S. 165 / Nr. 28 Obligationenrecht (d)

BGE 79 II 165

28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Juli 1953 i. S.
Intra-Handels A.-G. gegen Perry.


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Regeste:
Internationales Privatrecht, Kauf, Akkreditiv.
Bestimmung des anwendbaren Rechts bei Kauf; massgebend das Recht des engsten
räumlichen Zusammenhangs (Erw. 1). Mitteilung der Akkreditivstellung als
Inverzugsetzung des Verkäufers? (Erw. 2).
Droit international privé, vente, accréditif.
Détermination du droit applicable ô un contrat de vente; est applicable la loi
du pays avec lequel le contrat est dans le rapport territorial le plus étroit
(consid. 1). La communication de l'ouverture de l'accréditif met-elle le
vendeur en demeure? (consid. 2).
Diritto internazionale privato, vendita, accreditivo.
Quale è il diritto applicabile a un contratto di vendita; determinante è la
legge del paese col quale il contratto ô nel più stretto rapporto territoriale
(consid. 1). La comunicazione dell'apertura dell'accreditivo costituisce in
mora il venditore? (consid. 2).

Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin hatte den Beklagten auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung eines
Kaufgeschäfts belangt. Das Obergericht Zürich wies die Klage ab mit der
Begründung, die Klägerin sei mangels Inverzugsetzung des Beklagten zum
Verzicht auf die Erfüllung nicht befugt gewesen. Das Bundesgericht weist die
Berufung der Klägerin gegen diesen Entscheid ab.
Aus den Erwägungen:
1.- Die kantonalen Instanzen haben den Streitfall in Anwendung schweizerischen
Rechtes entschieden. Es mag dahingestellt bleiben, ob es dabei nicht schon
deshalb sein Bewenden haben müsse, weil sich im kantonalen Verfahren keine der
Parteien auf ausländisches Recht berufen hat. Denn auf jeden Fall hat
schweizerisches Recht deshalb zur Anwendung zu gelangen, weil das
Rechtsverhältnis der Parteien den engsten räumlichen Zusammenhang mit der
Schweiz aufweist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts besteht beim Kauf der engste
räumliche Zusammenhang in der

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Regel mit dem Wohnsitz Staat des Verkäufers (BGE 78 II 77, 191; 77 II 84,
191). Nun hatte aber im vorliegenden Falle der staatenlose Verkäufer zur Zeit
des Vertragsabschlusses keinen festen Wohnsitz, so dass dieser
Anknüpfungspunkt hier ausser Betracht fällt. Dagegen lassen die übrigen
Umstände das schweizerische Recht als das mit dem Vertragsverhältnis am
engsten verbundene erscheinen: Der Vertrag wurde in der Schweiz abgeschlossen,
wo wenigstens eine der Parteien, nämlich der Käufer, seinen Wohnsitz hat; in
der Schweiz wurde das vom Käufer zu leistende Akkreditiv gestellt (wobei
allerdings nach dem Vertrag wahlweise auch eine Akkreditivstellung in New-York
zulässig gewesen wäre); in der Schweiz, nämlich durch die Société Générale de
Surveillance in Genf, war auch die Bescheinigung darüber auszustellen, dass
die Ware den Vertragsbedingungen entspreche. Dem allem gegenüber vermag nicht
entscheidend ins Gewicht zu fallen, dass der Vertrag für die Lieferung die
Klau sei «F.A.S. Antwerpen» vorsah. Denn diese Klau sei bezweckt in erster
Linie die Regelung der Transport- und Versicherungskosten, ohne
notwendigerweise die Vereinbarung eines Erfüllungsortes in sich zu schliessen
(BRÄNDLE, Die Überseeklauseln cif und fob, S. 117 ff.), und rechtfertigt daher
für sich allein nicht die Anwendung belgischen Rechts, das die Berufung als
massgebend erachtet. Unterliegt das Streitverhältnis somit dem schweizerischen
Recht, so ist auf die Berufung einzutreten.
2. ... b) Die Berufung rügt die Annahme der Vorinstanz, der Beklagte habe sich
nicht im Verzug befunden, als rechtlich unzutreffend. Sie macht geltend, beim
internationalen Akkreditivkauf erfolge die Inverzugsetzung des Verkäufers
schon durch die Akkreditiveröffnung; denn damit werde kundgetan, dass die
Erfüllung des Kaufvertrages nur noch vom Verkäufer abhänge.
Allein diese Auffassung ist unrichtig.
Grundsätzlich gilt beim gegenseitigen Vertrag die Vornahme der eigenen
Leistung noch nicht als - stillschweigende

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- Mahnung (KLANG, österr. BGB Band 4 S. 174 Nr. 46). Das deutsche
Reichsgericht hat allerdings in einem Entscheid aus dem Jahre 1919 (RGZ 97 Nr.
4 S. 11) erkannt, es genüge, dass der Käufer dem Verkäufer die ordnungsgemässe
Akkreditivstellung als erfolgt angezeigt habe, um ihn in Verzug zu setzen.
Dieser Entscheid wird von einzelnen Autoren ohne nähere Begründung
stillschweigend gebilligt (vgl. etwa SOERGEL, BGB, 8. Aufl. § 284 Anm. 2 S.
813). Es ist jedoch zu beachten, dass im genannten Falle der Verkäufer nach
den getroffenen Vereinbarungen auf die erfolgte Akkreditivstellung hin
unverzüglich zu liefern hatte, sowie, dass die Akkreditivbank in der
Mitteilung der Akkreditiveröffnung an den Verkäufer die Aufforderung zur
Leistung noch besonders zum Ausdruck brachte durch die Bemerkung, dass sie
«die Aushändigung des Duplikatfrachtbriefs erwartend bleibe». Mit Rücksicht
hierauf wurde denn auch in der Literatur der Entscheid teilweise in dem Sinne
verstanden, dass die Akkreditivbestätigung durch die Bank nur in Verbindung
mit einer Bemerkung des erwähnten Inhalts eine Inverzugsetzung bedeute (so
STAUDINGER, BGB, 9. Aufl. Band 11/1 S. 333; BECKER, OR 2. Aufl. Art. 102 N.
8).
Welche dieser beiden Auffassungen den Vorzug verdient, kann dahingestellt
bleiben. Denn selbst wenn man annehmen wollte, dass die Mitteilung der
Akkreditivstellung schlechthin einer Inverzugsetzung gleichkomme, so könnte
das auf jeden Fall nur dort gelten, wo der Verkäufer von diesem Moment an zu
sofortigem Handeln verpflichtet ist. An dieser Voraussetzung gebricht es aber
im vorliegenden Fall, da im Kaufvertrag ohne jede nähere Zeitbestimmung
einfach vereinbart wurde: «Anfang der Lieferung vor dem 15. Dezember 1947».
Infolgedessen konnte die schon am 24. November 1947 erfolgte
Akkreditivstellung noch unter keinen Umständen zum Verzug des Käufers führen;
denn auch ein Lieferungsbeginn am 14. Dezember wäre noch rechtzeitig gewesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 79 II 165
Datum : 01. Januar 1953
Publiziert : 04. Juli 1953
Quelle : Bundesgericht
Status : 79 II 165
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Internationales Privatrecht, Kauf, Akkreditiv.Bestimmung des anwendbaren Rechts bei Kauf...


BGE Register
77-II-83 • 78-II-74 • 79-II-165
Stichwortregister
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