S. 145 / Nr. 37 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 77 III 145

37. Entscheid vom 18. Dezember 1951 i. S. Giudicetti.


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Regeste:
Betreibung gegen Verhaftete. Verhafteten hat das Betreibungsamt bei jeder
einzelnen Betreibung vor Erlass des Zahlungsbefehle Frist zur Bestellung eines
Vertreters anzusetzen, sofern sie keinen solchen haben und nicht der
Vormundschaftsbehörde die Ernennung obliegt (Art. 60
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 60 - Wird ein Verhafteter betrieben, welcher keinen Vertreter hat, so setzt ihm der Betreibungsbeamte eine Frist zur Bestellung eines solchen.116 Während dieser Frist besteht für den Verhafteten Rechtsstillstand.
SchKG). Missachtung
dieser Vorschrift bedeutet Rechtsverweigerung (Art. 17 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
SchKG). Indem
der Schuldner Rechtsvorschlag zu erheben sucht, verzichtet er nicht auf die
Geltendmachung dieses Verfahrensmangels.
Poursuite contre des détenus. Avant de notifier un commandement de payer à un
détenu, l'office doit, dans chaque poursuite, lui accorder un délai pour
constituer un représentant, à moins qu'il n'en ait déjà un ou que la
désignation n'incombe à l'autorité tutélaire (art. 60 LP). S'il viole cette
règle, il commet un déni de justice (art. 17 al. 3). Le débiteur qui tente de
faire opposition ne renonce pas à se prévaloir de l'irrégularité.
Esecuzione contro dei detenuti. Prima di notificare un precetto esecutivo ad
un detenuto, l'ufficio deve, in ogni esecuzione, assegnargli un termine per
designare un rappresentante, a meno che non ne abbia già uno o che la nomina
del medesimo non spetti all'autorità tutelare (art. 60 LEF). La violazione di
questa norma costituisce un diniego di giustizia (art. 17 cp. 3 LEF). Il
debitore che tenta di fare opposizione non rinuncia a far valere
quest'irregolarità.

In der Betreibung, die der Rekurrent beim Betreibungsamt Lenzburg gegen den
damals in der Strafanstalt Lenzburg internierten B. eingeleitet hatte, übergab
der Schuldner die Erklärung des Rechtsvorschlages weniger als 10 Tage nach
Zustellung des Zahlungsbefehls dem Oberaufseher

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der Anstalt zur Weiterleitung an das Betreibungsamt. Da der Oberaufseher die
Erklärung aus Versehen zunächst anderswohin schickte, ging sie dem
Betreibungsamt erst einige Tage nach Ablauf der Frist von Art. 74 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 74 - 1 Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
1    Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
2    Bestreitet der Betriebene die Forderung nur teilweise, so hat er den bestrittenen Betrag genau anzugeben; unterlässt er dies, so gilt die ganze Forderung als bestritten.141
3    Die Erklärung des Rechtsvorschlags ist dem Betriebenen auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.
SchKG
zu. Im Hinblick darauf, dass der Schuldner die an das Betreibungsamt
adressierte Erklärung, er erhebe Rechtsvorschlag, innert dieser Frist der
Anstaltsleitung übergeben hatte, erklärte das Betreibungsamt den
Rechtsvorschlag mit Verfügung vom 16. Oktober 1951 für rechtzeitig. Die
Beschwerde des Rekurrenten gegen diese Verfügung ist von der untern und mit
Entscheid vom 30. November 1951 auch von der obern kantonales Aufsichtsbehörde
abgewiesen worden, weil der Schuldner fristgemäss Recht vorgeschlagen und den
verspäteten Eingang beim Betreibungsamt nicht zu verantworten habe.
Diesen Entscheid hat der Rekurrent an das Bundesgericht weitergezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Wird ein Verhafteter betrieben, der keinen Vertreter hat, so setzt ihm
nach Art. 60
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 60 - Wird ein Verhafteter betrieben, welcher keinen Vertreter hat, so setzt ihm der Betreibungsbeamte eine Frist zur Bestellung eines solchen.116 Während dieser Frist besteht für den Verhafteten Rechtsstillstand.
SchKG der Betreibungsbeamte eine Frist zur Bestellung eines
solchen, sofern nicht von Gesetzes wegen der Vormundschaftsbehörde die
Ernennung obliegt. Da B. keinen Vertreter hatte und auch keine Anhaltspunkte
dafür bestehen, dass ihm ein solcher von der Vormundschaftsbehörde hätte
ernannt werden sollen, hätte es dem Betreibungsamte Lenzburg obgelegen, ihm
vor der Zustellung des Zahlungsbefehls eine Frist im Sinne dieser Bestimmung
anzusetzen. Das ist nach dem Berichte des Amtes an das Bundesgericht nicht
geschehen. Darin liegt eine Rechtsverweigerung, die der Schuldner gemäss Art.
17 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
SchKG - unter Vorbehalt ausdrücklichen oder konkludenten Verzichts
auf diese Einrede -jederzeit rügen konnte. Darin, dass der Schuldner sich
bemühte, Rechtsvorschlag zu erheben, ist ein solcher Verzicht nicht zu
erblicken. Aus der nach Ablauf der Frist eingegangenen Erklärung konnte das
Amt im Gegenteil schliessen,

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dass der Schuldner den Zahlungsbefehl (wenn auch aus anderm Grunde) nicht
gelten lassen wollte. Es wäre also am Platze gewesen, wenn das Amt den unter
Missachtung von Art. 60
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 60 - Wird ein Verhafteter betrieben, welcher keinen Vertreter hat, so setzt ihm der Betreibungsbeamte eine Frist zur Bestellung eines solchen.116 Während dieser Frist besteht für den Verhafteten Rechtsstillstand.
SchKG zugestellten Zahlungsbefehl, dessen Zustellung
im Hinblick auf das dem Schuldner immer noch zustehende Beschwerderecht noch
nicht rechtskräftig geworden war, zurückgenommen hätte. Wenn es statt dessen
erklärt hat, die Betreibung sei durch rechtzeitigen Rechtsvorschlag gehemmt,
so ist es dem Schuldner weniger weit entgegengekommen, als richtig gewesen
wäre. Darum hatte der Rekurrent keinen Grund, sich über die Verfügung vom 16.
Oktober 1951 zu beschweren. Gestützt auf diese Erwägung ist der angefochtene
Entscheid im Ergebnis zu bestätigen, ohne dass zu prüfen wäre, ob der
Rechtsvorschlag binnen 10 Tage seit Zustellung des Zahlungsbefehls erfolgt sei
(was kaum bejaht werden könnte).
2.- Das Betreibungsamt hat in seiner Vernehmlassung erklärt, es pflege bei
Betreibungen gegen Strafgefangene zunächst die Strafanstalt telephonisch
anzufragen, ob der Schuldner einen Vormund habe, und bei verneinender Antwort
den Zahlungsbefehl ohne weiteres durch Vermittlung des Oberaufsehers dem
Strafgefangenen zuzustellen, da die Erfahrung gezeigt habe, dass von der
Möglichkeit, einen Vertreter zu bestellen, höchstens Frauen Gebrauch machen.
Dies erlaubt jedoch dem Amte nicht, sich über Art. 60
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 60 - Wird ein Verhafteter betrieben, welcher keinen Vertreter hat, so setzt ihm der Betreibungsbeamte eine Frist zur Bestellung eines solchen.116 Während dieser Frist besteht für den Verhafteten Rechtsstillstand.
SchKG hinwegzusetzen.
Diese Vorschrift gilt ohne Ausnahme und ist im Falle, dass ein Gefangener
mehrmals nacheinander betrieben wird, bei jeder Betreibung neu zu befolgen, da
der Schuldner ein berechtigtes Interesse daran hat, von allen gegen ihn
hängigen Betreibungen Kenntnis zu erhalten und bei jeder Betreibung
Gelegenheit zu haben, einen für den gerade in Frage stehenden Fall geeigneten
Vertreter zu bestellen.
3.- (Betreibungsort).
Demnach erkennt die Schuldbetr. - u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 77 III 145
Datum : 01. Januar 1951
Publiziert : 18. Dezember 1951
Quelle : Bundesgericht
Status : 77 III 145
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Betreibung gegen Verhaftete. Verhafteten hat das Betreibungsamt bei jeder einzelnen Betreibung vor...


Gesetzesregister
SchKG: 17 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
60 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 60 - Wird ein Verhafteter betrieben, welcher keinen Vertreter hat, so setzt ihm der Betreibungsbeamte eine Frist zur Bestellung eines solchen.116 Während dieser Frist besteht für den Verhafteten Rechtsstillstand.
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SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 74 - 1 Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
1    Will der Betriebene Rechtsvorschlag erheben, so hat er dies sofort dem Überbringer des Zahlungsbefehls oder innert zehn Tagen nach der Zustellung dem Betreibungsamt mündlich oder schriftlich zu erklären.140
2    Bestreitet der Betriebene die Forderung nur teilweise, so hat er den bestrittenen Betrag genau anzugeben; unterlässt er dies, so gilt die ganze Forderung als bestritten.141
3    Die Erklärung des Rechtsvorschlags ist dem Betriebenen auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen.
BGE Register
77-III-145
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
schuldner • betreibungsamt • zahlungsbefehl • rechtsvorschlag • frist • besteller • tag • strafanstalt • gefangener • bundesgericht • entscheid • verfahrensmangel • beschwerdeantwort • betreibungsbeamter • vormund • anstaltsleitung • weiler • schuldbetreibungs- und konkursrecht • termin • sucht
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