Verfügungen getroffen werden müssen. Alle vom Schuldner vorgenommenen
Rechtshandlungen wären aber, falls die aufschiebende Wirkung vor Art. 204
SchKG Halt machte, ungültig, da diese Bestimmung, die das Bestehen einer an
Stelle des Schuldners handelnden Konkursverwaltung voraussetzt, mit Recht
keinen Unterschied macht zwischen Verfügungen, die etwa im Sinne von Art. 585
ZGB "notwendige Verwaltungshandlungen" darstellten, und andern, bei denen dies
nicht zuträfe. Nimmt man hinzu, dass die Ungültigkeit gemäss Art. 204 SchKG
mit alleiniger Ausnahme des in Abs. 2 geregelten Sonderfalles nicht
voraussetzt, dass der Konkurs publiziert oder sonstwie zur Kenntnis des
Dritten gelangt sei, so erhellt vollends, zu welchen unhaltbaren Folgen die
Anwendung dieser Bestimmung trotz erteilter aufschiebender Wirkung führen
müsste. Im vorliegenden Falle sind vom Konkurserkenntnis bis zur
Konkurspublikation über vier Monate verstrichen. Neben den Interessen der
bereits im Zeitpunkt des Konkurserkenntnisses vorhandenen Konkursgläubiger,
deren Schutz die Dispositionsunfähigkeit des Schuldners gemäss Art. 204 Abs. 1
bezweckt, dürfen die Interessen der Dritten, die erst nach dem Konkursdekret
mit dem Schuldner Rechtsgeschäfte schliessen, nicht vernachlässigt bleiben.
Wenn demgegenüber GOETZINGER und ihm folgend BRAND (a.a.O.) zu bedenken geben,
dass die Ausdehnung der aufschiebenden Wirkung auf Art. 204 SchKG dem
Schuldner erlaube, ungehindert über seine Aktiven zu verfügen und mit
denselben "soweit wie irgend tunlich abzufahren", so ist dies nur unter der
Voraussetzung richtig, dass der die aufschiebende Wirkung bewilligende Richter
es unterlässt, gemäss Art. 174 Abs. 2 und 170 SchKG die zur Wahrung der Rechte
der Gläubiger notwendigen Sicherungsmassnahmen zu treffen. Da das Gesetz (Art.
170) es völlig dem Ermessen des Konkurs- bzw. des Rechtsmittelrichters anheim
stellt, welche Anordnungen er treffen will, stehen ihm genügende Handhaben zur
Verfügung, um

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dem Beiseiteschaffen von Vermögen wirksam zu begegnen (vgl. JAEGER, Art. 170
N. 4). Die blosse Gefahr aber, dass sich ein allzu vertrauensseliger Richter
zum Schaden der bereits vorhandenen Konkursgläubiger dazu verleiten lassen
könnte, einen unredlichen Schuldner frei schalten und walten zu lassen,
rechtfertigt es nicht, den Art. 204 SchKG von der dem Rechtsmittel verliehenen
aufschiebenden Wirkung auszunehmen und damit Verwirrung zu schaffen. Der
Richter muss ja nicht auf jedes Begehren hin sistieren wenn er es aber tut,
soll er jene Kautelen anwenden.
Ist mithin die Wirkung des Art. 204 SchKG nicht schon mit dem
Konkurserkenntnis vom 5. August 1949 eingetreten, so sind die
Wechselverpflichtungen vom 5. August und 2. September 1949 auch unter diesem
Gesichtspunkt gültig.
Demnach erkennt das Bundesgericht
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, vom 11. September 1952 bestätigt.
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 79 III 43
Data : 01. gennaio 1953
Pubblicato : 27. febbraio 1953
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 79 III 43
Ramo giuridico : DTF - Diritto delle esecuzioni e del fallimento
Oggetto : Zeitpunkt der Konkurseröffnung.Ist einem vom Schuldner gegen das Konkurserkenntnis eingelegten...


Registro di legislazione
CC: 393  585
LEF: 36  170  174  189  197  204  221  240
Registro DTF
53-III-204 • 79-III-43
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
effetto sospensivo • debitore • rimedio giuridico • tribunale federale • procedura di fallimento • incontro • rimedio di diritto straordinario • esecuzione cambiaria • rimedio di diritto ordinario • diritto cantonale • quesito • decisione • azienda • ex nunc • prato • diritto delle esecuzioni e del fallimento • tribunale cantonale • apertura del fallimento • misura di protezione • amministrazione del fallimento • nullità • direttiva • direttiva • autorità inferiore • conoscenza • potere d'apprezzamento • peso • sportello • ex tunc • esattezza • posto • mese • danno • volontà • ufficio dei fallimenti
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