S. 142 / Nr. 28 Verfahren (d)

BGE 76 IV 142

28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. April 1950 i. S. Althaus
gegen Generalprokurator des Kantons Bern.


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Regeste:
Art. 14
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 14 - Die Partei kann insoweit selbständig Prozess führen als sie handlungsfähig ist.
BZP, Art. 16, 17 ZOB. Prozessunfähigkeit eines psycho. pathischen
Querulanten.
Art. 14 LPC, 16 et 17 CC. Incapacité d'ester en justice d'une personne
atteinte de psychose processive.
Art. 14 PCF, 16 e 17 CC. Incapacità di stare in giudizio di un querulomane
psicopatico.

A. - Althaus wurde am 25. August 1943 von der II. Strafkammer des Obergerichts
des Kantons Bern wegen betrügerischen Konkurses, vollendeten Versuches des
betrügerischen Konkurses, leichtsinnigen Konkurses und Unterlassung der
Buchführung verurteilt. In dem vom erstinstanzlichen Richter eingeholten
Gutachten war der Psychiater zum Schlusse gekommen, Althaus sei ein Querulant
auf psychopathischer Grundlage, seine Fähigkeit, nach der (vorhandenen)
Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln, sei infolgedessen leicht
herabgesetzt gewesen da seine Psychopathie in den Auswirkungen einer
Geisteskrankheit gleichkomme, wären die Voraussetzungen für die Entmündigung
nach Art. 369
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 369 - 1 Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen.
1    Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen.
2    Werden dadurch die Interessen der auftraggebenden Person gefährdet, so ist die beauftragte Person verpflichtet, so lange für die Fortführung der ihr übertragenen Aufgaben zu sorgen, bis die auftraggebende Person ihre Interessen selber wahren kann.
3    Aus Geschäften, welche die beauftragte Person vornimmt, bevor sie vom Erlöschen ihres Auftrags erfährt, wird die auftraggebende Person verpflichtet, wie wenn der Auftrag noch bestehen würde.
gegeben, doch empfehle es sich, Althaus in seinem Interesse nur
nach Art. 370
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 370 - 1 Eine urteilsfähige Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt.
1    Eine urteilsfähige Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt.
2    Sie kann auch eine natürliche Person bezeichnen, die im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt die medizinischen Massnahmen besprechen und in ihrem Namen entscheiden soll. Sie kann dieser Person Weisungen erteilen.
3    Sie kann für den Fall, dass die bezeichnete Person für die Aufgaben nicht geeignet ist, den Auftrag nicht annimmt oder ihn kündigt, Ersatzverfügungen treffen.
ZGB (wegen Misswirtschaft) zu entmündigen.
Althaus reichte am 28. Mai 1945, 1. März 1946 und 8. April 1947 beim
Kassationshof des Kantons Bern drei Revisionsgesuche ein, die alle abgewiesen
wurden, das dritte am 26. April 1947. Ausserdem wendete er sich erfolglos mit
einer Petition an die Bundesversammlung und mit zwei Beschwerden vom 25.
Januar 1946 und 9. Januar 1948 an den Grossen Rat des Kantons Bern.
B. - Auf ein viertes Revisionsgesuch vom 28. November 1949 trat der
Kassationshof des Kantons Bern mit Entscheid vom 13. Januar 1950 nicht ein,
weil der Gesuchsteller inbezug auf die Tatsachen, die mit seinen Prozessen
zusammenhängen, als urteilsunfähig und daher

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prozessunfähig anzusehen sei. Der Kassationshof fügte bei, das Gesuch hätte
übrigens auch materiell abgewiesen werden müssen, weil es gegenüber den
früheren abgewiesenen Gesuchen keine wesentlichen neuen Anbringen enthalte.
C. - Althaus hat gegen diesen Entscheid Nichtigkeitsbeschwerde erhoben.
Aus den Erwägungen:
Die Prozessfähigkeit ist eine Wirkung der vom Bundesrecht geordneten
Handlungsfähigkeit. Wer nach den Vorschriften des Bundeszivilrechts
handlungsfähig ist, ist auch prozessfähig. Umgekehrt fehlt die
Prozessfähigkeit dem zivilrechtlich Handlungsunfähigen (BGE 42 II 555). Der im
Sinne der Art. 16
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.
und 18
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 18 - Wer nicht urteilsfähig ist, vermag unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen durch seine Handlungen keine rechtliche Wirkung herbeizuführen.
ZGB Urteilsunfähige kann demnach nicht selbst wirksam
prozessual handeln, auch nicht in Verhältnissen, in denen diese Befugnis
ausnahmsweise dem urteilsfähigen Entmündigten oder Unmündigen zusteht (Art. 19
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 19 - 1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
1    Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
2    Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.15
3    Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig.

ZGB). Die Urteilsunfähigkeit braucht dabei keine allgemeine zu sein, sie kann
auch nur auf einem bestimmten Gebiete bestehen, so z. B. beim psychopathischen
Querulanten für einen gewissen Komplex von Rechtsstreitigkeiten, in die er
verwickelt ist. Rechtsfrage ist nur der Schluss, der aus einem bestimmten
geistigen Zustand auf das Vorhandensein oder Fehlen der Urteilsfähigkeit
gezogen wird, während die Feststellung jenes Zustandes selbst, wie bei der
zivilrechtlichen Berufung an das Bundesgericht, eine der Überprüfung durch den
Kassationshof entzogene Tatfrage ist (BGE 44 II 118, 44 II 184; 47 II 170; 50
II 92
; Art. 277bis Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 19 - 1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
1    Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
2    Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.15
3    Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig.
, Art. 273 Abs. 1 lit. b
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 19 - 1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
1    Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
2    Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.15
3    Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig.
BStP).
Schon im Strafverfahren, das zum Urteil vom 25. August 1943 geführt hat, ist
durch psychiatrisches Gutachten beim Beschwerdeführer eine psychopathische
Querulanz so hohen Grades festgestellt worden, dass sie in den Auswirkungen
einer Geisteskrankheit (Art. 16
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.
ZGB) gleichkomme. Wenn die Vorinstanz dem
Beschwerdeführer gestützt hierauf und auf sein seitheriges prozessuales
Verhalten die

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Urteilsfähigkeit in Fragen, die mit seiner Verurteilung vom 25. August 1943
zusammenhängen, abgesprochen hat, ist das bundesrechtlich nicht anfechtbar.
Die Tatsache, dass ihn drei frühere abgewiesene Revisionsgesuche und die
Belehrung, die er durch die darüber ergangenen Entscheide erhalten hat, nicht
davon abgehalten haben, die Revision ein viertes Mal mit den schon früher
schlüssig als unwesentlich zurückgewiesenen Gründen anzustreben, lässt in der
Tat nur den Schluss zu, dass ihm zum mindesten auf diesem Gebiete der
Verfechtung seiner rechtlichen Interessen die Fähigkeit zu noch irgendwie
vernunftgemässem Handeln abhandengekommen ist.
Das hat zur Folge, dass nicht nur die Anfechtung des
Nichteintretensentscheides des kantonalen Kassationshofes vom 1,3. Januar 1950
unbegründet, sondern auch auf die vorliegende Beschwerde gegen diesen
Entscheid aus dem gleichen Grunde nicht einzutreten ist. Auch die Erhebung
bundesrechtlicher Rechtsmittel setzt die Prozessfähigkeit (Urteilsfähigkeit)
des Beschwerdeführers voraus (Art. 40
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.
OG, Art. 14
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 14 - Die Partei kann insoweit selbständig Prozess führen als sie handlungsfähig ist.
BZP).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 76 IV 142
Datum : 01. Januar 1949
Publiziert : 28. April 1950
Quelle : Bundesgericht
Status : 76 IV 142
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 14 BZP, Art. 16, 17 ZOB. Prozessunfähigkeit eines psycho. pathischen Querulanten.Art. 14 LPC...


Gesetzesregister
BStP: 273  277bis
BZP: 14
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess
BZP Art. 14 - Die Partei kann insoweit selbständig Prozess führen als sie handlungsfähig ist.
OG: 40
ZGB: 16 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.
18 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 18 - Wer nicht urteilsfähig ist, vermag unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen durch seine Handlungen keine rechtliche Wirkung herbeizuführen.
19 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 19 - 1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
1    Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14
2    Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.15
3    Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig.
369 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 369 - 1 Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen.
1    Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen.
2    Werden dadurch die Interessen der auftraggebenden Person gefährdet, so ist die beauftragte Person verpflichtet, so lange für die Fortführung der ihr übertragenen Aufgaben zu sorgen, bis die auftraggebende Person ihre Interessen selber wahren kann.
3    Aus Geschäften, welche die beauftragte Person vornimmt, bevor sie vom Erlöschen ihres Auftrags erfährt, wird die auftraggebende Person verpflichtet, wie wenn der Auftrag noch bestehen würde.
370
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 370 - 1 Eine urteilsfähige Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt.
1    Eine urteilsfähige Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt.
2    Sie kann auch eine natürliche Person bezeichnen, die im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt die medizinischen Massnahmen besprechen und in ihrem Namen entscheiden soll. Sie kann dieser Person Weisungen erteilen.
3    Sie kann für den Fall, dass die bezeichnete Person für die Aufgaben nicht geeignet ist, den Auftrag nicht annimmt oder ihn kündigt, Ersatzverfügungen treffen.
BGE Register
42-II-553 • 44-II-107 • 44-II-183 • 47-II-166 • 50-II-89 • 76-IV-142
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • bundesversammlung • entscheid • frage • gesuchsteller • kantonales rechtsmittel • kassationshof • maler • minderheit • misswirtschaft • nichteintretensentscheid • psychiatrisches gutachten • psychopathie • psychose • rechtsmittel • tatfrage • unterlassung der buchführung • urteilsfähigkeit • verhalten • verurteilter • verurteilung • vollendeter versuch • vorinstanz • weiler