BGE 77 I 207
34. Auszug aus dem Urteil vom 20. Juni 1951 i. S. StüdIi gegen Kanton St.
Gallen.
Regeste:
Art. 46 Abs. 2 BV. Soweit die Einkünfte eines Gesellschafters aus einer
Kollektivgesellschaft, deren Sitz sich ausserhalb seines Wohnsitzkantons
befindet, Entgelt für seine persönliche Arbeit darstellen, sind sie an seinem
Wohnsitz zu versteuern. Bei der Ermittlung des nach dem Steuergesetz des
Wohnsitzkantons
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massgebenden durchschnittlichen Einkommens einer zweijährigen Periode darf für
ein Jahr, in welchem der Gesellschafter aus der Firma nichts bezogen hat, ein
Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht in Rechnung gestellt werden.
Art. 46 al. 2 Cst. Lorsque l'associé d'une société en nom collectif a son
domicile hors du canton 011 se trouve le siège social, les prélèvements de cet
associé doivent être imposés par le canton de son domicile dans la mesure où
ils constituent la rétribution du travail personnel fourni. Pour la fixation
du revenu moyen d'une période de deux ans - selon le système fiscal du canton
où l'associé à son domicile aucune rétribution du travail fourni ne peut être
portée en compte pour une année où l'associé n'a pas fait de prélèvements.
Art. 46 cp. 2 CF. Il socio, che tiene domicilio fuori del Cantone ove la
società in nome collettivo ha la sede, è imponibile nel suo Cantone di
domicilio per i redditi die gli provengono dalla società, nella misura in cui
essi costituiscono un compenso pel lavoro da lui fornito. Nel computo del
reddito me die di un periodo biennale (secondo il sistema fiscale del Cantone
di domicilio), non si può tener conte, per l'anno in cui il socio non ha
percepito alcun reddito dalla società, di un compenso pel suo lavoro.
Der in Flawil wohnende Beschwerdeführer ist Teilhaber der
Kollektivgesellschaft Gebr. Stüdli, Kunststoff-Fabrik in Billach. Im
Geschäftsjahr 1947/48 bezog er aus der Firma ein Einkommen von Fr. 33417.- im
Geschäftsjahr 1948/49 wurde er mit einem Verlustanteil von Fr. 17176.-
belastet. Bei seiner Veranlagung im Kanton St. Gallen für das Steuerjahr 1950,
welcher das durchschnittliche Einkommen der beiden Vorjahre (bzw. jener beiden
Geschäftsjahre) zugrunde zu legen war, wurde für jedes Geschäftsjahr ein
Entgelt für persönliche Arbeit il) der Kollektivgesellschaft im Betrage von
Fr. 8000.-, welcher in den vorangegangenen Jahren als angemessen betrachtet
worden war, in Rechnung gestellt.
Der Steuerpflichtige erhebt unter Berufung auf Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
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1 | Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um. |
2 | Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10 |
3 | Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11 |
staatsrechtliche Beschwerde, mit welcher er u. a. geltend macht, der Kaliton
St. Gallen dürfe nur für das Geschäftsjahr 1947/48 ein Salär von Fr. 8000.-
für persönliche Arbeit in der Kollektivgesellschaft berechnen. Das
Bundesgericht schützt die Beschwerde in diesem Punkte
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in Erwägung:
4.- ... Die Einkünfte eines Gesellschafters aus der Kollektivgesellschaft
enthalten normalerweise - obwohl oft nicht ausgeschieden - den Entgelt für
seine persönliche Arbeit, den Zins für seine Kapitaleinlage und seinen
Gewinnanteil. Um den Grundsatz, wonach der Arbeitslohn am Wohnsitz zu
versteuern ist, gleich wie bei den Angestellten auch bei dem für die Firma
arbeitenden Gesellschafter durchzuführen, hat die Praxis das Recht zur
Besteuerung desjenigen Teils seiner Einkünfte aus der Gesellschaft, der als
Entgelt für seine persönliche Arbeit zu betrachten ist, seinem Wohnsitzkanton
zuerkannt, während der Rest am Sitze der Gesellschaft zu versteuern ist. Die
Aufteilung ist auf Grund der geleisteten Arbeit und der Grösse und Bedeutung
des Geschäfts vorzunehmen; insbesondere soll das Salär in einem angemessenen
Verhältnis zum Gesamtgeschäftsgewinn stehen.
Es ist unbestritten, dass sich aus der Beteiligung an der
Kollektivgesellschaft in Bülach für den Beschwerdeführer im Geschäftsjahr
1948/49 ein Verlust von Fr. 17176.- ergeben hat, dass er also in diesem Jahre
von dort ausser der Vergütung für seine Spesen nichts bezogen hat, vielmehr
mit jenem Verlust belastet wurde. Eine Aufteilung von Einkünften aus der
Gesellschaft im Sinne der erwähnten Praxis kommt deshalb nicht in Frage; da er
überhaupt nichts erhalten hat, liegt auch kein Saläranteil vor, der von St.
Gallen besteuert werden könnte.
Der Kanton St. Gallen will auch diesbezüglich auf den Durchschnitt der beiden
für die Besteuerung 1950 massgebenden Geschäftsjahre 1947/48 und 1948/49
abstellen und, da sich für den Beschwerdeführer im Mittel dieser Jahre ein
positiver Ertrag aus der Bülacher Firma von Fr. 8120.- ergibt, als
Saläranspruch den Betrag von Fr. 8000.- besteuern, der in den vorangegangenen
Jahren als angemessener Arbeitsentgelt betrachtet wurde. Er macht geltend,
auch wenn infolge schlechten
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Geschäftganges die Gesamtbezüge wesentlich kleiner würden, das Mass der
geleisteten Arbeit aber unverändert bleibe, müsse hierfür ein angemessener
Saläranspruch anerkannt werden, und beruft sich auf das nicht veröffentlichte
Urteil des Bundesgerichts vom 15. Juni 1928 i. S. Guhl, wo gesagt wird: «Dem
Gedanken einer billigen Verteilung des steuerbaren Einkommens unter die
interessierten Kantone entspricht es, dass im allgemeinen eine gewisse
Proportion beobachtet wird zwischen Gesamtbezug und Arbeitsentgelt, freilich
nicht in dem Sinne, dass die Höhe des letztem schwanken würde nach dem
jeweiligen Jahresergebnis, wohl aber so, dass der feste Arbeitsentgelt nicht
als übersetzt erscheint im Verhältnis zum Reinertrag, den das Geschäft
regelmässig abwirft.» Aus dieser Erwägung kann jedoch nicht geschlossen
werden, dass gestützt auf eine Durchschnittsberechnung ein Saläranspruch auch
angenommen und vom Wohnsitzkanton besteuert werden könne für ein Jahr, wo der
Gesellschafter gar nichts bezogen hat. Von einer «billigen Verteilung des
steuerbaren Einkommens unter die interessierten Kantone» kann nicht gesprochen
werden, wo überhaupt kein Einkommen vorhanden ist. Ebensowenig kann von
Wahrung der Proportion zwischen Gesamtbezug und Arbeitsentgelt die Rede sein,
wenn der Kanton St. Gallen von dem durchschnittlichen Gesamtertrag von Fr.
8120.- den gleichen Betrag von Fr. 8000.- als Salär besteuern will, der im
Jahre zuvor bei einem Gesamtbezug von Fr. 33417.- als angemessener
Arbeitsentgelt betrachtet wurde. Am deutlichsten wird die Unzulässigkeit
dieses Vorgehens unter dem Gesichtspunkt der Doppelbesteuerung; denn es
bewirkt tatsächlich eine solche: Von dem Einkommen des Beschwerdeführers aus
der Beteiligung an der Bitlacher Unternehmung im Jahre 1947/48 wurden gemäss
der bisher anerkannten Ausscheidung Fr. 8000.- als Salär von St. Gallen, der
Rest von Fr. 25417.- von Zürich besteuert. Indem St. Gallen nun im
Durchschnitt der Jahre 1947/48 und 1948/49 ein Salär von Fr. 8000.- besteuern
will, obwohl der
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Beschwerdeführer im zweiten Jahre nichts bezog, macht es für 1947/48 einen
Saläranspruch von Fr. 16000.- geltend, so dass der Beschwerdeführer für dieses
Jahr insgesamt Fr. 41417.- Einkommen au. der Kollektivgesellschaft in Bülach
versteuern sollte, während er effektiv nur Fr. 33417.- bezog. Nach richtiger
Berechnung hat St. Gallen für 1947/48, was Bülach anlangt, wie bisher ein
Salär von Fr. 8000.- zu besteuern, für 1948/49 aber keines, so dass sich im
Durchschnitt der beiden Jahre ein Anteil St. Gallens von Fr. 4000.- an dem in
Frage stehenden Einkommen ergibt. Damit ist auch die Proportion zwischen
diesem Arbeitsentgelt und dem Gesamtbezug aus der Bülacher Beteiligung von
durchschnittlich Fr. 8120.- im Sinne des Urteils Guhl gewahrt.