S. 168 / Nr. 37 Strafgesetzbuch (d)

BGE 77 IV 168

37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. Oktober 1951 i. S.
Bachmann gegen Martin.

Regeste:
Art. 177 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.230
1    Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.230
2    Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien.
3    Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien.
StGB. Wer ein an Tatsachenbehauptungen geknüpftes
beschimpfendes Werturteil fällt, ist nicht nur zum Wahrheitsbeweis, sondern
auch zum Beweise zuzulassen, dass er ernsthafte Gründe hatte, seine Äusserung
in guten Treuen für sachlich vertretbar zu halten.
Art. 177 al. 1 CP. Celui qui, en alléguant des faits, exprime un jugement de
valeur injurieux, est admis à prouver non seulement que son allégation est
conforme à la vérité, mais encore qu'il avait des raisons sérieuses de la
tenir de bonne foi pour vraie.
Art. 177 cp. 1 CP. Colui che, allegando dei fatti, esprime un giudizio di
valore ingiurioso, è ammesso a fornire non solo la prova della verità, ma
anche la prova che aveva serie ragioni per ritenere in buona fede che la cosa
detta fosse vera.

Die seit 5. Januar 1951 in Kraft stehende revidierte Fassung des Art. 173
Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB lässt bei übler Nachrede nicht mehr bloss den Wahrheitsbeweis zu,
sondern auch den Beweis, dass der Beschuldigte ernsthafte Gründe hatte, seine

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Äusserung in guten Treuen für wahr zu halten. Daher kann auch das an bestimmte
Tatsachenbehauptungen geknüpfte beschimpfende Werturteil nicht strafbar sein,
wenn der Täter ernsthafte Gründe hatte, seine Äusserung in guten Treuen für
«wahr», d.h. sachlich vertretbar, zu halten (Urteil des Kassationshofes vom
22. Juni 1951 i. S. Thenen). Das Obergericht wird sich daher nicht nur dazu
auszusprechen haben, ob das beschimpfende Werturteil «Hochstapler» sich
objektiv im Rahmen des sachlich Vertretbaren hielt, sondern, falls sie das
verneint, auch dazu, ob die Beschwerdeführerin persönlich es als in guten
Treuen für sachlich vertretbar halten konnte. Wenn die eine oder die andere
Frage bejaht wird, hat sie sich nicht strafbar gemacht. Andernfalls ist sie
wegen Beschimpfung zu bestrafen. Denn in diesem Falle kann sie sich nicht auf
die Wahrung berechtigter Interessen berufen; das Interesse, den
Beschwerdegegner von ihrer Tochter abzuhalten, gab ihr nicht das Recht, ein
beschimpfendes Werturteil auszusprechen, das sie nicht in guten Treuen für
sachlich vertretbar halten konnte.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 77 IV 168
Datum : 01. Januar 1951
Publiziert : 12. Oktober 1951
Quelle : Bundesgericht
Status : 77 IV 168
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 177 Abs. 1 StGB. Wer ein an Tatsachenbehauptungen geknüpftes beschimpfendes Werturteil fällt...


Gesetzesregister
StGB: 173 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
177
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 177 - 1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.230
1    Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.230
2    Hat der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben, so kann das Gericht den Täter von Strafe befreien.
3    Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, so kann das Gericht einen oder beide Täter von Strafe befreien.
BGE Register
77-IV-168
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