S. 417 / Nr. 60 Doppelbesteuerung (d)

BGE 78 I 417

60. Urteil vom 5. November 1952 i. S. Messner gegen Zürich, Staat und
Oberrekurskommission.


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Regeste:
Doppelbesteuerung.
Besteuerung des auf Wertpapieren des Privatvermögens realisierten
Kapitalgewinns im Sinne des zürcherischen Steuerrechts. Dieser Gewinn
untersteht ausschliesslich der Steuerhoheit desjenigen Kantons, wo der
Gewinner (Eigentümer der Wertpapiere) im Zeitpunkt der Realisierung
(Veräusserung) seinen Wohnsitz gehabt hat. Vorbehalt für den Fall, dass der
Bund oder ein Kanton den reinen - nicht bloss durch Veräusserung realisierten
- Wertzuwachs auf Wertpapieren des Privatvermögens besteuern sollte.
Double imposition.
Lorsqu'un contribuable réalise un bénéfice en capital par l'aliénation de
papiers-valeur rentrant dans sa fortune privée au sens du droit fiscal
zurichois, ce bénéfice est soumis exclusivement à la souveraineté fiscale du
canton où le contribuable a eu son domicile au moment de l'aliénation. Réserve
faite pour le cas où la Confédération ou un canton imposerait, dès avant la
réalisation effective, l'augmentation de la valeur des titres rentrant dans la
fortune privée.
Doppia imposta.
Quando un contribuente realizza un utile in capitale mediante la vendita di
carte-valori che fanno parte del suo patrimonio privato a norma del diritto
fiscale zurigano, questo utile è assoggettato esclusivamente alla sovranità
fiscale del Cantone ove il contribuente ha avuto il suo domicilio al momento
della vendita. Riserva pel caso in cui la Confederazione o un Cantone

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imponesse, prima della vendita effettiva, l'aumento di valore delle
carte-valori che fanno parte del patrimonio privato del contribuente.

A. - Der heutige Beschwerdeführer Dr. Messner wohnt seit dem 1. Januar 1947 in
Feldbach in der Gemeinde Hombrechtikon Zürich. Vorher hatte er seinen Wohnsitz
in Dornach im Kanton Solothurn gehabt. Im Jahre 1948 veräusserte er 20 Aktien.
Die Steuerkommission der Gemeinde Hombrechtikon entschied, dass er dabei einen
Kapitalgewinn von rund 6300 Franken gemacht habe, der einen Bestandteil seines
steuerpflichtigen Einkommens für das Jahr 1949 bilde. Sie berechnete den
Gewinn in der Weise, dass sie vom Nettoverkaufserlös den Einstandswert der
Aktien abzog, die der Beschwerdeführer in der Zeit vor 1945 erworben hatte.
Dabei stützte sie sich auf § 8 Ziff. 7 des alten kant. StG vom 25. November
1917 26. September 1943, wonach als steuerpflichtiges Einkommen insbesondere
gilt «der realisierte Kapitalgewinn auf Vermögensobjekten, insbesondere
Grundstücken und Wertpapieren, der auf Wertsteigerungen in den letzten zehn
Jahren zurückzuführen ist.
Der Beschwerdeführer rekurrierte gegen diesen Entscheid mit dem Antrag, der
steuerpflichtige Kapitalgewinn sei um Fr. 5000.- herabzusetzen. Er machte
geltend, die Vermehrung des Wertes der Aktien dürfe vom Kanton Zürich nur
soweit besteuert werden, als sie seit dem 1. Januar 1947 eingetreten sei, also
nur mit einem Betrag von Fr. 1324.-.
Die Rekurskommission III des Kantons Zürich wies den Rekurs ab, und eine
Beschwerde gegen diesen Entscheid wurde von der Oberrekurskommission durch
Entscheid vom 25. April 1952 ebenfalls abgewiesen. Aus der Begründung dieses
Entscheides ist folgendes hervorzuheben: Die Besteuerung des nicht
realisierten Wertzuwachses auf dem gleichen Vermögensobjekt durch den andern
Kanton wurde, obschon Steuerperiode und Steuerobjekt nicht identisch wären,
eine unzulässige Doppelbesteuerung

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darstellen (BGE 45 I 286). Das Verbot der Doppelbesteuerung könnte auch
verletzt sein, wenn der konkurrierende Kanton, wie im vorliegenden Fall, den
nicht realisierten Wertzuwachs auf beweglichem Vermögen nicht besteuerte. Nach
der Praxis des Bundesgerichtes könne das Einkommen aus beweglichem
Privatvermögen nur durch den Wohnsitzkanton besteuert werden. Dieses Einkommen
bilde einen bundesrechtlichen Begriff. Nach allgemein Schweizerischer
Auffassung werde nicht jeder beim Privatvermögen eintretende Zuwachsgewinn,
sondern nur der realisierte besteuert nur dieser sei Einkommen,
Vermögensertrag im Sinne des Bundesrechts. Er lasse sich nicht durch
Abspaltung früherer, nicht realisierter Wertsteigerungen beschränken, die als
blosse Anwartschaften oder Hoffnungen zu behandeln seien. Der Kapitalgewinn im
Sinne des § 8 Ziff. 7 StG sei in Wirklichkeit realisierter Zuwachsgewinn. Er
ergebe sich aus dem Unterschied zwischen Anschaffungskosten und Aufwendungen
einerseits und dem Veräusserungserlös anderseits, sofern nicht an Stelle der
Anschaffungskosten der Verkehrswert vor 10 Jahren massgebend sei. Er sei nicht
angesammeltes Einkommen, dessen Besteuerung durch die Realisierung ausgelöst
werde, sondern durch die Realisierung erzielt es Einkommen. Deshalb könne er
erst bei der Realisierung besteuert werden. Eine Einkommensbesteuerung, die an
eine nicht realisierte Wertsteigerung anknüpfe, sei daher bundesrechtswidrig.
Wenn ein Steuerpflichtiger, der im Kanton Zürich wohne, einen Kapitalgewinn
auf beweglichem Vermögen erziele, so unterstehe dieser somit ganz der
zürcherischen Steuerhoheit, ohne Rücksicht darauf, ob das Vermögensobjekt
schon vor dem Einzug in den Kanton erworben worden sei und eine Wertsteigerung
erfahren habe. Nach der bundesgerichtlichen Praxis dürfe freilich ein Kanton
einen aus einem andern Kanton kommenden Steuerpflichtigen nicht nach dem
Einkommen veranlagen, das er vorher im andern Kanton erzielt hat BGE 50 I 113;
77 I 30). Nicht realisierte Wertsteigerung)

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eines Vermögensobjektes sei aber kein «erzielt es Einkommen». Wenn sie
trotzdem im beweglichen Privat vermögen als Einkommen besteuert würde - was
allerdings zur Zeit nicht der Fall sei, so müssten auch nicht realisierte
Wertverminderungen im Privat vermögen berücksichtigt werden. Eine solche
Ordnung wäre aber unbefriedigend und hätte schwerwiegende Auswirkungen auf die
Besteuerung der stillen Reserven im Geschäftsvermögen.
B. - Gegen diesen Entscheid hat Dr. Messner die staatsrechtliche Beschwerde
ergriffen mit dem Antrag, er sei aufzuheben und das Einkommen für das
Steuerjahr 1949 gemäss dem im kantonalen Beschwerdeverfahren gestellten Antrag
festzusetzen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass eine verfassungswidrige
Doppelbesteuerung vorliege, und führt zur Begründung aus: Der Kapitalgewinn
bedeute eine Vermehrung des Wert es eines Vermögensgegenstandes. Alle solche
Wertsteigerungen wurden im Kanton Zürich grundsätzlich als Einkommen oder
Ertrag besteuert. Wenn sie in der Buchhaltung eines Geschäftsbetriebes zum
Ausdruck kämen, so erfolge die Besteuerung bei der nächsten Veranlagung, sonst
aber bei der Realisierung des Vermögensobjektes oder der Liquidation des
Geschäftsbetriebes. Steuerobjekt sei also nicht erst durch die Realisierung
erzieltes Einkommen, sondern solches, das sich fortlaufend aus Wertvermehrung
bilde und damit auch erzielt werde. Lediglich die Besteuerung erfolge beim
Privat vermögen erst bei der Realisierung. Damit werde das
Einschätzungsverfahren vereinfacht. Der realisierte Kapitalgewinn sei kein
selbständiger Einkommensbegriff. Er sei nicht aus der wirtschaftlichen
Verwendung eines Vermögensobjektes entstanden, sondern durch äussere Einflusse
und Umstände. Er sei am Ort steuerbar, wo der Eigentümer den zivilrechtlichen
Wohnsitz habe. Da er das Resultat von sich auf viele Jahre verteilenden
Wertsteigerungen darstelle, müsse in allen Fällen, wo der Eigentümer aus einem
Kanton in einen andern gezogen

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sei, festgestellt werden, welchen Anteil jeder Kanton an der Summe der
Wertvermehrungen habe. Im vorliegenden Falle unterliege die Vermehrung des
Wertes der vom Beschwerdeführer im Jahr 1948 veräusserten Aktien bis zum 31.
Dezember 1946 der Steuerhoheit des Kantons Solothurn. Der angefochtene
Entscheid, der alle Wertvermehrungen bei jenen Aktien der Steuerhoheit des
Kantons Zürich unterstelle, bilde daher eine virtuelle Doppelbesteuerung. Was
die Oberrekurskommission dagegen einwende, dass nicht realisierte
Wertsteigerungen im beweglichen Privatvermögen mit der Einkommenssteuer belegt
werden, könne nicht zu einem andern Schlusse führen.
C. - Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat die Abweisung der Beschwerde
beantragt.
D. - Der Regierungsrat des Kantons Solothurn stellt keinen Antrag. Er bemerkt,
eine Besteuerung auf Grund des § 15 des soloth. StG wäre beim Wegzug des
Beschwerdeführers aus dem Kanton Solothurn nicht möglich gewesen, weil durch
diese Bestimmung ähnlich wie im Kanton Zürich nur der realisierte
Kapitalgewinn auf dem Privatvermögen als steuerbar erfasst werde; der Kanton
Solothurn habe daher kein direktes materielles Interesse an der Erledigung der
Streitsache.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Es handelt sich im vorliegenden Fall nach dem kantonalen Recht um die
Besteuerung eines realisierten Kapitalgewinnes auf Wertpapieren, der auf
Wertsteigerungen in den letzten zehn Jahren zurückzuführen ist. Der besteuerte
Kapitalgewinn gilt als realisiert, weil er bei der Veräusserung der
Wertpapiere erzielt worden ist. Er stellt bei einer solchen Veräusserung
grundsätzlich den Betrag dar, im den der Erlös die Stimme der Kosten der
Anschaffung und der Aufwendungen oder die Summe des vor 10 Jahren bestehenden
Verkehrswertes und der Aufwendungen übersteigt. Das wesentliche Steuerobjekt
ist dabei nicht eine Wertsteigerung, sondern der im eingenommenen

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Erlös liegende Gewinn. Dieser beruht allerdings regelmässig auf einer latenten
Wertsteigerung, die unabhängig vom Tun und Lassen des Eigentümers der Titel
eingetreten sein mag; doch ist das für die Steuerauflage unerheblich und wird
dabei nicht berücksichtigt. Übersetzte Gewinne sind auch steuerpflichtig, ja
sogar noch eher als angemessene. Ist somit im vorliegenden Fall Steuerobjekt
der mit dem Verkaufserlös eingegangene Gewinn, so ist klar, dass dieser, da er
nicht in einem Geschäftsbetrieb oder mit einer Liegenschaft erzielt worden
ist, gleich dem Ertrag des beweglichen privaten Vermögens der Steuerhoheit des
Kantons untersteht, wo der Verkäufer zur Zeit der Veräusserung wohnte, also
derjenigen des Kantons Zürich, und zwar vollständig. Unter die Steuerhoheit
des Kantons Solothurn kann der vom Beschwerdeführer erst nach dem Wegzug aus
diesem Kanton erzielte Gewinn nicht fallen, auch nicht teilweise. deshalb
liegt auch eine bloss virtuelle Doppelbesteuerung, die ebenfalls
verfassungswidrig wäre (BGE 74 I:372 und dort zitierte Urteile), nicht vor.
2.- Anders wäre es natürlich, wenn das Steuerobjekt im wesentlichen einfach
die Wertvermehrung bildete, die bei den in Frage stehenden Werttiteln
eingetreten wäre. Eine solche Wertvermehrung wäre dann vor dem 1. Januar 1947
unter der Steuerhoheit des Kantons Solothurn und erst nachher unter derjenigen
des Kantons Zürich gestanden. Allein es handelt sich hier eben nicht um eine
solche reine Wertvermehrungs- oder Wertzuwachssteuer. Entgegen der Ansicht der
Oberrekurskommission könnten zwar die Kantone an und für sich eine solche
Steuer als Einkommenssteuer einführen, ohne damit gegen Bundesrecht zu
verstossen; denn es ist nicht etwa unmöglich, die erwähnte reine
Wertvermehrung steuerrechtlich wie Einkommen zu behandeln (vgl. BGE 74 I 392
ff.), und es ist grundsätzlich Sache der Kantone und nicht des Bundes, zu
bestimmen, was die Kantone mit der Einkommenssteuer belegen dürfen. Der Kanton
Basel-Stadt hat ja

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auch in seinem Steuergesetz vom 6. April 1922, in § 17, mit der
Einkommenssteuer belegt den «Kapitalgewinn und Kapitalzuwachs auf
Vermögensobjekten, insbesondere auf Grundstücken und Wertpapieren, sei er
durch Verkauf oder Höherwertung erzielt. Bei der Gesetzesrevision vom 25.
Oktober 1934 ist dann allerdings diese Mehrwertbesteuerung auf den Fall
beschränkt worden, dass der «Mehrwert durch Realisierung oder durch die
Steuererklärung selbst oder bei einem Todesfalle in Erscheinung tritt», und
das neue Steuergesetz vom 22. Dezember 1949, das die Kapitalgewinn- von der
Einkommenssteuer trennt, belegt den «Mehrwert von Vermögensstücken nur noch
soweit mit jener Steuer, als er «durch Veräusserung oder Nachlassinventur in
Erscheinung tritt«. Der Kanton Solothurn könnte also einfach den Mehrwert von
Wertschriften des Privatvermögens - durch eine Revision seiner
Steuergesetzgebung - mit der Einkommenssteuer belegen, wie es Basel-Stadt
seinerzeit getan hat, und es könnte sich dann in einem Fall wie dem
vorliegenden die Frage erheben, ob nichtsdestoweniger der Kanton des neuen
Wohnsitzes den ganzen sich bei der Veräusserung ergebenden Kapitalgewinn mit
der Einkommenssteuer belegen dürfe. Allein es ist zur Zeit nicht
wahrscheinlich, dass sich diese Frage für das Bundesgericht in absehbarer Zeit
stellen wird. Zurzeit besteht weder im Bundesrecht, noch, wie es scheint, in
einem kantonalen Recht (vgl. Wyss, Einkommensbegriff, Berner Diss. 1937 S.
1939/40; BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2. Aufl. S. 117 oben) eine
Ordnung, die die blosse Wertvermehrung bei Werttiteln im Privatvermögen wie
Einkommen besteuern würde. Das Bundesgericht hat daher zur Zeit keinen
genügenden Grund, zu bestimmen, ob und inwieweit im interkantonalen Verhältnis
eine solche Steuer und die Kapitalgewinnsteuer, wie sie zurzeit geordnet ist,
neben einander bestehen könnten, und dafür allenfalls neue Kollisionsnormen
aufzustellen. Zudem könnte das ja auch nur im Hinblick auf die konkrete
Ordnung einer blossen Wertzuwachssteuer auf Werttiteln des Privatvermögens

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geschehen (vgl. BIETENHOLZ, Zur Frage der Auslösung einer Steuerpflicht durch
Wegzug, Archiv für Schweiz. Abgaberecht 14 S. 277). Demgemäss müssen zurzeit
die bisherigen Regeln gelten für die Abgrenzung der Hoheit der Kantone in
Bezug auf die Einkommenssteuer vom Kapitalgewinn, der bei der Veräusserung von
Wertschriften des Privatvermögens erzielt worden ist. Danach kann aber im
vorliegenden Fall von einer verfassungswidrigen virtuellen Doppelbesteuerung,
einem Übergriff in die Steuerhoheit des Kantons Solothurn keine Rede Sein, wie
bereits ausgeführt worden ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 78 I 417
Date : 01. Januar 1952
Published : 05. November 1952
Source : Bundesgericht
Status : 78 I 417
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : Doppelbesteuerung.Besteuerung des auf Wertpapieren des Privatvermögens realisierten Kapitalgewinns...


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