S. 166 / Nr. 30 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 79 I 166

30. Auszug aus dem Urteil vom 8. Mai 1953 i. S. Spiral Werkzeuge und Maschinen
A.G. gegen eidg. Steuerverwaltung.


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Regeste:
Couponabgabe, Verrechnungssteuer: Besteuerung von Umsatzbonifikationen einer
Aktiengesellschaft an Kunden, welche zugleich Aktionäre sind. Die
Abgabepflicht setzt nicht voraus, dass alle Aktionäre oder wenigstens die
Mehrheit Leistungsempfänger sind.
Droit de timbre sur les coupons; impôt anticipé: Imposition de bonifications
accordées sur le chiffre d'affaires réalisé par une société anonyme avec des
clients qui sont en même temps actionnaires. Il n'est pas nécessaire, pour que
les prestations soient imposables, qu'elles soient servies à tous les
actionnaires ou même seulement à la majorité d'entre eux.
Tassa di bollo sulle cedole; imposta preventiva: Imposizione di bonifiche
accordate in ragione della cifra d'affari realizzata da una società anonima
con clienti che sono nello stesso tempo azionisti. L'imponibilità di queste
bonifiche non presuppone ch'esse siano concesse a tutti gli azionisti.
L'imponibilità di queste bonifiche non presuppone ch'esse siano concesse a
tutti gli azionisti o anche soltanto alla loro maggioranza.

A. - Die Spiral Werkzeuge und Maschinen A.G. (nachstehend Spiral) wurde im
Jahre 1946 gegründet. für Zweck ist laut § 2 der Statuten «der Handel und die
Fabrikation in Werkzeugen und Maschinen jeder Art». 1947 und 1948 wurde das
Aktienkapital erhöht, wobei sich Werkzeughändler beteiligten.
Mit diesen schloss die Spiral Verträge ab, die mit dem Aktienbesitz verbunden
waren. Nach Art. 1 der Verträge verpflichtete sich «die Firma», d.h. der
Aktionär, ihren Bedarf an Erzeugnissen der Werkzeugindustrie, die von «der
Gesellschaft», d.h. der Spiral, geliefert werden können, soweit als möglich
bei dieser zu beziehen, nach Art. 2, beim Verkauf der von der Spiral bezogenen
Fabrikate die von dieser festgesetzten Preise und Lieferungsbedingungen
einzuhalten. Für Nichteinhaltung der Mindestpreise und Lieferungsbedingungen
sind Konventionalstrafen vorgesehen. Falls die Bezüge der «Firma» in einem
Zeitraum von zwei nacheinanderfolgenden Jahren den Betrag von Fr. 10,000.-
nicht erreichen, ist der

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Verwaltungsrat berechtigt, von jener zu verlangen, dass sie ihre Aktien der
Gesellschaft e zum wirklichen Wert am Tage der Übernahme» zur Verfügung
stellt.
In den Jahren 1947-1950 gewährte die Spiral ihren Werkzeughändler-Aktionären -
neben den Mengenrabatten, die auch dritte Abnehmer erhielten -
Umsatzbonifikationen, sofern der Umsatz der Gesellschaft mit dem einzelnen
Aktionär ein gewisses Minimum überschritt. Die Leistung wurde nach einem
bestimmten Schlüssel entsprechend der Höhe des Umsatzes bemessen.
B. - Die eidg. Steuerverwaltung betrachtet diese Umsatzbonifikationen als
verdeckte Gewinnausschüttungen und verpflichtete die Spiral mit
Einspracheentscheid vom 10. Oktober 1952, dafür Couponabgaben und
Verrechnungssteuern zu bezahlen.
C. - Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Spiral Aufhebung dieses
Entscheides und Befreiung ihrer Umsatzbonifikationen von Couponabgabe und
Verrechnungssteuer.
D. - Die eidg. Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Gemäss Art. 5 Abs. 2 CG und Art. 4 Abs. 1 lit. a VStB unterliegen der
Stempelabgabe auf Coupons und der Verrechnungssteuer solche geldwerte
Leistungen der Aktiengesellschaft an die Aktionäre, die sich nicht als
Rückzahlung ihrer Anteile am einbezahlten Aktienkapital darstellen. Es fallen
nicht nur Leistungen in Betracht, welche gestützt auf einen
Gesellschaftsbeschluss aus dem ausgewiesenen Reingewinn gewährt werden,
sondern auch solche, die dem Aktionär oder einer ihm nahestehenden Person
unter anderer Bezeichnung aus dem Geschäftsergebnis ausgerichtet werden und
unter gleichen Bedingungen einem Dritten nicht zugebilligt würden (BGE 72 I
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).
Im vorliegenden Falle steht fest, dass die streitigen

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Umsatzbonifikationen nur denjenigen Warenbezügern gewährt wurden, die zugleich
Aktionäre der Spiral waren, und zwar neben den üblichen Mengenrabatten, die
auch dritten Abnehmern eingeräumt wurden. Die Beschwerdeführerin macht
geltend, das habe seinen Grund einzig darin, dass die Umsatzbonifikationen auf
den Abnahmeverträgen beruhten und keine Nicht-Aktionäre solche Verträge mit
der Spiral abgeschlossen hätten. Indessen ist der behauptete Zusammenhang mit
den Abnahmeverträgen zweifelhaft, da die Umsatzbonifikationen in diesen
Verträgen, die doch eine sehr ausführliche Regelung enthalten, keine Erwähnung
finden. Selbst wenn er bestehen sollte, wäre jene Darstellung insofern
irreführend, als die Abnahmeverträge Nicht -Aktionären überhaupt nicht
offenstehen, vielmehr mit dem Aktienbesitz untrennbar verbunden sind. Das
zeigt sich schon im Titel: «Vertrag zwischen der Spiral... und der Firma...
als Aktionär» und wird bestätigt durch die Bestimmung der Art. 12 und 13 in
fine, wonach bei Veräusserung aller Aktien der «Firma»... «dieser Vertrag auf
den Zeitpunkt der Übernahme der Aktien durch den neuen Erwerber ohne weiteres
aufgelöst» wird. Aus dem Protokoll der Generalversammlung vom 2. Mai 1947 geht
hervor, dass zwar auch Abnahmeverträge mit Werkzeughändlern, die nicht
Aktionäre sind, vorgesehen waren, dass diese aber einen anderen Inhalt hatten;
insbesondere wurde auf Befragen eines Aktionärs dargetan, dass die Aktionäre
höherer Rabatte teilhaftig würden. In der Replik erwähnt die
Beschwerdeführerin zwar, dass jüngst ein Aktionär seine Aktien dem
Verwaltungsrat angeboten und den Wunsch geäussert habe, den Abnahmevertrag
weiter in Kraft zu belassen und die Bonusberechtigung aufrecht zu erhalten;
doch behauptet sie nicht, dass diesem Wunsche entsprochen worden sei. Selbst
wenn dies der Fall sein sollte, so würde diese nachträglich, im Verlaufe des
Beschwerdeverfahrens, eingetretene Änderung der Vertragsbestimmungen das
Verhältnis in den Jahren 1947-1950, um die es sich hier

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handelt, nicht berühren. Es steht fest, dass damals die Umsatzbonifikationen
nur Aktionären zugebilligt wurden, dritten Abnehmern aber nicht, auch wenn
deren Bezüge das gleiche Ausmass erreichten, also im übrigen gleiche
Bedingungen vorlagen. Das spricht dafür, dass ihr Grund im
Beteiligungsverhältnis lag, obwohl ihre Höhe nicht nach dem Aktienbesitz,
sondern nach dem Umsatz mit der Spiral bemessen wurde.
2.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Umsatzbonifikationen seien nicht
unentgeltlich, sondern stellten die Gegenleistung dar für die Verpflichtungen,
welche die Empfänger in den Abnahmeverträgen auf sich genommen hätten; darin
liege auch der Unterschied gegenüber Dritten, die gleich viel Waren von der
Spiral bezogen hätten, ohne dazu verpflichtet zu sein. Den Umstand, dass die
Bonifikationen in den Abnahmeverträgen nicht erwähnt sind, erklärt sie damit,
dass man beim Abschluss der Verträge zuerst Erfahrungen habe abwarten wollen.
Hätte jedoch ein solcher Zusammenhang bestanden, so wären die Bonifikationen
doch wohl in den - sonst sehr einlässlichen - Verträgen in Aussicht genommen
und lediglich ihre Höhe von der künftigen Entwicklung abhängig gemacht worden.
Auch dann würde es sich noch fragen, ob darin nicht eine Gewinnausschüttung
liege; das würde vom Vorhandensein einer Gegenleistung abhängen. Die eidg.
Steuerverwaltung bestreitet, dass die von - den Aktionären in den
Abnahmeverträgen eingegangenen Verpflichtungen eine wirkliche Belastung
darstellen.
Die Verpflichtung, den Bedarf an Erzeugnissen der Werkzeugindustrie, die von
der Spiral geliefert werden können, bei dieser zu decken, ist sehr unbestimmt
gehalten, ursprünglich war zwar vorgesehen, dass die betreffenden Aktionäre
sich «in weitgehendstem Umfange» bei der Spiral einzudecken hätten, doch wurde
diese Formulierung gleich zu Beginn ersetzt durch «soweit als möglich». Damit
wurde die Erfüllung der Verpflichtung praktisch ins Belieben der Aktionäre
gestellt, zumal an die

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Nichterfüllung keine ins Gewicht fallende Sanktion geknüpft ist.
Konventionalstrafen sind nur vorgesehen für die Nichteinhaltung der
Mindestpreise und Lieferungsbedingungen, nicht aber mit Bezug auf die
Abnahmeverpflichtung. Diesbezüglich kommt einzig die Massnahme von Art. 12 in
Frage: Wenn die Bezüge einer «Firma» im Zeitraum von zwei aufeinanderfolgenden
Jahren den Betrag von Fr. 10,000. nicht erreichen, so kann der Verwaltungsrat
verlangen, dass jene ihre Aktien der Gesellschaft zur Verfügung stellt. Diese
«Sanktion» ist also nur möglich bei einem Warenbezug für weniger als Fr.
5000.- im Jahr und fällt damit gegenüber den grösseren Abnehmern überhaupt
nicht in Betracht. Zudem droht mit ihr kein effektiver Nachteil, da
ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass die Aktien «zum wirklichen Wert am Tage
der Übernahme zu übernehmen sind. Die Abnahmepflicht stellt mithin weder für
die Aktionäre eine tatsächliche Belastung noch für die Spiral eine
Absatzgarantie dar, wie sie behauptet. In der Tat ist der Umsatz der Spiral
mit ihren Aktionären in den Jahren 1947-1950 stark zurückgegangen wie sich aus
dem Sinken der ausgerichteten Bonifikationen bei gleich gebliebenem Schlüssel
ergibt.
Die Beschwerdeführerin nennt sodann die Verpflichtungen, die den Aktionären in
Art. 2 des Abnahmevertrags auferlegt werden: Beim Verkauf der von der Spiral
bezogenen Fabrikate, sei es an Konsumenten oder an Wiederverkäufer, die von
der Gesellschaft für diese beiden Fälle festgesetzten Preise und
Lieferungsbedingungen einzuhalten, im zweiten Fall zudem ihrerseits die
Wiederverkäufer auf die betreffenden Mindestpreise und Lieferungsbedingungen
zu verpflichten. Diese Verpflichtungen haben mit der Abnahmepflicht und dem
Umsatz keine direkte Beziehung, und es kann keine Rede davon sein, dass die
Umsatzbonifikationen eine Gegenleistung da für seien. Überdies hat sich die
Spiral in Art. 3 Abs. 2 des Vertrages verpflichtet, auch den Wiederverkäufern,
die nicht Aktionäre sind - und die keine Umsatzbonifikationen erhalten

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-, «die gleichen Bedingungen betreffend Einhaltung von Mindestpreisen und
Lieferungsbedingungen aufzuerlegen».
3.- Die Beschwerdeführerin wendet weiter ein, wenn die Umsatzbonifikationen
eine Gewinnausschüttung wären, so hätten die Aktionäre, die nicht
Werkzeughändler sind und somit nicht davon profitieren, sie nie bewilligt.
Diese stellten eine starke Minderheit dar und seien an den
Generalversammlungen von 1949 und 1950 sogar in der Mehrheit gewesen, zumal
der Gründer über die Aktien der ihm nahestehenden Werkzeughändler-Firma X.
habe verfügen können. Zudem hätten nur zwei Drittel der
Werkzeughändler-Aktionäre Umsatzbonifikationen erhalten; die andern
verstärkten noch die Gruppe der Nicht-Werkzeughändler.
Die Gegenüberstellung der Werkzeughändler und Nicht-Werkzeughändler unter den
Aktionären erscheint als problematisch angesichts des Umstands, dass zur
zweiten Gruppe nach der eigenen Angabe der Beschwerdeführerin nur zwei
Aktionäre gehörten, welche eine besondere Stellung hatten: der
Verwaltungsratspräsident, dessen Aktienbesitz gemäss § 2 lit. b der Statuten
aus Pflichtaktien bestand, und der Gründer, welcher dem bedeutendsten
Werkzeughändler-Aktionär nahesteht, nämlich der Firma X., die über einen
Viertel aller von 1947 bis 1950 ausbezahlten Umsatzbonifikationen erhalten
hat. Unter diesen Umständen erklärt jene Beziehung eher die Zustimmung des
nicht direkt daran interessierten Gründers zu den Umsatzbonifikationen, als
dass sie einen Grund bildet, die Aktien der Firma X. denjenigen der
Nicht-Werkzeughändler zuzurechnen. In den Generalversammlungen war von den
Umsatzbonifikationen überhaupt nie die Rede, geschweige denn dass sie
ausdrücklich genehmigt wurden. Die einzige Anspielung darauf ist im Protokoll
der Generalversammlung vom 2. Mai 1947 zu finden, wo der Gründer auf Anfrage
eines Aktionärs darlegte, «dass die Aktionäre höherer Rabatte teilhaftig
werden». In dieser Versammlung, wo alle Aktionäre anwesend oder vertreten
waren, hatten die Werkzeughändler eine starke Mehrheit.

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Dass die Leistung nicht nach dem Aktienbesitz, sondern nach dem Umsatz der
Spiral mit den einzelnen Aktionären bemessen und von einem Minimum desselben
abhängig gemacht wurde, dass sie also nicht sämtlichen Aktionären, ja nicht
einmal allen Werkzeughändlern unter ihnen zugute kam, ist unerheblich. (Bei
der Einführung der Umsatzbonifikationen war wohl noch kaum vorauszusehen,
welche Aktionäre mangels Erreichung des Minimalumsatzes nicht davon
profitieren würden.) Die Abgabepflicht setzt nicht voraus, dass alle Aktionäre
oder wenigstens die Mehrheit derselben Leistungsempfänger seien (Urteil vom
31. März 1944, Erw. 1, wiedergegeben in ASA 13, 74). Entscheidend ist, wie
bereits ausgeführt wurde, dass der Grund der Leistungen in der Beteiligung
liegt, dass sie Nicht-Aktionären unter sonst gleichen Bedingungen nicht
zugebilligt werden.
Wenn die Praxis bei Genossenschaften die nach Massgabe der Benützung der
gemeinsamen Einrichtungen vorgenommenen Rückvergütungen an die Mitglieder als
abgabenfrei behandelt, so beruht das auf dem Charakter der Genossenschaft, für
welche die persönliche Bindung entscheidend, die Kapitalbeteiligung
unwesentlich ist. Diese Praxis kann nicht auf Aktiengesellschaften ausgedehnt
werden, weil hier die Kapitalbeteiligung massgebend ist und das persönliche
Verhältnis durchaus zurücktritt. Hier ist die Kapitalbeteiligung der Grund der
Leistung, auch wenn diese nach einem anderen Faktor, im vorliegenden Fall nach
dem erzielten Umsatz, bemessen wird.
4.- Auf die Höhe der Umsatzbonifikationen kommt es unter diesen Umständen
nicht an. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf BGE 72 I 313 geht zudem fehl:
Dort wurde der Mengenrabatt von 5 %, welcher dem den Aktionären nahestehenden
Hauptabnehmer gewährt worden war, als üblich und daher steuerfrei bezeichnet,
eine darüber hinausgehende Vergütung dagegen als ungewöhnlich besteuert. Hier
aber tritt die Umsatzbonifikation, die selbst bis zu 5 % gehen kann, zu den
üblichen

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Mengenrabatten, die auch dritten Abnehmern gewährt werden, für die Aktionäre
noch hinzu.
Demnach erkennt das Bundesgericht.-
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 79 I 166
Datum : 01. Januar 1953
Publiziert : 08. Mai 1953
Quelle : Bundesgericht
Status : 79 I 166
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Couponabgabe, Verrechnungssteuer: Besteuerung von Umsatzbonifikationen einer Aktiengesellschaft an...


BGE Register
72-I-184 • 72-I-305 • 79-I-166
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
umsatz • kapitalbeteiligung • bedingung • verrechnungssteuer • couponabgabe • verwaltungsrat • bezogener • werkzeug • aktiengesellschaft • gegenleistung • sanktion • bundesgericht • tag • genossenschaft • coupon • wert • teilhaftung • aktienkapital • konventionalstrafe • frage
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