BGE 78 II 32
6. Auszug aus dem -Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Januar 1952 i. S.
Konkursmasse Bachmann gegen Brütsch & Co.
Regeste:
Alleinvertretungsvertrag.
Anwendbarkeit von Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 82 - Wer bei einem zweiseitigen Vertrage den andern zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalte oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat. |
Möglichkeit der Aufhebung aus wichtigem Grunde (Erw. 1 b).
Contrat de représentation exclusive.
Applicabilité de l'art. 82 CO (consid. 1 a).
Possibilité de résilier le contrat pour juste motif (consid. 1 b).
Contratto di rappresentanza esclusiva.
Applicabilità dell'art. 82 CO (consid. 1 a).
Possibilità di recedere dal contratto per una causa grave (consid. 1 b).
Aus dem Tatbestand
Die Firma Brütsch & Co., Generalvertreterin der «Bernina»-Nähmaschinen,
übertrug 1933 dem Bachmann als Untervertreter den Alleinverkauf für den Bezirk
Zürich. Nach den getroffenen Vereinbarungen hatte
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Bachmann die Maschinen von Brütsch & Co. zu beziehen und innert 60 Tagen netto
zu bezahlen. In Wirklichkeit war Bachmann jedoch mit den Zahlungen häufig im
Rückstand, so dass sich seine Verbindlichkeiten gegenüber Brütsch & Co.
zeitweise auf über Fr. 100000.- beliefen.
Anfangs Juni 1949, als die Schuld Bachmanns rund Fr. 70000.- betrug, drohte
die Firma Brütsch ihm mit Liefersperre, wenn er nicht eine grössere Zahlung
leiste. Tatsächlich belieferte sie aber Bachmann weiter. Ende Juni 1949
übergab ihr dieser ein Ende Juli 1949 fälliges Wechselakzept von Fr. 50000.-.
Hieran bezahlte er am 8. Juli Fr. 10000.-; im Restbetrag von Fr. 40000.- ging
der Wechsel am 3. August zu Protest, worauf die Firma Brütsch am 7. August die
Ausführung der ihr am 6. August 1949 von Bachmann aufgegebenen Bestellungen
verweigerte.
Nachdem Bachmann am 16. September 1949 eine Nachlassstundung gewährt worden
war, trat die Firma Brütsch mit Schreiben vom 20. Oktober vom
Vertretungsvertrag zurück. In der Folge wurde die Nachlassstundung widerrufen,
und im Frühjahr 1950 geriet Bachmann in Konkurs.
Die Konkursmasse belangte die Firma Brütsch & Co. auf Bezahlung einer
Schadenersatzsumme von Fr. 200000.-, weil sie durch die verhängte Liefersperre
den Alleinvertretungsvertrag verletzt habe und unberechtigterweise von diesem
zurückgetreten sei.
Das Handelsgericht Zürich wies mit Urteil vom 8. Mai 1951 die Klage ab.
Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab.
Aus den Erwägungen:
1.- Bei dem Vertragsverhältnis, aus dem die Klägerin die geltend gemachte
Schadenersatzforderung ableitet, handelt es sich um einen
Alleinvertretungsvertrag (AVV). Dieser von der Praxis auf Grund der im OR
bestehenden Freiheit zu beliebiger Gestaltung des Vertragsinhaltes geschaffene
Vertragstypus ist ein Vertrag eigener Art, der
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zwar mit gewissen anderen, im Gesetz vorgesehenen Vertragsarten gemeinsame
Züge aufweist, im übrigen aber sein besonderes rechtliches Gepräge besitzt.
a) So sind dem AVV stets zwei Austauschverhältnisse eigen. Im Verhältnis der
Gegenseitigkeit stehen einmal die Überlassung des Verkaufs im Vertragsgebiet,
durch die eine Unterlassungspflicht des Lieferanten begründet wird, und die
ihr gegenüberstehende Pflicht des Vertreters zur Förderung des Absatzes der
Ware in dem ihm vorbehaltenen Gebiet. Ein zweites Leistungspaar sodann besteht
in Recht und Pflicht des Lieferanten zur Warenlieferung einerseits und der
Pflicht des Vertreters zur Abnahme der Ware und zur Bezahlung des Warenpreises
anderseits. Wird eine der zum ersten Leistungspaar gehörenden Pflichten nicht
ordnungsgemäss erfüllt, so stehen die üblichen Rechtsbehelfe zur Verfügung,
wie Schadenersatzforderung nach Art. 97
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 97 - 1 Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
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1 | Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
2 | Für die Vollstreckung gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 11. April 188943 über Schuldbetreibung und Konkurs sowie der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200844 (ZPO).45 |
Vertrages nach Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 82 - Wer bei einem zweiseitigen Vertrage den andern zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalte oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat. |
Art. 107 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 107 - 1 Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen. |
|
1 | Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen. |
2 | Wird auch bis zum Ablaufe dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, statt dessen aber auch, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrage zurücktreten. |
Für den Fall der Nichterfüllung einer Verpflichtung aus dem zweiten
Leistungspaar will die Klägerin dagegen die entsprechenden Folgerungen nicht
gelten lassen. Sie vertritt insbesondere die Meinung, bei Zahlungsverzug des
Alleinvertreters dürfe der Lieferant sich nicht auf Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 82 - Wer bei einem zweiseitigen Vertrage den andern zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalte oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat. |
nicht weitere Warenlieferungen verweigern, wenn der Vertreter eine fähige
Zahlung nicht geleistet hat.
Dass Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 82 - Wer bei einem zweiseitigen Vertrage den andern zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalte oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat. |
Schrifttum und Rechtsprechung anerkannt (vgl. OSER-SCHÖNENBERGER, OR Art. 82
N. 8; nicht veröffentl. Entscheid der I. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom
24. Juni 1947 i. S. Luzerner Landbank gegen Ris). Aber auch beim AVV, bei dem
der Vertreter (wie hier) als Eigenhändler auftritt und im eigenen Namen kauft
und verkauft, bleibt Kauf und Verkauf - vorbehältlich anderer, hier fehlender
Vereinbarung
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der Parteien des AVV Kaufsgeschäft und folgt den allgemeinen und besonderen
Regeln, die für den Kauf gelten (nicht veröffentl. Entscheid der I.
Zivilabteilung vom 24. Dezember 1951 i. S. Stapfer gegen Ducati S. A.); ob
sich die einzelnen Warenbezüge des Vertreters als Einzelkäufe darstellen oder,
wie in der Regel, als Teile eines durch Vereinbarung einer
Mindestabnahmepflicht begründeten Sukzessivlieferungskaufes, ist dabei ohne
Belang. Danach kann also auch beim AVV der Lieferant eine Warenrate solange
zurückhalten, bis der Vertreter eine fällige Zahlung für frühere
Teillieferungen entrichtet hat.
Die Klägerin will dies deswegen in Abrede stellen, weil beim AVV die Folgen
daraus für den Vertreter weit schwerwiegender seien, als Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 82 - Wer bei einem zweiseitigen Vertrage den andern zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalte oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat. |
den Normalfall vorsehe. Nun hat allerdings die auf Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 82 - Wer bei einem zweiseitigen Vertrage den andern zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalte oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat. |
Verweigerung weiterer Belieferung zur Folge, dass der Vertreter in dem ihm
vertraglich vorbehaltenen Gebiet den Absatz der Ware nicht mehr fördern und
unter Umständen überhaupt nichts mehr verdienen kann. Allein das erstere
berührt vorab den Lieferanten, der sich selber darüber schlüssig zu machen
hat, ob er diesen Nachteil in Kauf nehmen will. Das andere aber ist eine vom
Vertreter selber zu vertretende Folge Seiner Zahlungssäumnis. Es ist in der
Tat kein Grund ersichtlich, warum beim AVV eine Ausnahme von den allgemein für
den Kauf geltenden Regeln gemacht werden sollte. Im Gegenteil besteht bei
einem Dauerverhältnis, wie es der AVV darstellt, ganz besonderer Anlass, den
Parteien den Rechtsbehelf einzuräumen, mit dem die ordnungsgemässe Abwicklung
der zusammengehörenden Sukzessivleistungen erzwungen werden kann. Insbesondere
ist nicht einzusehen, warum der Vertreter, der seine Warenbezüge nicht
rechtzeitig bezahlt, hier milder behandelt werden soll, als ein anderer
Käufer.
Die Verletzung der kaufsartigen Verpflichtungen aus Warenbezug durch den
Alleinvertreter kann im Gegenteil
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unter Umständen auch noch gewisse Wirkungen auf das Gesamtverhältnis auslösen.
Es liegt auf der Hand, dass beim AVV gleich wie bei andern
Vertragsverhältnissen die Nichterfüllung schliesslich zur Schadenersatzpflicht
führen kann. Aber ein Schadenersatzanspruch ist für den Vertragsgegner hier
oft genug ein unzulänglicher Behelf.
Damit kommt man auf die Lösung des Rücktritts vom Vertrag, für den im
allgemeinen Art. 107 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 107 - 1 Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen. |
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1 | Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen. |
2 | Wird auch bis zum Ablaufe dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, statt dessen aber auch, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrage zurücktreten. |
Dauerschuldverhältnissen würde jedoch diese Art der Auflösung des Vertrages,
mit ihrer Wirkung ex tunc, auch beim AVV zu praktisch unbrauchbaren
Ergebnissen führen, weshalb sich in solchen Fällen die Zulassung des
Rücktrittes aus wichtigen Gründen mit Wirkung ex nunc aufdrängt. Insbesondere
muss die Möglichkeit solcher Vertragsauflösung auch bei schwerwiegender
Verletzung der kaufsartigen Bestandteile des AVV grundsätzlich zu Gebote
stehen. Denn es wäre rechtlich untragbar, den Lieferanten dauernd an den AVV
gebunden bleiben zu lassen, wenn der Vertreter seine Zahlungspflicht verletzt
(OSER-SCHÖNENBERGER OR Art. 107 N. 39), z. B. wenn er zahlungsunfähig wird
(WEIL, Die vorzeitige Aufhebung des AVV, in SJZ 32 S. 295), oder wenn seine
Zahlungsunfähigkeit, zumal bei bisheriger Säumnis, derart offenbar wird, dass
dem Partner die Weiterführung des AVV nach Treu und Glauben nicht mehr
zugemutet werden darf.
b) In zweiter Linie ist für den AVV kennzeichnend, dass er nach seinem Zweck
als Dauerschuldverhältnis gedacht und zu behandeln ist.
Diese Eigenschaft ist von Bedeutung für die Möglichkeit und die Art der
Beendigung des Vertrages. Als Dauerschuldverhältnis ist der AVV in gewisser
Hinsicht dem Dienstvertrag verwandt; dagegen fehlt ihm das für einen solchen
wesentliche Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnis. Der Vertreter ist
selbständiger Kaufmann, der sein Geschäft nach eigenem Gutdünken betreibt und
lediglich die Ware von .seinem AVV-Partner kauft. Nach
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seiner wirtschaftlichen Aufgabe und nach seinem Platze im Handelsgewerbe ist
der Alleinvertreter ein Verwandter des Agenten. Auch dieser steht in einem
Dauerverhältnis zum Auftraggeber, aber dieses ist ebenfalls nicht
dienstvertraglicher Art. Vom Agenten unterscheidet sich der Alleinvertreter
dadurch, dass er als Eigenhändler handelt, insbesondere im eigenen Namen und
auf eigene Rechnung kauft und verkauft, während der Agent entweder bloss
Geschäfte für den Auftraggeber vermittelt (Vermittlungsagent) oder als
Abschlussagent im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers abschliesst. Unter
dem Gesichtspunkt der Beendigungsgründe und der Beendigungsweise ist jedoch
dieser Umstand angesichts der sonstigen Ähnlichkeit der beiden Verhältnisse
nicht erheblich. Es besteht beim AVV wie bei andern Dauerschuldverhältnissen
das Bedürfnis, eine Möglichkeit der Vertragsbeendigung zuzulassen, die
derjenigen beim Dienstvertrag analog ist. Der Vertragsrücktritt gemäss Art.
107 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 107 - 1 Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen. |
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1 | Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen. |
2 | Wird auch bis zum Ablaufe dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, statt dessen aber auch, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrage zurücktreten. |
Leistungen zwingt, ist bei einem während längerer Dauer bereits vollzogenen
Dauerschuldverhältnis praktisch unmöglich. Aus diesem Grunde hat die
schweizerische Rechtsprechung (nach dem Vorbilde des deutschen Rechts, vgl.
STAUB, HGB, Anhang zu § 346 Anm. 16 a, § 374 Anhang Anm. 3;
DÜRINGER-HACHENBURG § 84 Anm. 14) für die vorzeitige Beendigung des AVV die
für den Agenturvertrag entwickelten Grundsätze angewendet (BGE 60 II 335; WEIL
a.a.O. S. 295 f.). Dementsprechend muss auch beim AVV eine Auflösung aus
wichtigem Grund, also ex nunc, zugelassen werden.
2.- Die Anwendung dieser Grundsätze auf die streitigen
Schadenersatzferderungen führt zu folgenden Ergebnissen:
a) Da es sich bei dem zwischen Bachmann und der Beklagten seit 1933
bestehenden Vertrag um einen Alleinvertretungsvertrag im Sinne der
vorstehenden Ausführungen handelt, hat die Vorinstanz das Vorliegen eines
Agenturvertrages mit Recht verneint. Der Berufung ist lediglich
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zuzugeben, dass dieser AVV mit dem Agenturvertrag das eine gemeinsam hat, dass
er wie dieser ein Dauerschuldverhältnis ist, und dass infolgedessen die Frage
seiner Beendigung, namentlich jene der vorzeitigen Beendigung, nach den für
den Agenturvertrag geltenden Grundsätzen zu beurteilen ist. Irrtümlich aber
ist nach dem Gesagt en die Rechtsauffassung der Klägerin, dass der AVV
schlechthin den Regeln über den Agenturvertrag unterworfen sei und die
Bestimmungen des Kaufrechtes für die Beurteilung der streitigen
Schadenersatzforderung aus Liefersperre überhaupt nicht herangezogen werden
können.
b) Wie oben dargelegt, ist bei einem Rückstand Bachmanns in der Bezahlung
erfolgter Sukzessivlieferungen Art. 82
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 82 - Wer bei einem zweiseitigen Vertrage den andern zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalte oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat. |
des nicht erfüllten Vertrages wegen teilweiser Nichterfüllung und damit das
Recht zur Liefersperre stand der Beklagten aber nur zu unter der
Voraussetzung, dass die Schuld Bachmanns aus früheren Lieferungen fällig war.
Ob nun die Beklagte weitere Lieferungen erst in diesem Zeitpunkt verweigerte,
ist umstritten.
Nach dem Vertrag hatte Bachmann zur Begleichung der Rechnungen eine
Zahlungsfrist von 69 Tagen. Gemäss Rechnungsauszug, zugestellt mit Brief vom
2. Juni 1949 schuldete Bachmann aus Lieferungen vom 29. und 30. April 1949
(einschliesslich eines Saldobetrages von Fr. 2997. aus früheren Lieferungen)
unbestritten Fr. 21240.05; dieser Betrag wurde nach zwei Monaten, also am
29./30. Juni 1949, zur Zahlung fällig. Um den 5. Juni herum drohte die
Beklagte mit gänzlicher Liefersperre, falls Bachmann nicht bezahle. Wie die
Vorinstanz feststellt, blieb es aber zunächst bei der blossen Drohung;
tatsächlich lieferte die Beklagte auch nachher noch bis Ende Juni Waren im
Betrage von rund Fr. 15000.-. Einzelne Lieferungen erfolgten sogar noch im
Juli. Danach vollzog die Beklagte also ihre Liefersperre erst, nachdem Ende
Juni eine Schuld von ca. Fr. 22000.- fällig geworden war, und ausserdem aus
Lieferungen im
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Mai und Juni die Schuld Bachmanns sich um noch weitere Fr. 60000.- erhöht
hatte. Die Beklagte war somit Ende Juni zur Liefersperre berechtigt. Ihr
Verhalten war also nicht rechtswidrig, womit schon die erste Voraussetzung
einer Schadenersatzpflicht wegen der Liefersperre entfällt. Die in diesem
Zusammenhang vorgebrachte Behauptung der Klägerin, die Liefersperre sei
deshalb unzulässig gewesen, weil die Klägerin sie von einem Tag auf den andern
verhängt habe, scheitert an den oben erwähnten tatsächlichen Feststellungen
der Vorinstanz; danach wurde die Sperre erst im Juli, eindeutig sogar erst
Anfang August wirksam.