S. 130 / Nr. 20 Familienrecht (d)

BGE 79 II 130

20. Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Juni 1953 i. S. Garbe gegen Stark.


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Regeste:
Ehescheidung. Art. 151 ZGB, Entschädigung in Form einer Rente.
1. «Angemessene Entschädigung».
2. Entschädigung der Frau für Verlust des ehelichen Unterhaltsanspruchs, wenn
sie schon während der Ehe eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat und diese nach
der Scheidung weiterführen kann.
Divorce. Art. 151 CC, indemnité allouée sous la forme d'une pension.
1. «Equitable indemnité».
2. Dédommagement du préjudice résultant de la cessation de l'obligation
d'entretien incombant au mari lorsque la femme a exercé une activité lucrative
déjà durant le mariage et peut la poursuivre après le divorce.
Divorzio. Art. 151 CC, indennità accordata sotto forma di una pensione.
1. Equa indennità».
2. Risarcimento del pregiudizio derivante dalla cessazione dell'obbligo di
mantenimento a carico del marito, quando la moglie ha esercitato un'attività
lucrativa già durante il matrimonio e può continuarla dopo il divorzio.

Das Bezirksgericht sprach die Scheidung der Ehe der Parteien auf Begehren der
Frau gestützt auf Art. 142 ZGB aus, erkannte dieser eine Genugtuungssumme von
Fr. 1000.- zu, behaftete den Kläger bei der Überlassung der Mobilien sowie
einiger Sparhefte und Barbeträge, lehnte das Begehren der Beklagten auf eine
Unterhaltsrente von Fr. 250.- ab und wies die Frage der Vorschlagsteilung ad
separatum. Vor Kantonsgericht hielt die Beklagte nur noch ihr Begehren auf
einen Unterhaltsbeitrag aufrecht. Die Vorinstanz hat es gestützt auf Art. 151
ZGB im Betrage von Fr. 80. monatlich geschützt. Sie führte aus, es treffe die
Beklagte kein, den Kläger dagegen ein schweres Verschulden an der Zerrüttung;
die Ehefrau erleide durch die Scheidung den Verlust des ehelichen Unterhalts
sowie der Erbanwartschaften gegenüber dem Manne. Dieser habe der Frau bereits,
und unbeschadet der ad separatum verwiesenen Vorschlagsteilung, das von den
Eheleuten geführte Steppdeckengeschäft im Werte von rund Fr. 9200.-, einige
Mobilien, Sparhefte und Barbeträge, alles im Gesamtwerte von Fr. 19,545.65

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überlassen, wovon ihr nach Abzug des Frauengutes Fr. 14,780.65 als
Vorschlagsanteil verblieben; also habe sie über ihren gesetzlichen
Vorschlagsdrittel von Fr. 6448.55 hinaus rund Fr. 8300.- zu viel erhalten,
womit der Kläger einen Teil ihrer Unterhaltsansprüche aus Art. 151 ZGB
abgegolten habe. Bei der Bemessung ihres Anwartschaftsverlustes sei das vom
Kläger aufgebaute Geschäft mit seinem nicht unbedeutenden Goodwill, der von
ihm daraus gezogene Verdienst von rund Fr. 8000.- netto im Jahr sowie der
Umstand zu berücksichtigen, dass die Eheleute bei Fortdauer der Ehe beide
Geschäfte nebeneinander hätten betreiben können und daraus ein beachtliches
Einkommen gezogen hätten. Nach der dem Art. 151 ZGB zugrunde liegenden
Rechtsauffassung solle der schuldlos geschiedene Ehegatte durch die Scheidung
in seiner bisherigen Lebenshaltung nichts einbüssen, d.h. möglichst so
gehalten sein, wie wenn die Ehe noch fortdauerte. So betrachtet müsse der
Beklagten trotz den Vorempfängen eine Entschädigungsrente zuerkannt werden,
wofür in Anbetracht aller Umstände ein Betrag von Fr. 80.- angemessen
erscheine.
Mit der vorliegenden Berufung beantragt der Kläger Abweisung der
Beitragsforderung der Beklagten, eventuell angemessene Herabsetzung der von
der Vorinstanz zugesprochenen Fr. 80.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die von der Vorinstanz dem Art. 151 ZGB unterlegte Meinung, die
Entschädigungsrente sei dazu bestimmt, der geschiedenen Frau grundsätzlich den
gleichen Lebensstandard zu ermöglichen, den sie in der Ehe genoss, geht zu
weit. Nach der Natur der Sache wie auch nach dem Wortlaut der Bestimmung
(angemessene Entschädigung) kann es sich nur darum handeln, in einem gewissen
Masse und soweit es die Verhältnisse rechtfertigen, den Verlust der
ökonomischen Vorteile auszugleichen, den die Auflösung der ehelichen
Gemeinschaft für den schuldlosen Ehegatten mit sich bringt, wobei den
Unsicherheitsfaktoren,

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die derartigen Gütern anzuhaften pflegen, angemessen Rechnung zu tragen ist.
2.- Was die Entschädigung für Verlust des ehelichen Unterhaltsanspruches
betrifft, rechtfertigt sie sich namentlich in dem Falle, wo die Ehefrau
erwarten konnte, dass die Kosten der ehelichen Gemeinschaft durch den Mann
allein getragen würden. Aber selbst in solchem Falle ist es am Platze, die der
nun von den Pflichten aus Ehe und Haushalt befreiten - geschiedenen Frau
erwachsende Möglichkeit, sogleich oder mit der Zeit eine Erwerbstätigkeit
wieder aufzunehmen oder anzufangen, zu berücksichtigen. Zumal wenn, wie im
vorliegenden Falle, die Ehefrau schon während der Ehe eine solche Tätigkeit
ausgeübt hat und sie nach der Scheidung weiterführen kann, lässt sich eine
Entschädigung unter jenem Titel nur insoweit rechtfertigen, als in der Ehe
dank den ökonomischen Mitteln des Mannes die Existenzbedingungen der Frau
wesentlich bessere oder erheblich sicherere waren, als sie ihre
Erwerbstätigkeit allein ihr verschafft hätte. Im vorliegenden Falle nun kann
man, wie es die Vorinstanz jedenfalls stillschweigend getan hat, diese
Voraussetzung als bis zu einem gewissen Punkte gegeben erachten, da der
Ehemann seinerseits eine auskömmliche Handelstätigkeit ausübte, so dass die
Ehefrau bei normalem Verlauf der Dinge mit Rücksicht auf ihre Gesundheit und
auf das zunehmende Alter ihre eigene Erwerbsarbeit hätte. einschränken und
allenfalls später sogar ganz aufgeben können. In Ansehung dieser Schwächung
ihrer wirtschaftlichen Position rechtfertigt es sich, anzunehmen, dass die
Beklagte durch die Überlassung des Steppdeckengeschäftes nicht ausreichend
entschädigt wäre, und die in dessen Überlassung liegende Teilentschädigung
durch eine Unterhaltsrente zu ergänzen. Bei der Bestimmung des Betrages
derselben handelt es sich überwiegend um eine Frage des richterlichen
Ermessens, dessen Grenzen die Vorinstanz bei der Ansetzung auf Fr. 80.-
keinesfalls überschritten hat.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 79 II 130
Datum : 01. Januar 1953
Publiziert : 27. Juni 1953
Quelle : Bundesgericht
Status : 79 II 130
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Ehescheidung. Art. 151 ZGB, Entschädigung in Form einer Rente.1. «Angemessene Entschädigung».2...


Gesetzesregister
ZGB: 142  151
BGE Register
79-II-130
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