S. 104 / Nr. 16 Verfahren (d)

BGE 79 II 104

16. Urteil der I. Zivilabteilung von 8. April 1953 i. S. Stolle gegen
Horstmann und Mitbeteiligte.

Regeste:
Parteivertretung vor Bundesgericht, Art. 29 Abs. 2 OG. In Fällen aus dem
Kanton Zürich ist die Vertretung nur durch einen Anwalt zulässig, ohne
Rücksicht darauf, dass § 34 Abs. 1 zürch. ZPO die nicht berufsmässige
Vertretung durch andere Personen gestattet.
Représentation des parties devant le Tribunal fédéral, art. 29 al. 2 OJ. Dans
les litiges provenant du canton de Zurich, les avocats patentes peuvent seuls
agir comme mandataires, bien que l'art. 34 al. 1 du code de procédure civile
zurichois permette à d'autres personnes d'intervenir non professionnellement
en cette qualité.

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Patrocinio delle parti davanti al Tribunale federale, art. 29 cp. 2 OG. Nelle
cause provenienti dal Cantone di Zurigo solo gli avvocati patentati possono
agire come mandatari, quantunque l'art. 34, cp. 1, del codice di procedura
civile zurigano permetta ad altre persone d'intervenire in tale qualità a
titolo non professionale.

1.- Die Berufungsklägerin war vor den kantonalen Instanzen durch Dr. Walter
Guldenmann vertreten, der in Zürich ein Treuhand- und Verwaltungsbüro führt,
jedoch nicht im Besitze eines Anwaltspatentes ist. Auch die Berufungsschrift
an das Bundesgericht ist von Dr. Guldenmann eingereicht worden.
2.- Nach Art. 29 Abs. 2 OG können in Zivil- und Strafsachen nur patentierte
Anwälte sowie die Rechtslehrer an schweizerischen Hochschulen als
Parteivertreter vor Bundesgericht auftreten; vorbehalten bleiben lediglich die
Fälle aus Kantonen, in welchen der Anwaltsberuf ohne behördliche Bewilligung
ausgeübt werden darf.
Gemäss § 34 der zürch. ZPO können sich die Parteien, vorbehältlich der
Bestimmungen des Gesetzes betreffend die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs,
grundsätzlich durch eine andere, in bürgerlichen Ehren und Rechten stehende
Person vertreten lassen. § 1 des zürch. Anwaltsgesetzes vom 3. Juli 1938
sodann gestattet die berufsmässige Vertretung von Parteien in Zivil- und
Strafprozessen vor den zürcherischen Gerichten (mit Ausnahme des summarischen
Verfahrens und der nicht streitigen Gerichtsbarkeit) nur den Personen, die im
Besitze des zürcherischen Fähigkeitszeugnisses sind oder denen das Obergericht
gemäss Art. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
der Uebergangsbestimmungen zur BV die Bewilligung auf Grund
eines ausserkantonalen Fähigkeitsausweises erteilt hat.
3.- Dr. W. Guldenmann besitzt keinerlei Ausweis, auf Grund dessen er zur
Ausübung des Rechtsanwaltsberufs im Kanton Zürich befugt wäre. Die
zürcherischen Gerichte haben ihn im vorliegenden Fall zur Prozessführung
lediglich zugelassen, weil sie annahmen, es stehe keine «berufsmässige»
Vertretung in Frage, da er erklärt hatte, er habe die Vertretung der Klägerin
auf Grund seiner engen

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freundschaftlichen Beziehungen zu der Familie Stolle unentgeltlich übernommen.
Diese Einstellung der kantonalen Instanzen vermag indessen dem Dr. Guldenmann
nicht die Berechtigung zu verschaffen, auch vor Bundesgericht für Frau Stolle
aufzutreten.;Denn grundsätzlich gehört Zürich nicht zu den Kantonen, in denen
im Sinne des Art. 29 Abs. 2 OG der Anwaltsberuf ohne behördliche Bewilligung
ausgeübt werden darf. In Zivilrechtsstreitigkeiten aus dem Kanton Zürich
können infolgedessen nur zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes ermächtigte
Personen als Parteivertreter vor Bundesgericht auftreten. Denn wie schon der
Kassationshof in BGE 78 IV 77 ausgeführt hat, geht aus dem Wortlaut und der
Entstehungsgeschichte des Art 29 Abs. 2 OG der eindeutige Wille des
Gesetzgebers hervor, in Streitfällen aus Kantonen, in denen der Anwaltsberuf
gesetzlich geregelt ist, nur patentierte Anwälte als Parteivertreter vor
Bundesgericht zuzulassen.
Auf die Berufung kann daher nicht eingetreten werden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 79 II 104
Datum : 01. Januar 1953
Publiziert : 08. April 1953
Quelle : Bundesgericht
Status : 79 II 104
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Parteivertretung vor Bundesgericht, Art. 29 Abs. 2 OG. In Fällen aus dem Kanton Zürich ist die...


Gesetzesregister
BV: 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
OG: 29
BGE Register
78-IV-77 • 79-II-104
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • prozessvertretung • zivilrechtsstreitigkeit • summarisches verfahren • kassationshof • ehre • strafsache • strafprozess • weiler • familie • wille • biene • frage • streitige gerichtsbarkeit