S. 143 / Nr. 31 Strafgesetzbuch (d)

BGE 77 IV 143

31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Juni 1951 i. S. Gloor c.
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.

Regeste:
Art. 41 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB. Zulässigkeit der unbedingten Amtsentsetzung trotz
bedingten Aufschubes der Gefängnisstrafe.
Art. 41 ch. 5 CP. Le juge peut refuser le sursis pour la destitution, bien
qu'il l'accorde pour la peine principale.
Art. 41 cifra 5 CP. Il giudice può rifiutare la sospensione condizionale per
la destituzione anche se l'accorda invece per la pena principale.

A. - Das Kriminalgericht des Kantons Aargau verurteilte Jakob Gloor am 6.
September 1950 wegen Amtsmissbrauches und Anstiftung zu Bevorzugung eines
Gläubigers zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von acht Monaten,
entsetzte ihn seines Amtes als Betreibungsbeamter und erklärte ihn für fünf
Jahre zu einem Amte nicht wählbar.
Auf Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten hin hob der Kassationshof des
Bundesgerichtes am 22. Dezember 1950 dieses Urteil auf und wies die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Die
Erwägungen gingen dahin, dass Gloor von der Anklage des Amtsmissbrauches
freizusprechen und - unter Vorbehalt einer allfälligen Verfolgung wegen
Betruges statt wegen Amtsmissbrauches - allein wegen Anstiftung zu Bevorzugung
eines Gläubigers zu bestrafen sei.

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Hinsichtlich der Amtsentsetzung erklärte der Kassationshof, dass die
Voraussetzungen zur Anwendung des Art. 51
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 51 - Das Gericht rechnet die Untersuchungshaft, die der Täter während dieses oder eines anderen Verfahrens ausgestanden hat, auf die Strafe an. Ein Tag Haft entspricht einem Tagessatz Geldstrafe.41
StGB auch ohne Bestrafung des
Angeklagten wegen Amtsmissbrauches erfüllt seien.
B. - Entsprechend dieser Weisung sprach das Kriminalgericht am 23. Februar
1951 Gloor von der Anklage des Amtsmissbrauches frei, verurteilte ihn wegen
Bevorzugung eines Gläubigers zu 4 Monaten Gefängnis (abzüglich sechs Tage
Untersuchungshaft), entsetzte ihn seines Amtas als Betreibungsbeamter und
erklärte ihn auf fünf Jahre zu einem öffentlichen Amte nicht wählbar. Für die
Gefängnisstrafe, nicht aber auch für die Amtsentsetzung, wurde Gloor der
bedingte Strafvollzug gewährt.
C. - Gloor führt wiederum Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, es sei ihm
auch für die Amtsentsetzung der bedingte Strafvollzug zu gewähren.
D. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei
abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Das StGB reiht die Amtsentsetzung unter die «Nebenstrafen» ein (vgl.
Randtitel zu Art. 51 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 51 - Das Gericht rechnet die Untersuchungshaft, die der Täter während dieses oder eines anderen Verfahrens ausgestanden hat, auf die Strafe an. Ein Tag Haft entspricht einem Tagessatz Geldstrafe.41
.). Ihr Vollzug kann daher gemäss Art. 41 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).

(rev.) StGB unter den in dieser Bestimmung umschriebenen Voraussetzungen
bedingt aufgeschoben werden.
2.- Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz die Amtsentsetzung deshalb
unbedingt ausgesprochen, weil Vorleben und Charakter des Verurteilten nicht
erwarten liessen, dass er durch den bedingten Aufschub dieser Nebenstrafe von
weiteren deliktischen Amtspflichtverletzungen abgehalten werde. Ob diese
Erwartung am Platze sei oder nicht, entscheidet der Sachrichter nach freiem
Ermessen (BGE 74 IV 158 Erw. 3). Das Kriminalgericht hat es nicht
überschritten. Auch wenn der Beschwerdeführer sein Amt bis dahin klaglos
geführt haben sollte, beweist doch die begangene Verfehlung eine derartige
Schwäche gegenüber

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Versuchungen, bei denen die Amtspflicht mit dem persönlichen Interesse
kollidiert, dass ernstlicher Grund zu einer ungünstigen Prognose besteht, da
solche Versuchungen und «Konfliktsituationen» an einer Betreibungsbeamten
immer wieder herantreten können.
3.- Der Beschwerdeführer scheint allerdings geltend machen zu wollen, dass der
Aufschub der Gefängnisstrafe notwendigerweise auch deijenigen der Nebenstrafe
nach sich ziehen müsse. Dieser Annahme steht Art. 41 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
(rev.) StGB
entgegen, wonach beim Zusammentreffen mehrerer Strafen der Richter den
bedingten Vollzug auf einzelne derselben beschränken kann. Bei den Vorarbeiten
zur StGB-Novelle ist eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, dass durch diese
Bestimmung dem Richter die Freiheit gelassen werden soll, trotz des bedingten
Vollzuges der Hauptstrafe die Nebenstrafe unbedingt auszusprechen, also den
bedingten Strafvollzug «beispielsweise nur für Gefängnis, nicht aber für die
Nebenstrafe,» zu gewähren (StenBull: StR 1949 S. 578, NR 1950 S. 185). Diese
Regelung trägt dem Umstande Rechnung, dass sich die Prognose auf dem Gebiete,
in das die Nebenstrafe eingreift, nicht unbedingt mit derjenigen für die
übrige Lebensführung zu decken braucht. So ist durchaus möglich, dass mit
Bezug auf die weitere Ausübung des Amtes (Art. 51), der elterlichen oder
vormundschaftlichen Gewalt (Art. 53) oder des bisherigen,
bewilligungspflichtigen Berufes (Art. 54) oder bezüglich des weiteren
Alkoholmissbrauches (Art. 56) Befürchtungen am Platze sind, während im
sonstigen Verhalten, wo die besonderen Versuchungen nicht bestehen, eine
Bewährung erwartet werden kann. Zu diesem Schlusse ist die Vorinstanz beim
Beschwerdeführer gekommen, indem sie die Besserungsaussichten einerseits
innerhalb, anderseits ausserhalb des Amtes sorgfältig abgewogen hat. Da sie -
wie oben unter Ziff. 2 ausgeführt - mit der ungünstigen Prognose bezüglich der
weiteren Ausübung des Amtes das ihr zustehende Ermessen nicht überschritten
hat, kann deshalb keine Rede davon

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sein, dass dem Beschwerdeführer mit dem Aufschub der Hauptstrafe auch
derjenige der Nebenstrafe gewährt werden müsse.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 77 IV 143
Datum : 01. Januar 1951
Publiziert : 01. Juni 1951
Quelle : Bundesgericht
Status : 77 IV 143
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 41 Ziff. 5 StGB. Zulässigkeit der unbedingten Amtsentsetzung trotz bedingten Aufschubes der...


Gesetzesregister
StGB: 41 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
51
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 51 - Das Gericht rechnet die Untersuchungshaft, die der Täter während dieses oder eines anderen Verfahrens ausgestanden hat, auf die Strafe an. Ein Tag Haft entspricht einem Tagessatz Geldstrafe.41
BGE Register
74-IV-154 • 77-IV-143
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