S. 296 / Nr. 46 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 77 I 296

46. Urteil vom 7. Dezember 1951 i. S. Ch.


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Regeste:
Wehrsteuer: Steuerwert eines nicht kotierten Wertpapiers, das regelmässig
ausserbörslich gehandelt wird.
Impôt pour la défense nationale: Valeur fiscale d'un titre non coté qui fait
régulièrement l'objet de transactions hors bourse.
Imposta per la difesa nazionale: Valore fiscale di un titolo non quotato, che
è negoziato regolarmente fuori borsa.

A. - Die Aktiengesellschaft X hat 16000 Aktien und 48000 Genussscheine
ausgegeben. Aktien und Genussscheine haben den nämlichen Anspruch auf
Beteiligung an den jährlichen Ergebnissen und an einem bei Auflösung der
Unternehmung sich ergebenden Liquidationsüberschuss. Dagegen sind Teilnahme
und Stimmberechtigung an der Generalversammlung auf die Aktionäre beschränkt.
Die Aktien und die Genussscheine sind nicht an der Börse kotiert, sie werden
aber vorbörslich gehandelt. Sie figurieren in privaten Kurslisten und - seit
einiger Zeit auch in den Kursmeldungen der Tagespresse.

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B. - Der Beschwerdeführer hat in seiner Steuererklärung für die 5. Periode der
eidg. Wehrsteuer, vom 20. Juni 1949, seine Aktien X mit Fr. 3200.- für den
Titel und die Genussscheine mit Fr. 3100.- eingesetzt. Bei der Veranlagung
wurde der Steuerwert der Aktien -in Anlehnung an die ausserbörslichen
Preisnotierungen im Dezember 1948 - auf Fr. 3800.- festgesetzt. Eine hiegegen
gerichtete Beschwerde ist von der kantonalen Steuerrekurskommission abgewiesen
worden.
C. - Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird beantragt, den Steuerwert der
Aktien X des Beschwerdeführers für die 5. Periode der eidg. Wehrsteuer mit Fr.
3200.- gemäss Selbstdeklaration, statt mit Fr. 3800.- zu veranlagen. Es wird
geltend gemacht, die Bemessung des Steuerwertes nicht kotierter Aktien auf
Grund der ausserbörslich gemeldeten Kurse sei unzulässig und sachlich
unrichtig.
a) Die Schätzung nach Börsenkursen sei vorgesehen für kotierte Wertpapiere.
Dabei handle es sich um eine Ausnahmebestimmung, die nicht ausdehnend
angewandt werden dürfe. Bei nicht kotierten Wertpapieren sei nach der
Wegleitung der eidg. Steuerverwaltung vorzugehen. Diese Wegleitung sei zwar
rechtlich nicht einem Gesetzeserlass gleichzustellen. Aber sie habe doch
immerhin den Charakter einer verbindlichen Anweisung an die kantonalen
Einschätzungsbehörden. Nach dieser Wegleitung sei bei nicht kotierten Aktien
der Verkehrswert von Fall zu Fall auf Grund der tatsächlich vorliegenden
Verhältnisse festzusetzen. Bei einer Bemessung des Steuerwertes gemäss
Wegleitung ergebe sich für die Aktien der in der Steuererklärung eingesetzte
Ansatz von Fr. 3200.-.
b) Die ausserbörslichen Transaktionen böten keine genügende Grundlage für die
Bestimmung des Verkehrswertes. Diese Aktien würden ausserbörslich nur in Basel
gehandelt. Die übrigen Notierungen seien vermutlich lediglich Wiederholungen
der inoffiziellen Notierungen in Basel. Bei 16000 ausgegebenen Aktien seien im
Jahre 1948

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nur 32 Kursnotierungen zustande gekommen, davon 5 im Dezember. Im Verhältnis
zu der Zahl der Aktien seien diese Transaktionen bedeutungslos. Die kantonale
Rekurskommission habe dem Beschwerdeführer die Aktien X. zu Unrecht,
irrtümlich und entgegen den gesetzlichen Vorschriften mit Fr. 3800.- pro Stück
angerechnet.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
in Erwägung
1.- Nach Art. 30 WStB ist für die Vermögensberechnung im allgemeinen der
Verkehrswert der Vermögensstücke massgebend. Bei Wertpapieren, für die eine
regelmässige Kursnotierung besteht, gilt der Kurswert als Verkehrswert (Art.
34 , Abs. 1 WStB). Nach der Praxis bezieht sich Art. 34, Abs. 1 nur auf
Kursnotierungen an der Börse über die daselbst offiziell gehandelten, sog.
kotierten Wertpapiere (Urteil vom 25. März 1949 i. S. Sch., Erw. 1, nicht
publiziert, und die dort zitierte Literatur). Hier wird auf den Kurswert
abgestellt, soweit nicht im Einzelfall Gründe bestehen anzunehmen, dass die
Kursnotierung entgegen der Regel nicht Ausdruck des wirklichen Verkehrswert es
sei.
Bei nicht kotierten Wertpapieren, bei denen offizielle Kursnotierungen nicht
bestehen, ist der Verkehrswert oder der Ansatz, der zum Zwecke der Besteuerung
als Verkehrswert zu gelten hat, sonstwie zu ermitteln. Dabei müssen die
Schätzungsgrundlagen so gewählt werden, dass das Ergebnis der Ermittlung der
wirtschaftlichen Wirklichkeit möglichst nahe kommt. Es ist daher von Fall zu
Fall auf diejenige Schätzungsgrundlage abzustellen, die die zuverlässigste
Wertermittlung darzubieten scheint. Demgemäss muss tatsächlich erzielten
Preisansätzen, die nach ihrem Zustandekommen als Ausdruck des Wertes angesehen
werden können, den der Verkehr einem Wertpapier beimisst, der Vorzug gegeben
werden vor Ansätzen, die sich aus der Anwendung schematischer Schätzungsregeln
ergeben. Solche Schätzungsregeln sind ein Behelf für den Fall, dass im

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geschäftlichen Verkehr erzielte, den Verkehrswert repräsentierende Preise
fehlen. Wo sich der Verkehrswert dagegen mit genügender Sicherheit aus
tatsächlich vollzogenen Geschäften ableiten lässt, muss die Bemessung des
Steuerwertes lediglich durch schematische Schätzung zurücktreten. Es ist eine
Frage der Abwägung welche Bewertungsgrundlage im einzelnen Falle zu wählen
ist.
Etwas anderes lässt sich weder aus Art. 34 WStB noch aus der Wegleitung der
eidg. Steuerverwaltung für die Bewertung nicht kotierter Wertpapiere und der
für die Anwendung dieser Wegleitung geltenden Praxis ableiten.
Art. 34 , Abs. 1 WStB enthält eine Bewertungsregel für kotierte Wertpapiere.
Nach ihr ist bei der Steuerbemessung der an der Börse offiziell notierte Kurs,
Regelmässigkeit vorausgesetzt, als Verkehrswert anzurechnen. Hier gilt also
der am offiziell kontrollierten Markte auf Grund von tatsächlich vollzogenen
Geschäftsabschlüssen festgestellte Preis als Ausdruck des Verkehrswertes. Über
nicht kotierte Wertpapiere bestimmt Art. 34 nichts. Er schliesst vor allem
nicht aus, dass bei nicht kotierten Wertpapieren, die regelmässig gehandelt
werden und die einen aus tatsächlichen Käufen und Verkäufen gebildeten
Marktpreis aufweisen, dieser Marktpreis als Ausdruck des Verkehrswertes - auch
für die steuerliche Vermögensbewertung - angesehen wird.
Die Wegleitung der eidg. Steuerverwaltung enthält Richtlinien für eine
schätzungsweise Festsetzung des Steuerwertes bei den zahlreichen Wertpapieren,
die überhaupt nicht oder nur selten gehandelt werden und für die daher eine
als Ausdruck des Verkehrswertes anzusehende Preisbildung nicht stattgefunden
hat. Bei ihnen muss für die Steuerberechnung eine besondere Bewertung
vorgenommen, ein als Verkehrswert anzusehender Wertansatz konstruiert werden.
Dabei können zu Kontrollzwecken auch die Preise herangezogen werden, die
gelegentlich bei Verkäufen erzielt worden sind. Eine Einschätzung nach der
Wegleitung ist indessen stets ein Behelf in Fällen, wo für

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ein Wertpapier ein regelmässig zustandegekommener Marktpreis nicht zur
Verfügung steht. Liegt ein zuverlässiger Preis vor, so ist dieser der
Festsetzung des Verkehrswertes zu Grunde zu legen. Die Wegleitung braucht in
solchen Fällen nicht herangezogen zu werden, vielmehr darf und soll
unmittelbar auf den im Handel gebildeten Preis abgestellt werden. Denn dieser
muss in einem solchen Falle als der zuverlässigste Ausdruck des Verkehrswertes
gelten.
Das Bundesgericht hat - in dem vom Beschwerdeführer angerufenen Urteil Sch.
nicht erklärt, ausserbörsliche Handänderungen könnten nicht als Grundlage zur
Bestimmung des Verkehrswertes nicht kotierter Wertpapiere herangezogen werden.
Es hat lediglich festgestellt, dass aus ganz vereinzelten (im konkreten Falle
zwei im Zeitraum eines Jahres vorgekommenen) und nicht näher abgeklärten
Handänderungen nicht mit Sicherheit auf den Verkehrswert geschlossen werden
könne, der den Titeln in dem damals massgebenden Zeitpunkte beizumessen war.
2.- Die Aktien X. sind nicht kotiert, sie werden aber in Basel seit Jahren
vorbörslich gehandelt und sie weisen, wenn auch nicht sehr häufige, so doch
regelmässig vorkommende Abschlüsse auf, wobei es sich stets um tatsächlich
bezahlte Umsätze handelt. Nach Mitteilung des Börsenkommissariats Basel
erfolgt dabei die Kursbildung in gleicher Weise, wie bei kotierten Aktien, so
dass, wenn die Aktien X. kotiert wären, die Börsenkurse genau die gleichen
wären wie die ausserbörslich notierten Kurse...
Im Jahre 1948 hat, nach einer vom Beschwerdeführer beigebracht en
Bescheinigung, der Schweizerische Bankverein Basel 32 Kursnotierungen in
Aktien X. verzeichnet (in den Jahren 1949 und 1950 etwas mehr: 60 und 54), für
den Dezember 1948 melden Bankverein Basel und Kreditanstalt Basel
übereinstimmend 6 Abschlüsse mit bezahlten Kursen von Fr. 3800.-, Fr. 3820.-,
Fr. 3860.- und Fr. 3900.-. Der Bankverein Zürich hat im gleichen Zeitraum 3
bezahlte Abschlüsse zu Fr. 3800.-, Fr. 3820.-

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und Fr. 3875.- vermittelt. Unter diesen Umständen dürfen die bei diesen
Umsätzen erzielten Preise sehr wohl als Ausdruck des Verkehrswertes angesehen
werden. Dass die erwähnten Preise dem damaligen Verkehrswert der Aktien
entsprechen und als Bewertungsgrundlage auf keinen Fall zu einer übersetzten
Steuerfestsetzung führen, darf umsomehr angenommen werden, als sich die
Genussscheine X., die wesentlich mehr Umsätze aufweisen (Dezember 1948 52
bezahlte Abschlüsse), damals zwischen Fr. 3715.- und Fr. 3870.- bewegten, also
nur wenig unter den für Aktien notierten Kursen lagen. Die Bestimmung des
Verkehrswertes nach dem ausserbörslichen Kurswert der Aktien entspricht bei
diesen Verhältnissen der in Art. 30 WStB aufgestellten Bewertungsvorschrift.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 77 I 296
Datum : 01. Januar 1951
Publiziert : 07. Dezember 1951
Quelle : Bundesgericht
Status : 77 I 296
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Wehrsteuer: Steuerwert eines nicht kotierten Wertpapiers, das regelmässig ausserbörslich gehandelt...


Gesetzesregister
WStB: 30  34
BGE Register
77-I-296
Stichwortregister
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