S. 86 / Nr. 19 Strafgesetzbuch (d)

BGE 77 IV 86

19. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Juli 1951 i. S. Pauli
gegen Julen.

Regeste:
Art. 149
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB, bosshafte Vermögenschädigung, «Handeln aus Bosheit».
Art. 149 CP. Notion de la méchanceté.
Art. 149 CP. Nozone del malanimo.

A. - Annemarie Julen lernte anlässlich der Kirchweihe in Wettingen Ende
September. 1949 Erwin Pauli kennen.
Zu Weihnachten 1949 verlobten sich die beiden, und die Heirat wurde auf 10.
April 1950 (Ostermontag) angesetzt. Die Braut schaffte sich ein Hochzeitskleid
an, das sie Fr. 128. kostete. Ungefähr ein Monat bevor die Hochzeit
stattfinden sollte, wollte Pauli von ihr nichts mehr wissen, und er besuchte
sie nicht mehr. Annemarie Julen erkundigte sich nun über ihn und erfuhr, dass
er entgegen seinen früheren Angaben noch nicht geschieden war.
B. - Am 5. Oktober 1950 verurteilte das Bezirksgericht Baden Pauli unter
anderem wegen boshafter Vermögensschädigung zu vierzehn Tagen Gefängnis und
gegenüber der Privatklägerin Annemarie Julen zu Fr. 128. Schadensersatz.
Auf Beschwerde des Verurteilten bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau
am 20. April 1951 den erwähnten Schuldspruch. Zur Begründung führte es aus,
der Beklagte habe aus Bosheit getäuscht und geschädigt. Trotzdem

Seite: 87
er sich genau bewusst habe sein müssen, dass eine Trauung bis auf weiteres gar
nicht in Frage kommen konnte, habe er zugelassen, dass Annemarie Julen in
guten Treuen und allen Ernstes die für die Hochzeit üblichen Vorbereitungen
traf. Diese vom Beklagten an den Tag gelegte gemeine Gesinnung lasse sein
Verhalten als boshaft im Sinne des Art. 149
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB erscheinen.
C. - Paul i führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde
nach Art. 268 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
. BStP mit den Anträgen, es sei aufzuheben und er sei von
Schuld und Strafe freizusprechen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Der boshaften Vermögensschädigung nach Art. 149 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB macht sich
schuldig,«wer jemanden aus Bosheit durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von
Tatsachen arglistig irreführt oder den Irrtum eines andern arglistig benutzt
und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst
oder einen andern am Vermögen schädigt».
Die Staatsanwaltschaft meint, das Merkmal der Bosheit sei in den Tatbestand
dieser Übertretung bloss deshalb aufgenommen worden, um zu verdeutlichen, dass
die fahr lässig begangene Tat straflos sei. Dem ist nicht so. Dass nur die
vorsätzliche Tat unter Strafe steht, ergibt sich deutlich aus Art. 102
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 102 - 1 Wird in einem Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks ein Verbrechen oder Vergehen begangen und kann diese Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden, so wird das Verbrechen oder Vergehen dem Unternehmen zugerechnet. In diesem Fall wird das Unternehmen mit Busse bis zu 5 Millionen Franken bestraft.
1    Wird in einem Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks ein Verbrechen oder Vergehen begangen und kann diese Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden, so wird das Verbrechen oder Vergehen dem Unternehmen zugerechnet. In diesem Fall wird das Unternehmen mit Busse bis zu 5 Millionen Franken bestraft.
2    Handelt es sich dabei um eine Straftat nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 305bis, 322ter, 322quinquies, 322septies Absatz 1 oder 322octies, so wird das Unternehmen unabhängig von der Strafbarkeit natürlicher Personen bestraft, wenn dem Unternehmen vorzuwerfen ist, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um eine solche Straftat zu verhindern.142
3    Das Gericht bemisst die Busse insbesondere nach der Schwere der Tat und der Schwere des Organisationsmangels und des angerichteten Schadens sowie nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens.
4    Als Unternehmen im Sinne dieses Titels gelten:
a  juristische Personen des Privatrechts;
b  juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Ausnahme der Gebietskörperschaften;
c  Gesellschaften;
d  Einzelfirmen143.
in
Verbindung mit Art. 18 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
1    Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
2    War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft.
StGB. Nicht jeder, der jemanden vorsätzlich, d.
h. bewusst und gewollt, am Vermögen schädigt, tut es «aus Bosheit». Dieses
Merkmal ist auch nicht identisch mit Arglist. Der Täter kann jemanden
arglistig irreführen und dadurch schädigen, ohne dass er aus Bosheit handelt,
z.B. wenn er jemanden durch arglistige Täuschung veranlasst ein
Anstellungsverhältnis zu kündigen, damit er selber den freigewordenen
Arbeitsplatz einnehmen kann. Auch die gemeine Gesinnung, die in solchen und
ähnlichen Fällen regelmässig vorliegen wird, ist nicht das gleiche wie das
Handeln aus Bosheit. Wo das Strafgesetzbuch auf die

Seite: 88
gemeine Gesinnung abstellt, spricht es nicht von Bosheit (vgl. Art. 145 Abs.
2). Letztere weist auf den Beweggrund der Schädigung hin. Bosheit liegt vor,
wenn der Täter die Tat begeht, weil ihm der Schaden oder die
Unannehmlichkeiten, die er dem andern damit zufügt, Freude bereiten. Dieses
Merkmal erfüllt z.B., wer einen Arzt, um ihm einen Streich zu spielen, des
Nachts mit der Behauptung, es gelte ein Menschenleben zu retten, zu einer
Person schickt, die ihn nicht verlangt hat und seiner nicht bedarf, oder wer
einen Gastwirt. um ihn zu schädigen oder zu ärgern, unter falschem Namen
beauftragt. auf einen bestimmten Zeitpunkt ein Festmahl zuzubereiten (ZÜRCHER,
Erläuterungen zum VE 452).
Geht man von diesem Begriffe der Bosheit aus, so hat der Beschwerdeführer, wie
er mit Recht geltendmacht, den Tatbestand des Art. 149
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB nicht erfüllt. Die
Vorinstanz wirft ihm lediglich vor, er habe es zugelassen, dass Annemarie
Julen in guten Treuen und allen Ernstes die für die Hochzeit üblichen
Veranstaltungen traf, obschon er sich habe bewusst sein müssen, dass eine
Trauung bis auf weiteres nicht in Frage kommen konnte. Dass er aus Freude am
Nachteil, der ihr ans der Anschaffung des Hochzeitskleides entstand, ihren
Irrtum hervorgerufen oder nicht beseitigt habe, ist nicht festgestellt und
kann offensichtlich nicht angenommen werden. Der Beschwerdeführer ist daher
von der Anschuldigung der boshaften Vermögensschädigung freizusprechen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 77 IV 86
Datum : 01. Januar 1951
Publiziert : 15. Juli 1951
Quelle : Bundesgericht
Status : 77 IV 86
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 149 StGB, bosshafte Vermögenschädigung, «Handeln aus Bosheit».Art. 149 CP. Notion de la...


Gesetzesregister
BStP: 268
StGB: 18 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
1    Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
2    War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft.
102 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 102 - 1 Wird in einem Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks ein Verbrechen oder Vergehen begangen und kann diese Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden, so wird das Verbrechen oder Vergehen dem Unternehmen zugerechnet. In diesem Fall wird das Unternehmen mit Busse bis zu 5 Millionen Franken bestraft.
1    Wird in einem Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks ein Verbrechen oder Vergehen begangen und kann diese Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden, so wird das Verbrechen oder Vergehen dem Unternehmen zugerechnet. In diesem Fall wird das Unternehmen mit Busse bis zu 5 Millionen Franken bestraft.
2    Handelt es sich dabei um eine Straftat nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 305bis, 322ter, 322quinquies, 322septies Absatz 1 oder 322octies, so wird das Unternehmen unabhängig von der Strafbarkeit natürlicher Personen bestraft, wenn dem Unternehmen vorzuwerfen ist, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um eine solche Straftat zu verhindern.142
3    Das Gericht bemisst die Busse insbesondere nach der Schwere der Tat und der Schwere des Organisationsmangels und des angerichteten Schadens sowie nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens.
4    Als Unternehmen im Sinne dieses Titels gelten:
a  juristische Personen des Privatrechts;
b  juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Ausnahme der Gebietskörperschaften;
c  Gesellschaften;
d  Einzelfirmen143.
149
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
BGE Register
77-IV-86
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bosheit • trauung • gemeine gesinnung • strafgesetzbuch • schaden • verhalten • verurteilter • irrtum • tag • frage • kassationshof • beklagter • verlobung • sachverhalt • begründung des entscheids • angabe • vorinstanz • arzt • aargau • wissen
... Alle anzeigen