S. 1 / Nr. 1 Familienrecht (d)

BGE 79 II 1

1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Mai 1953 i. S. St.
gegen F.


Seite: 1
Regeste:
Verlöbnisbruch, Schadenersatz nach Art. 92
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 92 - Hat eine oder einer der Verlobten im Hinblick auf die Eheschliessung in guten Treuen Veranstaltungen getroffen, so kann sie oder er bei Auflösung des Verlöbnisses von der oder dem andern einen angemessenen Beitrag verlangen, sofern dies nach den gesamten Umständen nicht als unbillig erscheint.
ZGB.
Als «Veranstaltungen» können u. U. auch solche in Betracht fallen, die zwar
vor der Verlobung, aber auf Grund bereits vorhandener beiderseitiger Absicht
der Eheschliessung im Hinblick auf diese getroffen wurden.
Rupture de fiançailles. Dommages et intérêts selon l'art. 92 CC. Peuvent être
notamment considérées comme des «dépenses celles qui, bien que faites avant
les fiançailles, l'ont été cependant en vue de la conclusion d'un mariage déjà
envisagé de part et d'autre.
Rottura di fidanzamento. Indennità secondo l'art. 92 CC.
In particolare possono essere considerate come «spese a anche quelle anteriori
al fidanzamento, purché siano state fatte in vista della conclusione d'un
matrimonio previsto da ambedue le parti.

Zum Tatbestand: Der wegen Verlöbnisbruchs Beklagte hatte während 10 Monaten
vor und 8 Monaten nach der offiziellen Verlobung im Haushalt der Klägerin und
ihrer Mutter (im Ausland) unentgeltlich Kost und Logis genossen und in der
Folge, nachdem er die Braut zur Eheschliessung in die Schweiz hatte kommen
lassen, das Verlöbnis ohne wichtigen Grund gebrochen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
4.- Unter dem Titel Ersatz für Veranstaltungen gemäss Art. 92 haben die
Vorinstanzen einen Posten von Fr. 2700.- zugesprochen als Entschädigung für
Beherbergung und Beköstigung des Beklagten durch die Klägerin und ihre Mutter
während 18 Monaten (vom 26. November

Seite: 2
1947 bis Mai 1949), zu Fr. 150.- pro Monat gerechnet. Das Bezirksgericht hat
den Betrag als angemessen bezeichnet und angenommen, «dass dem Beklagten der
Unterhalt auch schon vor der offiziellen Verlobung nur im Hinblick auf die
künftige Eheschliessung gewahrt worden ist». Dies ist eine tatsächliche, daher
für das Bundesgericht verbindliche Feststellung. Das Obergericht führt dazu
aus unter die «Veranstaltungen» im Sinne von Art. 92
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 92 - Hat eine oder einer der Verlobten im Hinblick auf die Eheschliessung in guten Treuen Veranstaltungen getroffen, so kann sie oder er bei Auflösung des Verlöbnisses von der oder dem andern einen angemessenen Beitrag verlangen, sofern dies nach den gesamten Umständen nicht als unbillig erscheint.
ZGB seien zwar im
allgemeinen Auslagen vor der Verlobung nicht zu rechnen; es könne sich aber im
Einzelfalle unter Umständen rechtfertigen, so hier, da als bewiesen zu gelten
habe, dass diese Aufwendung im Hinblick auf die künftige Heirat gemacht worden
sei. Der Richter habe lediglich zu prüfen, ob es sich wirklich um «in guten
Treuen» getroffene Veranstaltungen handle, d.h. um solche, die nach den
Verhältnissen der Parteien nicht offensichtlich unangemessen waren, was mit
dem Bezirksgericht verneint wird.
Diese Auslegung, wonach Veranstaltungen, die schon vor der Verlobung in
blosser Erwartung derselben getroffen worden sind, keinen Ersatzanspruch
begründen, es sei denn, die Verlobung sei bereits von beiden Teilen
beabsichtigt gewesen (EGGER SJZ 20, 212), verträgt sich mit Wortlaut und Sinn
des Art. 92
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 92 - Hat eine oder einer der Verlobten im Hinblick auf die Eheschliessung in guten Treuen Veranstaltungen getroffen, so kann sie oder er bei Auflösung des Verlöbnisses von der oder dem andern einen angemessenen Beitrag verlangen, sofern dies nach den gesamten Umständen nicht als unbillig erscheint.
ZGB. Dieser spricht nämlich von der Ersatzleistung nicht für
Veranstaltungen, die infolge der Verlobung, sondern die «mit Hinsicht auf die
Eheschliessung» getroffen worden sind. Es ist in der Tat möglich, dass im
Verlaufe der sich allmählich enger und bestimmter gestaltenden Beziehungen
zwischen zwei Nupturienten schon vor dem Austausch eines Eheversprechens, der
eigentlichen Verlobung, auf beiden Seiten die Zuneigung sich zur bestimmten
Heiratsabsicht verdichtet hat und schon in diesem Stadium «Veranstaltungen» im
Hinblick auf die beiderseits gewellte, bloss noch nicht gegenseitig
versprochene Heirat getroffen werden. Kommt es dann zur eigentlichen Verlobung
und nachher zum Bruch, so können solche Veranstaltungen u.U. unter Art. 92
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 92 - Hat eine oder einer der Verlobten im Hinblick auf die Eheschliessung in guten Treuen Veranstaltungen getroffen, so kann sie oder er bei Auflösung des Verlöbnisses von der oder dem andern einen angemessenen Beitrag verlangen, sofern dies nach den gesamten Umständen nicht als unbillig erscheint.
ZGB
subsumiert

Seite: 3
werden. Freilich ist in dieser Hinsicht Zurückhaltung am Platze; es kommt auf
die Verhältnisse des Einzelfalls an. Nachdem aber im vorliegenden die
Vorinstanzen verbindlich festgestellt haben, dass dem Beklagten der Unterhalt
auch schon vor der offiziellen Verlobung «nur im Hinblick auf die künftige
Eheschliessung gewährt worden» ist - was übrigens bei zwei alleinstehenden,
auf ihre Arbeit angewiesenen Frauen einem ledigen Mann gegenüber ohne weiteres
einleuchtet - und dieses Verhältnis während 10 Monaten vor und 8 Monaten nach
der offiziellen Verlobung bestand, ohne dass durch letztere eine Aenderung
eingetreten wäre, ist der Auffassung der Vorinstanzen beizupflichten.
Dass im übrigen Auslagen für den Unterhalt zu den «Veranstaltungen» im Sinne
des Art. 92 gehören, ebenso wie Verdienstausfall zufolge der im Hinblick auf
die Heirat erfolgten Berufsaufgabe, und zwar nicht nur bis zum Verlöbnisbruch,
sondern bis zur Wiederherstellung der früheren Erwerbsverhältnisse (vergl.
EGGER, zu Art. 92 N. 8), kann nicht zweifelhaft sein. Dass die Veranstaltungen
im vorliegenden Falle nicht «in guten Treuen» getroffen worden seien, weil die
Klägerin nicht gutgläubig gewesen sei, sondern den Beklagten habe «einziehen»
wollen, ist eine prozessual unzulässige Tatsachenbehauptung und findet
übrigens in der - massgebenden - Darstellung der Klageschrift keine
Begründung. Die Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung auch des von
ihrer Mutter für den Unterhalt des künftigen Schwiegersohnes Aufgewendeten ist
von diesem nicht bestritten worden, ebensowenig wird in der Berufung die
Angemessenheit der der Berechnung zugrunde gelegten, von den Vorinstanzen
gebilligten Ansätze beanstandet.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 79 II 1
Datum : 01. Januar 1953
Publiziert : 28. Mai 1953
Quelle : Bundesgericht
Status : 79 II 1
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Verlöbnisbruch, Schadenersatz nach Art. 92 ZGB.Als «Veranstaltungen» können u. U. auch solche in...


Gesetzesregister
ZGB: 92
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 92 - Hat eine oder einer der Verlobten im Hinblick auf die Eheschliessung in guten Treuen Veranstaltungen getroffen, so kann sie oder er bei Auflösung des Verlöbnisses von der oder dem andern einen angemessenen Beitrag verlangen, sofern dies nach den gesamten Umständen nicht als unbillig erscheint.
BGE Register
79-II-1
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
verlobung • veranstalter • monat • eheschliessung • beklagter • vorinstanz • mutter • bundesgericht • sachverhalt • schadenersatz • ausgabe • begründung des entscheids • guter glaube • schwiegersohn • weiler • mann • heiratsabsicht • zuneigung • klageschrift • wichtiger grund
... Alle anzeigen
SJZ
20 S.212