BGE 77 II 367
68. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. November 1951 i. Schweizerische
Bankgesellschaft gegen Schein und Schwartz.
Regeste:
Art. 402
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 402 - 1 Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien. |
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1 | Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien. |
2 | Er haftet dem Beauftragten für den aus dem Auftrage erwachsenen Schaden, soweit er nicht zu beweisen vermag, dass der Schaden ohne sein Verschulden entstanden ist. |
Schadenshaftung im, zufolge ausserordentlicher Verhältnisse, formlosen
Geschäftsverkehr zwischen einer schweizerischen Bank und dein ausländischen
Inhaber eines Nummernkontos:
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Sorgfaltspflichten der Bank bei Entgegennahme und Vollzug von telefonischen
Aufträgen.
Art. 402 CO.
Responsabilité d'une banque suisse envers le titulaire étranger d'un compte
chiffré, avec lequel elle correspond sans formalités en raison de
circonstances extraordinaires: devoirs de diligente de la banque lorsqu'elle
reçoit et exécute des ordres téléphoniques.
Art. 402 CO.
Responsabilità d'una banca svizzera verso il titolare estero d'un conto
cifrato, col quale essa corrisponde senza formalità a motivo di circostanze
straordinarie: dovere di diligenza della banca, quando riceve ordini
telefonici.
Bis im Jahre 1948 lebte der Kläger Moritz Schein in Bukarest. Er unterhielt
seit langer Zeit bei der beklagten Schweizerischen Bankgesellschaft ein
Schweizerfranken -Konto mit Nummernbezeichnung. Auf dieses Konto wurde am 28.
August 1941 durch die Eidgenössische Bank A.-G. in Genf ein Betrag von Fr.
40000.- vergütet. Schon am 9. September 1941 überwies die Bankgesellschaft in
Erledigung eines telefonischen Auftrages die Fr. 40000.- aus dem Konto Scheins
auf das Nummernkonto des ebenfalls in Bukarest wohnhaften Sigmund Schwartz.
Wieder Gutschrift noch Belastung wurden schriftlich angezeigt, da unter den
Parteien vereinbart war, dass sämtliche das Konto betreffenden Korrespondenzen
«bankagernd» zu halten seien. Erst im Jahre 1948 erhielt Schein Einsicht in
sein Dossier. Er bestritt die Auszahlung der Fr. 40000.- angeordnet zu haben,
und belangte die Schweizerische Bankgesellschaft auf Ersatz. Die Klage wurde
durch das Bezirksgericht Zürich abgewiesen, durch das Obergericht des Kantons
Zürich mit Urteil vom 27. Februar 1951 geschützt.
Die gegen das obergerichtliche Urteil eingelegte Berufung weist das
Bundesgericht ab aus folgenden
Erwägungen
1.- Der Berufungsbegründung ist nicht mit Sicherheit zu entnehmen, ob die
Beklagte daran festhalten will, dass der Auftrag zur Übertragung der Fr.
40000.- aus
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seinem eigenen Nummernkonto auf dasjenige des Schwartz vom Kläger ausgegangen
sei. Sie erwähnt einleitend die Strenge der Beweisanforderungen sowie die
Nichtberücksichtigung des auf beklagter Seite vorhandenen Beweisnotstandes
durch die Vorinstanz, und folgert am Schlusse: Entweder ist ein Schaden gar
nicht eingetreten... oder aber der Kläger hat diesen Schaden selber verursacht
und verschuldet... a Die erste Alternative scheint nur verständlich von der
Annahme her, dass der Kläger den Auftrag gab. Sollte wirklich diese Behauptung
wiederholt sein, so müsste sie scheitern an der massgeblichen Feststellung der
Vorinstanz, dass ein Nachweis dafür mangelt. Auch von einer Überspannung der
Beweisanforderungen kann ernsthaft nicht gesprochen werden. Es gebricht an
jeglichem Anhalt für einen Auftrag des Klägers. Und gegen die Verweigerung
einer Abhörung des Schwartz darf sich die Beklagte schon deswegen nicht
beschweren, weil sie ihm den Streit verkündet hat und gemäss dem Entscheid des
Kassationsgerichtes die zürcherische Prozessordnung die Vernehmung des
Litisdenunziaten als Zeugen nicht zulässt.
2.- Das Hauptgewicht der Berufung ruht auf der Einrede, dass der Kläger die
Ausführung der von einem Unbekannten erteilten Weisung zur Übertragung und
einen ihm daraus erwachsenen Schaden selber verschuldet habe.
Mit formlosem Verkehr als einer Folge des Kriegsgeschehens sucht die Beklagte
zu erklären, dass auch bloss telefonische Dispositionen des Kontoinhabers
vollzogen wurden, was laut Expertise im Hinblick auf die damaligen
Verhältnisse den Gepflogenheiten sorgfältiger Banken nicht widersprochen und
dem Interesse des Kontoinhabers gedient habe. Richtig ist, dass der Experte
derartige Übung bestätigt. Aber er hebt deutlich hervor, dass lediglich die
Nennung der Kontonummer keinen Ausweis bildete, sondern dass irgendwelche
Erkennungszeichen, welche Zweifel an der Identität des telefonierenden
Auftraggebers
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ausschlossen, hinzutreten mussten. Denn es komme öfters vor, dass der
Kontoinhaber seine Kontonummer Dritten für von diesen vorzunehmende
Überweisungen bekannt gebe, so dass bei Verfügungen die Nummernbezeichnung
allein keine genügende Sicherheit für die Identität des Berechtigten biete.
Desgleichen sagt der Zeuge Zuberbühler aus, dass bei der beklagten Bank mit
den Inhabern von Nummernkonti Erkennungszahlen vereinbart waren, und dass,
wenn sie nicht bestanden, der Auftraggeber sich durch Bezugnahme auf einen
vorangehenden Brief habe legitimieren müssen, während die gewöhnliche Referenz
auf eine Einzahlung unzulänglich gewesen sei. Gerade die Einhaltung dieser
Vorsichtsmassnahmen ist nun aber hier nach den Darlegungen der Vorinstanz
nicht bewiesen. Um den formlosen Verkehr mit dem Kunden überhaupt als
Entlastungsgrund geltend machen zu können, müsste von der Bank dargetan sein,
dass trotz Anwendung der für diesen Verkehr gebotenen Sorgfalt die
Legitimation verkannt werden konnte. Nur soweit unter Beachtung aller Vorsicht
noch Risiken übrig blieben, hätte allenfalls der Kunde dafür einzustehen. Wenn
in diesem Zusammenhang die Berufung darauf zurückkommt, dass auch vorliegend
jegliche Vorsicht aufgewendet worden sei, so läuft das der verbindlichen
Annahme der Vorinstanz zuwider, dass die Bank sich mit der Nennung der
Kontonummer als Legitimation zufrieden gegeben habe.
Indessen findet die Berufung das Eigenverschulden des Klägers schon darin,
dass er ungeachtet der «bestehenden Gefahrensituation» seine Kontonummer einer
grossen Zahl von internationalen Devisenhändlern mitgeteilt und durch diese
unverantwortliche Preisgabe schliesslich selber die wesentliche Ursache des
Schadens gesetzt habe. Solche Mitteilung der Nummer ist unbestritten. Als Jude
in Rumänien bedroht, dachte der Kläger an Auswanderung und trachtete, hiefür
in der Schweiz die nötigen Geldmittel bereit zu stellen (wie auch sein
Artgenosse Schwartz).
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Das musste natürlich geheim gehalten werden. Darum wurde ein Nummernkonto
benützt. Der Kläger verschaffte sich die Schweizerfranken bei rumänischen
Devisenhändlern, denen er in Rumänien Lei zahlte gegen Vergütung in Franken
auf seinem Konto in Zürich. Nun ist das Nummernkonto freilich zur
Geheimhaltung bestimmt, jedoch nicht unbedingt, wie aus den erwähnten
Auskünften des Experten erhellt. Gerade weil der Kontoinhaber seine Nummer
nicht selten Dritten zum Zwecke von Überweisungen bekannt gibt, kann die
Nummernnennung allein als Legitimation für Belastung des Kontos nicht genügen,
sondern es müssen sonstige Erkennungszeichen verlangt werden, welche die
Identität des Verfügenden zu sichern geeignet sind. Wenn der Experte dann
weiter ausführt, dass der Inhaber eines Nummernkontos seine Nummer Dritten auf
eigene Gefahr bekannt gebe, so meint er damit die Gefahr, welche verbleibt,
nachdem die Bank, eingedenk des Vorkommens solcher Mitteilungen, vom
Auftraggeber zusätzliche Erkennungsausweise gefordert hat. Denn auch diese,
fährt er fort, bieten keine Gewähr dafür, dass nicht unbefugte Dritte davon
Kenntnis erlangten. Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Parteien
übereinstimmend davon ausgingen, es bilde einzig die Angabe der Kontonummer
keine zureichende Legitimation. So hat ja der Kläger seinen Vertrauensmann
Broder jeweilen schriftlich bevollmächtigt, und zwar, wie der Zeuge
Zuberbühler sagt, sogar um lediglich den Stand des Kontos zu erfahren. Umso
weniger ist zu verstehen, dass die Beklagte einwendet, es habe sich zwischen
ihr und dem Kläger eine Art formlosen Verkehrs entwickelt, der vom Üblichen
ganz wesentlich abgewichen sei.
Zusammenfassend kann nicht anerkannt werden, dass der Kläger durch das
Verhalten betreffend sein Konto Gefahren schuf, die er selbst zu vertreten
hat. Die eigentliche und entscheidende Gefahr entstand erst, als die Beklagte
die zumutbare Vorsicht ausser Acht liess. Dafür trägt ausschliesslich sie die
Verantwortung. Alle weiteren
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Berufungsvorbringen, die das verneinen, gehen immer wieder von der
Voraussetzung aus, dass die Bank bei Empfang des Auszahlungsauftrages eine
nähere Prüfung der Legitimation vorgenommen habe. Da es sich nach den
Feststellungen der Vorinstanz anders verhielt - was die Beklagte im
Berufungsverfahren nun einmal gelten lassen muss - sind die erhobenen Einwände
unbehelflich. Es fehlt jede Grundlage für eine Schadenshaftung des Klägers
gemäss dem mit der Berufung herangezogenen Art. 402 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 402 - 1 Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien. |
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1 | Der Auftraggeber ist schuldig, dem Beauftragten die Auslagen und Verwendungen, die dieser in richtiger Ausführung des Auftrages gemacht hat, samt Zinsen zu ersetzen und ihn von den eingegangenen Verbindlichkeiten zu befreien. |
2 | Er haftet dem Beauftragten für den aus dem Auftrage erwachsenen Schaden, soweit er nicht zu beweisen vermag, dass der Schaden ohne sein Verschulden entstanden ist. |