S. 346 / Nr. 49 Obligationenrecht (d)

BGE 76 II 346

49. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. November 1950 i. S.
Ehrat gegen Verband Schweizerischer Gaswerke und Escher gegen Ehrat.

Regeste:
1. Art. 29
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 29 - 1 Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
1    Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
2    Ist die Drohung von einem Dritten ausgegangen, so hat, wo es der Billigkeit entspricht, der Bedrohte, der den Vertrag nicht halten will, dem anderen, wenn dieser die Drohung weder gekannt hat noch hätte kennen sollen, Entschädigung zu leisten.
/30
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 30 - 1 Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
1    Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
2    Die Furcht vor der Geltendmachung eines Rechtes wird nur dann berücksichtigt, wenn die Notlage des Bedrohten benutzt worden ist, um ihm die Einräumung übermässiger Vorteile abzunötigen.
OR; Anwendung auf die juristische Person.
Massgebend für Art und Inhalt der von einer juristischen Person eingegangenen
Verpflichtung ist der wirkliche Mehrheitswille des beschlussfassenden Organs,
ungeachtet der von der

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antragstellenden Minderheit auf Grund geheim gehaltenen Wissens angestrebten
sonstigen Zwecke.
Mangelhaft, weil unter dem Einfluss gegründeter Furcht zustande gekommen,
kann aber solche Willensbildung selbst dann sein, wenn nicht die
beschlussfassende Mehrheit, sondern lediglich die antragstellende Minderheit
eine widerrechtlich erhobene Drohung kennt und deswegen anders handelt, als
sie es sonst getan hätte.
2. Art. 66
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
OR In Verbindung mit Art. 29
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 29 - 1 Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
1    Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
2    Ist die Drohung von einem Dritten ausgegangen, so hat, wo es der Billigkeit entspricht, der Bedrohte, der den Vertrag nicht halten will, dem anderen, wenn dieser die Drohung weder gekannt hat noch hätte kennen sollen, Entschädigung zu leisten.
/30
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 30 - 1 Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
1    Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
2    Die Furcht vor der Geltendmachung eines Rechtes wird nur dann berücksichtigt, wenn die Notlage des Bedrohten benutzt worden ist, um ihm die Einräumung übermässiger Vorteile abzunötigen.
OR und Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB.
Wer die zur Herbeiführung eines sittenwidrigen Erfolges bestimmte Leistung
durch Drohung erwirkt hat, darf sieh nicht auf den gesetzlichen Ausschluss der
Rückforderung berufen.
1. Art. 29-30 CO application aux personnes morales.
Ce qui est déterminant pour fixer la nature et les effets d'une obligation
contractée par une personne morale, c'est la réelle volonté de la majorité de
l'Organe qui prend la décision, sans égard aux buts qu'a pu viser la minorité
proposante en raison de la connaissance de faits qu'elle n'a pas révélés.
Toutefois la volonté de la personne morale peut être entachée d'un vice, parce
que formée sous l'empire d'une crainte fondée, même lorsque ce n'est pas la
majorité, mais seulement la minorité proposante qui connaît une menace
formulée sans droit et qui, à cause de cela, agit autrement qu'elle n'aurait
fait.
2. Art. 66 CO en rapport avec les art. 29-30 CO et l'art. 2 CC'.
Celui qui a obtenu par la menace une prestation déterminée en vue d'atteindre
un but contraire aux moeurs ne peut lais invoquer l'exclusion légale de la
répétition.
1. Art. 29-30 CO, applicazione alle persone giuridiche.
Determinante per stabilire la natura e gli effetti d'un'obbligazione
contrattualmente assunta da una persona giuridica é la reale volontà della
maggioranza dell'organo die prende la decisione, sanza riguardo agli scopi cui
mirava la minoranza proponente a motivo della conoscenza di fatti che non da
rivelati.
Tuttavia la volontà della persona giuridica può essere viziata da timore
ragionevole anche quando non la maggioranza ma soltanto la minoranza
proponente conosce una minaccia formulata illegalmente e per questo motivo
agisce in modo diverso da quello die avrebbe fatto.
2. Art. 66 CO combinato cogli art. 29-30 CO e con l'art. 2 CC.

Chi ha ottenuto mediante minaccia una determinata prestazione in vista di
raggiungere uno scopo contrario ai buoni costumi non può invocare l'esclusione
legale della ripetizione.
A. - Der Verband Schweizerischer Gaswerke (Gaswerkverband) schliesst als eine
in Genossenschaftsform konstituierte Interessenvereinigung die Gaswerke der
grösseren Schweizerstädte zusammen. Mit der Leitung ist ein Vorstand von 11
Mitgliedern betraut. Präsident des Verbandes war seit 1919 Fritz Escher, der
Direktor des Gaswerkes der Stadt Zürich. Dem Geschäftsbetrieb des Verbandes

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stand seit 1923 Adolf Ehrat als Direktor vor. Seine Stellung war geregelt
durch einen Dienstvertrag vom 29. Mai 1923 mit Nachtrag vom 17. Juli 1925. Zu
den Obliegenheiten des Direktors zählten der Einkauf der Kohle für die dem
Verband angehörenden Gaswerke, die Ordnung der Einfuhr und des Transportes
sowie die Verteilung der Kohle, die Verwertung der Nebenprodukte der Werke.
Vorgesetztes Organ war der Verbandsvorstand, welcher für den Verkehr mit dem
Direktor eine Delegation bezeichnete. Diese bestand aus Präsident Esc her und
den Mitgliedern Z. und Y. Ehrat bezog ein festes Salär von Fr. 19,000.-,
später von Fr. 24,000. im Jahr. Er hatte zudem Anspruch auf Provisionen aus
dem Einkauf der Kohle und aus dein Verkauf der Nebenprodukte. Damit gelangte
er auf Jahresbezüge von Fr. 50,000.- und mehr. Er war mit Dienstaustritt in
die Pensionskasse aufgenommen worden, und der Verband erlegte einen Teil der
Prämien.
Wirtschaftlich und personell standen dem Gaswerkverband die Schweizerische
Teerindustrie A.-G. in Pratteln (Stiag) und die Schweizerische Reederei A.-G.
in Basel (Reederei) nahe. Die Stiag war vom Verband als Unternehmen zur
Verarbeitung des von den Werken erzeugten Teers gegründet worden. Die Reederei
besorgte für den Verband die Kohlentransporte auf dem Rhein. Die
Delegationsmitglieder des Gaswerkverbandes ebenso wie Direktor Ehrat waren
zugleich Mitglieder der Verwaltungsräte der Stiag und der Reederei.
B. - Sowohl Escher als auch Ehrat genossen in Fachkreisen grosses Ansehen.
Ehrat leistete als Direktor des Gaswerkverbandes diesem und der Gasindustrie
überhaupt wertvolle Dienste. Nach Ausbruch des Krieges kam es aber zwischen
dem Verbandsvorstand und sei der Delegation einerseits und Ehrat anderseits zu
tiefgehenden Differenzen. Sie ergaben sich zur Hauptsache aus
Meinungsverschiedenheiten in bezug auf die Bewältigung kriegswirtschaftlicher
Probleme und verschärften sich im Laufe der Zeit derart, dass den leitenden
Verbandsorganen eine

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weitere Zusammenarbeit als unmöglich erschien. In einer Vorstandssitzung vom
24. März 1942 stellte und begründete Escher namens der Delegation den Antrag,
das Dienstverhältnis mit dem Direktor zu lösen, Ehrat brieflich zur
Einreichung der Kündigung einzuladen und, falls er das nicht tun sollte, ihm
auf Ende September 1942 zu kündigen unter Beifügung des Wunsches nach
sofortiger Einstellung seiner Tätigkeit. Der Vorstand beschloss einstimmig in
diesem Sinne. Entsprechend schrieben Escher und Z. am 27. März 1942 an Ehrat,
wobei sie dessen grosse Verdienste anerkannten, die eingetretenen
Misshelligkeiten bedauerten und vorschlugen, dass Ehrat selber kündigen und ab
1. April einen Erholungsurlaub antreten möge. Da eine Antwort ausblieb,
sprachen Escher und Z. mit Brief vom 30. März 1942 im Namen des Verbandes die
Kündigung auf Ende September 1942 aus.
Ehrat empfand die Entlassung als Unrecht. Über seine Auseinandersetzungen mit
der Vorstandsdelegation verfasste er einen vom 4. April 1942 datierten und mit
Nachtrag vom 13. April 1942 ergänzten Bericht. Darin regte er eine
«unparteiische Untersuchung seiner Geschäftsführung» an und äusserte die
Erwartung, dass die Kündigung rückgängig gemacht und ihm Genugtuung zuteil
werde. Vorher hatte Ehrat eine persönliche Unterredung mit Stadtpräsident M.
und Stadtrat N. gehabt. Den Bericht stellte er zahlreichen Persönlichkeiten
zu. Eine von Stadtrat N. auf den 17. April 1942 einberufene Konferenz führte
wegen Unzuständigkeit nicht zu dem von Ehrat angestrebten Ziel. Über den
Verlauf dieser Konferenz referierte Escher in der Vorstandssitzung des
Gaswerkverbandes vom 23. April 1942. Gemäss einem daraufhin gefassten
Beschluss wurde Ehrat durch Escher und Z. mit Schreiben vom 27. April
mitgeteilt, dass ihm das Betreten der Geschäftsräume ab 1. Mai 1942 untersagt
sei und seine Unterschrift gelöscht werde, dass ihm jedoch das Gehalt und die
anderen Bezüge jeweilen bei Fälligkeit zur Verfügung ständen, sofern er
Schritte unterlasse, weiche dem Verband, anderen

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Organisationen der Gasindustrie, einzelnen Gaswerken oder leitenden
Persönlichkeiten derselben schaden könnten. Ehrat antwortete am 2. Mai 1942,
dass er die Auflösung des Dienstvertrages unter keinen Umständen annehmen
könne, die erteilten Weisungen ohne jedes Präjudiz und unter Vorbehalt aller
Rechte befolge, sich gegen die vorzeitige Löschung der Unterschrift verwahre
und nach Konsultation eines Anwaltes auf die Angelegenheit zurückkommen werde.
In ihrer Rückäusserung vom 8. Mai 1942 bestätigten Escher und Z. den
Standpunkt des Vorstandes, machten aber Zugeständnisse hinsichtlich der an
Werke, Behörden und Kunden zu erlassenden Mitteilung über das Ausscheiden
Ehrats sowie über die Unterschriftslöschung.
C. - Schon während der Periode seiner Differenzen mit dem Vorstand des
Gaswerkverbandes brachte Ehrat in Erfahrung, dass Escher als Direktor des
Gaswerkes der Stadt Zürich von Lieferanten Schmiergelder entgegengenommen
hatte, so vom Werk U. der Gesellschaft X. Hierüber machte er Anspielungen zu
Dritten wie Stadtpräsident M. und Nationalrat L., indem er bemerkte, dass
Escher «keine weisse Weste» habe. Von diesem Wissen gedachte Ehrat für seine
Zwecke Gebrauch zu machen, da er Escher als den Hauptverantwortlichen für die
vom Verbandsvorstand getroffenen Massnahmen betrachtete.
Wie im Antwortschreiben vom 2. Mai 1942 in Aussicht gestellt, zog Ehrat einen
Anwalt bei. Zuerst wandte er sich an den befreundeten Fürsprech Dr. 5., den er
über seine Kenntnisse und Absichten vollständig unterrichtete. Dr. S. lehnte
das Mandat ab, riet Ehrat zur Mässigung und warnte ihn, weil seine Forderungen
hart an eine Erpressung grenzten. Daraufhin beauftragte Ehrat mit der
Vertretung Rechtsanwalt Dr. O. Die diesem erteilten Instruktionen (inhaltlich
übereinstimmend mit den zuvor dem Dr. S. gegebenen Informationen) sind
niedergelegt in verschiedenen, teils von Ehrat selber, teils von Dr. O.
geschriebenen Notizen. Eine erste Notiz ist betitelt mit Instruktion Ehrats i.
S. Verband Schweizerischer Gaswerke». Sie

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zerfällt in drei Abschnitte. Ziff. 1 «Tatbestand» verweist auf die Akten und
Korrespondenzen. Unter Ziff. 11 «Aufträge» sind verzeichnet:
A. Klage gegen den Verband auf
1. /2. Salär. und Provisionszahlung bis Ende September 1942, unbedingt.
3. Feststellung, dass Entlassung ungerechtfertigt, und Forderung einer
Genugtuung von Fr. 100,000.-.
4. Beibehaltung der Pension in dem Sinne, dass der Verband sämtliche
Leistungen bis zum Pensionierungsalter weiter zu erbringen hat, als ob die
ungerechtfertigte Entlassung unterblieben wäre.
B. Strafklage gegen Escher wegen passiver Bestechung.
C. Untersuchungsbegehren gegen Y. wegen Benachteiligung eines Gemeinwesens und
einer A. .G.
D. Nach Durchführung von 13 und e: Verlangen einer ausserordentlichen
Generalversammlung des Gaswerkverbandes Bekanntgabe der Resultate aus 13 und e
Begehren auf Rehabilitation Ehrats, insbesondere auch in Sachen Stiag und
Reederei.
Ziff. III «Vergleichstendenz» ist versehen mit dem Vermerk «unwahrscheinlich»
und nennt als «mögliche Alternativen»:
A. Aufhebung der Entlassungsbeschlüsse und Entschuldigung des Vorstandes
gegenüber Ehrat.
B. Beibehaltung der Entlassungsbeschlüsse unter Zahlung einer Abfindungssumme
«beispielsweise für den grossen Erfolg in der Angelegenheit des italienischen
Transportverbandes» Rehabilitation nach aussen gegenüber Stiag und Reederei.
Versprechen der Gegenpartei, Ehrat künftig nicht nur nicht mehr anzugreifen,
sondern zumindest bei den Nebenorganisationen zu unterstützen.
Die Notizen «Forderungen gegenüber Y.» und «Bedingungen an E.», beide
unterbaut mit Angaben über «Verfehlungen», enthalten Begehren, die im
wesentlichen gerichtet sind auf Rücktritte des Y. und Eschers aus ihren
Stellungen bei den verschiedenen Organisationen, auf Rückgängigmachung der
Kündigung an Ehrat und auf Erhalt einer Loyalitätserklärung gegenüber der
Direktion.
Schliesslich gelten zwei Notizen «Gedanken zu einem Briefe an Herrn Y.» und
«Gedankengang für die vorgeschlagene Unterredung mit Herrn Y. den ersten
Schritten

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zur praktischen Durchführung des geplanten Vorgehens. Darnach sollte Y. zu
einer mündlichen Besprechung eingeladen und ihm dann unter Vorhalt seiner
Verfehlungen sowie eventuell mit dem vertraulichen Hinweis auf eine in
Aussicht genommene Unterredung mit Escher begreiflich gemacht werden, dass
Ehrat «das ihm angetane Unrecht» nicht auf sich sitzen lassen werde, «nachdem
führende Männer der Gasindustrie sich Verstösse gegen die Gesetze und
Amtspflichten haben zuschulden kommen lassen».
Schon vor dem Beizug des Dr. O. hatte Ehrat am 25. April 1942 an Y.
schriftlich gewisse Fragen gestellt und ihm eine persönliche Aussprache
vorgeschlagen, welche er jedoch nach Empfang des Verbandsbriefes mit dein
Büroverbot selber wieder absagte. Mit Brief vom 11. Mai 1942 wies Y. die
Insinuationen Ehrats zurück. Gleichfalls am 11. Mai 1942 erliess Dr. O.
seinerseits das vorgesehene Schreiben an Y. Darin sprach er zunächst von den
ihm erteilten Anwaltsmandaten; von der «persönlichen Abrechnung», für welche
er die Unterlagen in Händen habe; von der vernichtenden Wirkung einer
restlosen Abwicklung seiner Aufträge sowohl für Ehrat als auch für Escher und
Y.; um dann anschliessend unter Ansetzung einer Erklärungsfrist verbunden mit
der Androhung, die Handlungsfreiheit voll zurückzunehmen, eine Besprechung zum
Zwecke gütlicher Einigung vorzuschlagen. Mit zwei weiteren Briefen vom 15. Mai
1942 an Escher zu Handen des Gaswerkverbandes und an Y. beantwortete Dr. O.
die Ehrat zugekommenen Schreiben des Verbandes vom 5. Mai und des Y. vom 11.
Mai 1942. Vom Verband wird der Verzicht auf die Versendung des Zirkulars und
auf die Löschung der Unterschrift verlangt ferner werden «unbedingte»
Ansprüche auf Salär und Provisionen während der Kündigungszeit und auf
Pensionsberechtigung, ausserdem ein Anspruch auf Genugtuung angemeldet, und es
wird um Unterbreitung eines Vorschlages ersucht, bei dem «sowohl die
vertraglichen wie die moralischen Rechte» Ehrats

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berücksichtigt sind. An Y. wird das Einverständnis mit einer Verschiebung der
persönlichen Unterredung mitgeteilt und im übrigen dem Inhalte nach das
vorangegangene Schreiben des Dr. O. vom 11. Mai 1942 bestätigt.
D. - Mittlerweile hatte Escher auf verschiedene Weise (aus Andeutungen des
Stadtpräsidenten M. zu Anfang Mai aus vertraulichen Mitteilungen des Dr. J.,
welchen Dr. O. über seine Anwaltsmandate orientiert hatte; aus den an Y.
gerichteten Briefen, von den Absichten Ehrats Kenntnis erlangt und war darob
sehr beunruhigt. Deswegen sprach er am 15. Mai 1942 bei R., dem früheren
Direktor des Werkes U., vor und überbrachte diesem am 17. Mai 1942 Fr.
25,000.-, auf welchen Betrag er die im Laufe der Jahre erhaltenen
Schmiergelder schätzte. R. lehnte zwar die Rücknahme der Summe ab, fand sich
aber bereit, sie treuhänderisch zu verwahren. Vorher hatte er bereits die
Gesellschaft X. verständigt, die ihrerseits aus Angst, blossgestellt zu
werden, Fürsprech Dr. S. bat, eine Vermittlung zwischen Ehrat und dem
Gaswerkverband anzubahnen.
Derart wurde Dr. 5., von anderer Seite, zum zweiten Mal mit der Angelegenheit
befasst. Er wandte sich telephonisch an Ehrat, um die äussersten
Vergleichsbedingungen zu erfahren, und legte dessen «minimale Forderungen»
schriftlich nieder wie folgt:
1. Zahlung des Gehaltes und der Provisionen nach Vertrag bis Ende September
1942.
2. Zahlung einer Genugtuungssumme in der Höhe von Fr. 50,000.-.
3.
a) Rücktritt Eschers als Verwaltungsrat und Delegationsmitglied der Reederei
A.-G.
b) Rücktritt Eschers als Verwaltungsrat und Delegationsmitglied der Stiag.
4. Der Gaswerkverband sorgt dafür, dass Ehrat
a) Verwaltungsrat und Delegationsmitglied der Stiag,
b) Verwaltungsrat der Reederei bleibt.
5. Der Gaswerkverband übernimmt zu seinen Lasten anstelle Ehrats von heute an
die Einzahlungen an die Pensionskasse, damit Ehrat vom Momente der
Pensionsfähigkeit hinweg seine Pension beziehen kann.
Beigefügt war, dass Ehrat sich weitere Forderungen und Ansprüche vorbehalte
für den Fall, dass die vorstehenden

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Bedingungen vom Gaswerkverband nicht innert kürzester Frist angenommen wurden.
R. setzte sich gleichzeitig mit Escher in Verbindung. Er machte darauf
aufmerksam, dass Ehrat «scharf» gegen ihn vorzugehen gedenke, fragte, ob
Escher mit der Vermittlung durch Dr. S. einverstanden sei und lud ihn zu einer
Zusammenkunft ein, die am Abend des 18. Mai 1942 stattfand. Daran nahmen Dr.
5., Escher und R. teil. Dr. S. legte die Vergleichsbedingungen Ehrats vor.
Dazu erklärte er, Ehrat wisse, dass Escher sich habe schmieren lassen, und
wolle Strafanzeige erstatten, wenn die Kündigung nicht zurückgenommen werde;
anderseits könnte X. natürlich nicht schweigen, sondern müsste die
Schmiergeldsache bestätigen. Escher erhob Einwendungen und versuchte
insbesondere, eine Milderung inbezug auf Bedingung 3 zu erreichen, nahm aber
schliesslich die Forderungen Ehrats an.
Dieses von Dr. S. am folgenden Tage, dem 19. Mai 1942, sowohl an X. wie an Dr.
O. übermittelte Ergebnis bildete die Grundlage für alle weiteren Vorgänge. Dr.
O. war damit der Notwendigkeit enthoben, im Sinne der erhaltenen Instruktionen
persönlich an Escher heranzutreten. Für Escher aber ging es nunmehr darum, den
Verband für die Erfüllung der Forderungen Ehrats zu gewinnen.
E. - Zunächst verfasste Escher zu Händen von Stadtrat N. einen vom 19. Mai
1942 datierten Bericht, in welchem er u.a. eine vergleichsweise Beilegung der
Differenzen mit Ehrat in Aussicht stellte. Sodann fuhr Escher am 19. Mai 1942
zu Z., welcher sich telephonisch mit Dr. S. besprach. Dieser berief sich auf
seine Vermittlerrolle, setzte den Standpunkt Ehrats auseinander und machte
darauf aufmerksam, dass es Eschers wegen einen grossen Skandal gebe, wenn der
Verband nicht Hand biete zu einer gütlichen Einigung. Z. erbat sich Bedenkzeit
und erklärte sich bereit, die Sache der Verbandsdelegation zu unterbreiten.
Dr. S. seinerseits orientierte sofort Dr. O. über das

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Gespräch mit Z. Am 20. Mai 1942 trat die Vorstandsdelegation zusammen. Escher
gestand seine Verfehlungen ein und berichtete über den Verlauf der Unterredung
mit Dr. 5., über die Mindest-Bedingungen Ehrats sowie über deren Annahme durch
ihn. Es wurde beschlossen, sich auf Verhandlungen mit Ehrat einzulassen und
Dr. P. als Anwalt beizuziehen. Nachdem ebenfalls am 20. Mai 1942 auch noch
eine Besprechung des Dr. O. mit Y. stattgefunden hatte, kam es in der Folge
bei wechselnder Beteiligung der Anwälte und der Delegationsmitglieder zu einer
Reihe von Konferenzen am 26. und am 30. Mai sowie, in Anwesenheit Ehrats, am
3. Juni 1942.
Auf Seite der Mitglieder der Delegation herrschte, gestützt auf eine eigens
eingeholte juristische Meinungsäusserung, die Ansicht vor, dass Ehrat keine
Rechtsansprüche habe, welche Auffassung auch Dr. P. teilte. Nichtsdestoweniger
bestand die Bereitschaft, Escher wenn möglich nicht fallen zu lassen. Dabei
wurde aber im vorneherein eine unveränderte Annahme der Minimalbedingungen
Ehrats abgelehnt. Diesen Standpunkt hatte Z. schon in der ersten Besprechung
vom 19. Mai 1942 eingenommen. Die Delegation hielt daran grundsätzlich fest.
Es wurden namentlich die Bedingung 3 als unmöglich und die
Genugtuungsforderung von Fr. 50,000.- als übersetzt betrachtet. Z. und Y.
erklärten, dass sie dem Verband eine Zahlung von mehr als Fr. 30,000. nicht
zumuten könnten. Ehrat seinerseits verzichtete zwar im Laufe der Verhandlungen
auf die Bedingung 3. Das bestätigte Dr. O. in einem Schreiben an Dr. P. vom
27. Mai 1942. Dagegen beharrte Ehrat auf der Forderung von Fr. 50,000.-, und
Dr. O. pflegte im Zusammenhang damit bei den Unterredungen immer wieder auf
seine Anwaltsmandate hinzuweisen. Anlässlich der Konferenz vom 26. Mai 1942
regte daher Dr. P. an, dass Escher persönlich etwas beitrage, wobei er
ersichtlich an die bei R. liegenden Schmiergelder dachte. Diesen Vorschlag
lehnte Dr. O., nach Rücksprache mit Dr. S. und Ehrat, im erwähnten Schreiben
vom 27. Mai 1942 ab,

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bemerkte aber, Ehrat habe .selbstverständlich nichts dagegen einzuwenden, wenn
der Verband, der als verpflichtet aufzutreten habe. sich intern mit Escher
verständige. Dr. O. äusserte sich auch zu allen anderen Punkten, machte
Empfehlungen für die formale Erledigung (Zahlung der Genugtuung unter dem
Titel verlängerten Salär- und Provisionsbezuges bis zum Gesamtbetrage von Fr.
50,000.- zuzüglich Anwaltskosten) und schrieb zum Schluss: «Nachdem wir zum
mindesten materielle Differenzen gegenüber der gestrigen Besprechung nicht
mehr haben, sollte es Ihnen möglich sein, auch den internen Weg für Ihre
Partei bezüglich Punkt 2 zu finden. e Die Form eines Vergleiches zu suchen,
war Hauptzweck der Konferenz unter den Anwälten vom 30. Mai 1942. Insofern
wurde denn auch eine grundsätzliche Einigung erzielt. Jedoch bestand, entgegen
der von Dr. O. bekundeten Meinung, über die Höhe der Vergleichssumme noch
immer eine materielle Differenz, die vorerst offen blieb. Nach der Konferenz
formulierte Dr. O. Entwürfe für die schriftliche Fixierung der «unter
Ratifikationsvorbehalt» getroffenen Abmachungen, bestehend in drei
Schriftstücken, nämlich:
a) dem «eigentliche Vergleichsinstrument», in welchem anstelle der Entlassung
und Sanktionierung die freundschaftliche Beendigung des Dienstverhältnisses
auf den 30. September 1942 vereinbart und Ehrat in Anerkennung seiner
langjährigen Dienste die Weiterzahlung des Gehaltes und der Provisionen für
ein halbes Jahr nach Austritt, d.h. bis 31. März 1943, zugesichert wurde;
b) einem «offiziellen Begleitschreiben e des Dr. O. an Dr. P., das als
ergänzende Nebenbestimmungen» den Verzicht Ehrats auf weitere Ansprüche und
eine Bestätigung für die gegenseitige Verpflichtung enthielt, über die
Angelegenheit gegenüber Dritten nur die notwendigen Angaben zu machen und
alles zu unterlassen, was den anderen Teil schädigen könnte;

Seite: 357
c) einem «offiziellen Begleitschreiben» des Dr. P. an Dr. 0., mit dem der
unterzeichnete Vergleich zurückzuschicken, die Zustimmung zu den «ergänzenden
Nebenbestimmungen» zu erklären und weiter zu sagen war: «Gleichzeitig
bestätige ich Ihnen, dass die beidseitige Meinung über die Auswirkung der
Gehalts-Zahlungen nach Art. 2 des Vergleiches dahingeht, dass Herr Dir. Ehrat
daraus eine Art Abfindung im Betrage von Fr. 50,000., zuzüglich Fr.... als
unser Beitrag an die Anwaltskosten erhalten soll sollte dieser Betrag nicht
erreicht werden, so verpflichte ich mich, ihm die Differenz nachzuzahlen. a
Da indessen die vorweggenommene beidseitige Meinung in Wirklichkeit noch nicht
bestand, kam es zur letzten Konferenz vom 3. Juni 1942. Dort wurde
entschieden, dass Escher sich mittels der an R. zurückgebrachten Schmiergelder
an der Aufbringung der Vergleichssumme im Umfange der Differenz zwischen dem
Angebot der Delegation und der Forderung Ehrats beteilige. Dr. P. fertigte zu
Handen des Dr. O. neue Vergleichsentwürfe an. Das «eigentliche
Vergleichsinstrument» stimmte, abgesehen von einigen einverständlich
vorgenommenen Kürzungen, inhaltlich mit dem Entwurf des Dr. O. überein, nur
dass der Gehaltsnachgenuss statt für 6 Monate bis Ende des Jahres 1942 gewährt
wurde. Im a offiziellen Begleitschreiben» legte Dr. P. in genauer Präzisierung
von Ziff. 2 des Vergleiches fest, dass der Gehaltsnachgenuss Fr. 30,000.-
nicht übersteigen solle; ferner wurden darin die Unterstützung einer
Wiederwahl Ehrats als Vorstandsmitglied der Reederei und der Stiag zugesagt
und in kürzerer Fassung das gegenseitige Schweigeversprechen aufgenommen.
Dieses Schreiben war als integrierender Bestandteil des Vergleiches gedacht.
Endlich wurde im Entwurf zu einem als a Nachtrag a bezeichneten Schreiben von
Dr. P. bestätigt, Ehrat werde ausser dem Gehaltsnachgenuss von Fr. 30,000. ein
Betrag von Fr. 20,000.- plus Fr. 2000.-

Seite: 358
Beitrag an die Anwaltskosten vergütet, wofür er, Dr. P., die persönliche
Garantie übernehme. Beide Anwälte brachten die Entwürfe mit Erläuterungen
ihren Klienten zur Kenntnis, wobei Dr. P. ausbedang, dass natürlich die
zusätzliche Abfindungssumme, bevor er den Nachtragsbrief unterzeichne, bei ihm
deponiert werden müsse.
F. - Am 9. Juni 1942 fand die Sitzung des Gesamtvorstandes des
Gaswerkverbandes statt, in welcher die «Angelegenheit Ehrat» erledigt wurde.
Als Präsident führte Escher aus: Nach langwierigen Verhandlungen sei die
folgende Vereinbarung mit Ehrat zustande gekommen:
1. Ehrat bezieht Gehalt und Provisionen bis Ende 1942.
2. Ehrat bleibt Mitglied der Pensionskasse bis zu seinem 65. Altersjahr.
3. /4. Der Verband ist einverstanden, dass Ehrat Mitglied der Verwaltungsräte
der Reederei und der Stiag bleibt.
5. Im Jahresbericht wird mitgeteilt, das Ausscheiden Ehrats nach Erreichung
des 60. Altersjahres sei auf Grund einer freundschaftlichen Vereinbarung
eingetreten.
Diese Vorschläge wurden diskutiert. Z. und Y. betonten, dass die Kündigung
rechtlich zulässig gewesen, aber unzweckmässig vorgenommen worden sei und dass
sofortige Verhandlungen besser zum Ziel geführt hätten. Der Vorstand
genehmigte bei einer Enthaltung mit allen anderen Stimmen den Antrag der
Delegation, «den Vergleich mit Herrn Ehrat abzuschliessen». Die im Begleit-
und Nachtragsschreiben enthaltenen Präzisierungen, auch die an Ehrat zu
zahlende Totalsumme, waren dem Vorstand nicht bekannt gegeben worden.
Escher holte persönlich bei R. die Fr. 25,000.- ab und überbrachte sie Dr. P.
Nach Mitte Juni 1942 lagen die bereinigten Vergleichsdokumente zur
Unterschrift bereit. Der eigentliche Vergleich und das offizielle
Begleitschreiben des Dr. P. wurden mit Datum vom 9. Juni, des
Nachtragsschreiben des Dr. P. mit Datum vom 18. Juni 1942

Seite: 359
versehen. Die Dokumente wurden von den Anwälten namens ihrer Parteien
unterzeichnet und ausgetauscht.
Am 25. Juni 1942 entrichtete der Gaswerkverband die Pensionskassenbeiträge für
Ehrat als einmalige Vorauszahlung im Betrage von Fr. 6183. - Ende Juli 1942
überwies sodann Dr. P. an Ehrat die Fr. 22,000.-. Dagegen bezahlte der Verband
die restlichen, als Gehaltsnachgenuss bis Ende September 1942 bezeichneten Fr.
30,000.- nicht. Im September 1942 wurde nämlich Escher auf Anzeige des Zürcher
Stadtrates hin in Strafuntersuchung gezogen und verhaftet (was am 14. Mai 1943
zur Verurteilung und bedingten Bestrafung mit 3 Monaten Gefängnis wegen
wiederholter Annahme von Geschenken im Sinne von Art. 316
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
StGB führte). Mit
Schreiben vom 18. November 1942 erklärte Dr. P. im Namen des Gaswerkverbandes
den Vergleich als unverbindlich bzw. ungültig mit der Begründung, dass die
Vertragsgrundlage, d. h. die Rettung Eschers, durch dessen Verhaftung
dahingefallen sei; dass die Abmachung unter unzulässigem Zwang, bewirkt mit
der angedrohten Verzeigung Eschers, zustandegekommen sei; und dass die
versprochenen Zahlungen ein Schweigegeld darstellen, weshalb die Vereinbarung
rechts- und sittenwidrigen Inhalt habe. Escher für seinen Teil liess Ehrat
durch Schreiben vom 10. Mai 1943 wissen, dass er die Abrede, auf Grund welcher
er Fr. 22,000.- bezahlt habe, wegen Irrtums, Täuschung und Furcht nicht halte
und die Summe zurückfordere.
G. - Aus dieser Entwicklung entstanden zwei Prozesse.
Ehrat belangte beim Zürcher Bezirksgericht den Gaswerkverband auf Zahlung der
ausstehenden Fr. 30,000.- nebst 5 % Zins ab 1. März 1943, wogegen der Verband
widerklageweise die erlegten Prämien in die Pensionskasse von Fr. 6183.- mit
Zins zurückforderte. Durch Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 12. Juli
1946 wurde die Klage Ehrats geschützt und die Widerklage des Verbandes
abgewiesen.
Escher erhob beim Bezirksgericht Horgen gegen Ehrat

Seite: 360
Klage auf Erstattung der Fr. 22,000.- nebst 5 0/o Zins seit dem 17. Mai 1943
und Fr. 6.70 Betreibungskosten. Das Bezirksgericht Horgen hiess den Anspruch
mit Urteil vom 20. Mai 1949 gut.
H. - Die bezirksgerichtlichen Entscheide wurden je von der unterlegenen Partei
an das Obergericht des Kantons Zürich gezogen, welches beide Verfahren
vereinigte und am 18. April 1950 die Klage Ehrats gegen den Verband, die
Widerklage des Verbandes gegen Ehrat und die Klage Eschers gegen Ehrat abwies.
I. - Escher sowohl wie Ehrat legten Berufungen an das Bundesgericht ein, wobei
von Ehrat die Gutheissung der Klage gegen den Verband, von Escher die
Gutheissung der Klage gegen Ehrat verlangt wird. Des Gaswerkverband schloss
sich der Berufung Ehrats an, liess diese Vorkehr aber wieder fallen und
beschränkte sich, gleich wie Ehrat gegenüber der Berufung Eschers, auf den
Antrag, das Obergerichtliche Urteil sei zu bestätigen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1./2. - ...
3.- Vorweg ist zu überprüfen, 01) die Vereinbarungen zugunsten Ehrats ein
einziges Rechtsgeschäft bilden oder ob zwei Verträge in einer Abmachung
zusammengefasst worden sind, d. h. ob der Verband die Verpflichtung für den
Totalbetrag von Fr. 52,000.- übernahm oder ob er nur Fr. 30,000. zu zahlen
versprach und Esc her daneben die Zahlung weiterer Fr. 22,000.- zusicherte.
Das Bezirksgericht Horgen hat auf Grund sorgfältiger Beweiswürdigung gefunden,
dass Escher in bezug auf die Fr. 22,000.- als vertragschliessende Partei
anzusehen sei. Dieser Auffassung ist beizutreten.
Gewiss lautet der Vergleich dahin, dass der Verband dem ausscheidenden Ehrat
«in Würdigung seiner langjährigen Dienste den Nachgenuss des Gehaltes der
vertraglichen Saläre und Provisionen bis Ende des Jahres» gewähre. Indessen
konnten die auf die zeitliche Dauer von drei

Seite: 361
Monaten begrenzten Leistungen selbst dann, wenn man auf das im Jahre 1941
erreichte Einkommen Ehrats von rund Fr. 88,000. abstellt, höchstens Fr.
22,000.- ausmachen. Im offiziellen Begleitschreiben des Dr. P. ist präzisiert,
dass der Gehaltsnachgenuss die Summe von Fr. 30,000.- nicht übersteigen solle.
Und in allen vorangegangenen Verhandlungen hatten die Vertreter des Verbandes
abgelehnt, mehr zu bezahlen. Wenn trotzdem im Nachtragsschreiben des Dr. P.
unter dem Titel einer Verbandsverpflichtung die Ergänzung des als
Gehaltsnachgenuss zu vergütenden Betrages von Fr. 30,000.- auf Fr. 50,000.-
plus Fr. 2000. Beitrag an die Anwaltskosten bestätigt wird, so handelt es sich
um eine Simulation. Entscheidend ist der wirkliche Wille. Er ging seitens der
Verbandsvertreter nie auf Bezahlung einer höhern Summe als Fr. 30,000.-. Die
restlichen Fr. 22,000. mussten daher, wie allen Beteiligten klar war,
anderweitig aufgebracht werden, und zwar ungeachtet seiner persönlichen
Garantie nicht von Dr. P., sondern von Escher. Ehrat und sein Anwalt haben am
26. und 27. Mai 1942 allerdings mündlich und schriftlich abgelehnt, einen Teil
der Abfindung von Escher direkt zu beziehen. Jedoch erklärten sie
ausdrücklich, nichts dagegen zu haben, dass der Verband intern Escher belaste.
Dem fügten sie sogar bei, ein derartiger Rückgriff sei insofern begründet, als
schliesslich Escher den Verband in die damalige Lage gebracht habe, und es
könne durch den Verband auch der Ersatz für die Anwaltskosten «intern ohne
weiteres vom schuld haften Escher bezogen werden». Anlässlich der Konferenz
vom 3. Juni kam man dann nach den Feststellungen des Bezirksgerichtes Horgen
ohne viele Worte überein, die offene Differenz von Fr. 22,000.- aus den von
Escher an R. übergebenen Schmiergeldern zu decken. Es wurde also mit Wissen
und unter Mitwirkung des anwesenden Ehrat gerade jene Lösung gewählt, die Dr.
P. schon am 26. Mai 1942 vorgeschlagen hatte. Das veranlasste Dr. P. zu der
Bemerkung, es komme nun Ehrat in den Besitz des Schmiergeldes.

Seite: 362
So verhielt es sich in der Tat. Denn Dr. P. bezahlte die Fr. 22,000. aus der
bei R. hinterlegt gewesenen, durch Escher dort abgeholten und persönlich
überbrachten Summe. Schon darnach stellten diese Fr. 22,000.- einen separaten
Posten dar. Entsprechend wurden sie auch behandelt, indem Dr. P. den Betrag,
nachdem er ihn bereits empfangen hatte, gesondert und unter seiner Garantie in
einem Nachtragsschreiben vom 18. Juni 1942 zusagte. Somit liegt bezüglich der
Fr. 22,000.- tatsächlich wie formal eine Spezialvereinbarung vor, die in
Wirklichkeit nicht der Verband, sondern Escher abschloss. Mit übernommen war
dabei nach der ganzen Sachlage die im offiziellen Begleitschreiben des Dr. P.
vom 9. Juni 1942 festgehaltene Verpflichtung, über den Konflikt und seine
Behebung gegenüber Drittpersonen nur die absolut notwendigen Angaben zu machen
und alles zu unterlassen, was den Vergleichspartnern schaden könnte, da dies,
wie eigens betont, "vor allem zwischen Herrn Dir. Ehrat und Herrn Dir. Escher"
Geltung haben sollte.
Schliesst der Vergleich vom 9.715. Juni 1942 zwei Vereinbarungen ein, von
denen die eine durch den Verband, die andere durch Escher mit Ehrat getroffen
wurde, so brauchen diese nicht notwendigerweise das gleiche rechtliche
Schicksal zu teilen. Möglich wäre vielmehr, dass nur der eine Vertrag
unsittlich ist und der andere nicht, oder dass beide aber aus verschiedenem
Rechtsgründe unwirksam sind. Daher müssen die Verträge zunächst getrennt
betrachtet werden. Ob sie irgendwie von einander abhängig sind, ist nur
abzuklären, wenn deren rechtliche Beurteilung das verlangt.
4.- Die Vereinbarung Gaswerkverband-Ehrat.
a) Das Zahlungsversprechen, welches Ehrat sich vom Verbande geben liess und
dessen Erfüllung er mit der Klage begehrt, wurde durch die Vorinstanz als
Schweigegeldvertrag qualifiziert und wegen Verstosses gegen die guten Sitten
gemäss Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR als nichtig erklärt. Eine derartige Abrede würde indessen
den beidseitigen

Seite: 363
übereinstimmenden Willen voraussetzen, dass die eine Partei eine
Schweigepflicht zu übernehmen und die andere als Entgelt dafür eine
Geldleistung zu erbringen habe. Daran gebricht es hier.
Schon auf Seite Ehrats ist ein dahingehender Vertragswille auszuschliessen.
Von allem Anfang an und bis zum Schluss der Verhandlungen erstrebte Ehrat
(neben der Beibehaltung seiner Verwaltungsratsmandate bei der Stiag und der
Reederei) für den äussersten Fall, dass es bei der Kündigung bleibe, vom
Verband eine Schadenersatz- und Genugtuungssumme oder einen Abfindungsbetrag
mit der Funktion einer Genugtuung. Das war sein Ziel und nur um es zu
erreichen hat er sein Wissen um die Verfehlungen Eschers ausgenützt. Da die
Delegationsmitglieder glaubten, die Zahlung einer Genugtuungssumme beim
Verbandsvorstand nicht durchsetzen zu können, wurde die ausbedungene
Geldleistung als ein in Würdigung langjähriger Dienste zu gewährender
Gehaltsnachgenuss bezeichnet. Ehrat war einverstanden, weil auch hierin eine
Genugtuung lag und weil zugleich die ausgesprochene Entlassung und
Sanktionierung durch eine freundschaftlich vereinbarte Beendigung des
Anstellungsverhältnisses ersetzt wurde. Dieses Ergebnis entsprach im
wesentlichen dem, was Ehrat sich vorgestellt hatte. Schweigegeld als solches
wollte er vom Verband nie verlangen noch entgegennehmen. Wohl wurde in das
offizielle Begleitschreiben des Dr. P. an Dr. O. eine Schweigeerklärung
aufgenommen. Zum Gegenstand hatte sie zweifellos die Unterlassung einer
Verzeigung Eschers, ausserdem aber die im Interesse aller Beteiligten gelegene
Unterlassung jeder weiteren Erörterung des gesamten Konfliktes und seiner
Behebung. Letzteres galt für beide Teile und mit ausdrücklicher Ausdehnung auf
Escher. So wie die Dinge lagen, konnte das gegenseitige Schweigeabkommen für
Ehrat höchstens eine Nebenverpflichtung bringen, im Sinne einer Konsequenz aus
der erreichten Verständigung. Selbst wenn man annimmt, Ehrat habe sich sagen
müssen, der Verzicht

Seite: 364
auf die Verzeigung Eschers sei der Gegenpartei wichtig und für die Zusicherung
der Geldleistung mitbestimmend gewesen, so bleibt nichtsdestoweniger die
Tatsache bestehen, dass es ihm nicht darum ging, sich vom Verband für sein
Schweigen bezahlen zu lassen, sondern darum, eine geldliche Genugtuung für die
als Unbill empfundene Kündigung zu erhalten.
Genugtuungsleistung war die Zahlung aber auch vom Standpunkt des Verbandes
aus. Die Mehrheit des Vorstandes, nämlich 5 von 11 Mitgliedern, wusste weder
von den Drohungen Ehrats gegenüber Escher noch von der Schweigeerklärung.
Hierüber liessen die Mitglieder des Ausschusses nichts verlauten. Der Wille
des Vorstandes bei der Beschlussfassung war auf das gerichtet, was den Inhalt
des eigentlichen Vergleichsdokumentes bildet, d. h. die freundschaftliche
Beendigung des Anstellungsverhältnisses anstelle der Kündigung bei voll
honorierter Beurlaubung Ehrats bis zum Vertragsablauf; die Gewährung des
Nachgenusses der vertraglichen Bezüge an Ehrat «in Würdigung seiner
langjährigen Dienste» die Aufrechterhaltung der Pensionsversicherung. Allein
die von Z. und Y. in der Beratung hervorgehobene «unzweckmässige Durchführung»
einer an sich zulässigen Kündigung hätte nach der allgemeinen Lebenserfahrung
sicherlich nicht genügt, um so weitgehende Zugeständnisse an den entlassenen
Direktor zu rechtfertigen. Massgebend dafür konnte nur sein, was im Vergleich
steht, nämlich die Würdigung der langjährigen Dienste Ehrats, die ja
tatsächlich wertvoll gewesen und zuvor schon wiederholt mündlich und
schriftlich anerkannt worden waren. Hätten die 7 Vorstandsmitglieder, die mit
den 3 Mitgliedern des Ausschusses die vergleichsweise Abfindung Ehrats gut
hiessen, die zu erbringenden Leistungen nicht als billig und geschäftlich
vertretbar erachtet, so würden sie sich dazu nicht herbeigelassen haben. Denn
die Vorschläge des Ausschusses wurden nicht etwa einfach hingenommen, sondern
laut Protokoll eingehend diskutiert. Es ist mithin so, dass der

Seite: 365
Vorstand nicht nur kein Schweigegeld zahlen wollte, weil ihm jeder Gedanke
daran mangels Kenntnis der Zusammenhänge fernlag, sondern dass er sich aus
einem anderen, positiven und rechtlich statthaften Grunde zur Annahme des
Vergleiches bereit erklärte.
Im Gegensatz zum Bezirksgericht hat das Obergericht gefunden, weil im
Vergleich für Ehrat das Gebot des Schweigens über die Verfehlungen Eschers
eingeschlossen sei, liege eine unsittliche und deshalb nichtige Abmachung vor,
«auch wenn der Vorstand des Gaswerkverbandes in seiner Gesamtheit die Motive
und Hintergründe, welche den Ausschuss des Vorstandes zu der Antragstellung
auf Genehmigung der Vereinbarung veranlassten, nicht kannte». Begründet wird
diese Auffassung allerdings nicht, und es ist nicht zu ersehen, auf welche
Überlegungen sie sich überhaupt stützen liesse. Unhaltbar wäre insbesondere
die Annahme, der Vorstand habe ein Schweigegeld gewährt, weil 3 seiner
Mitglieder um die Drohungen Ehrats gewusst und dessen Schweigen durch den
Vergleich hätten erkaufen wollen. Der Wunsch, Ehrat zum Schweigen zu bringen
und dadurch Escher zu helfen, mag für diesen und die beiden anderen Mitglieder
des Ausschusses der Beweggrund gewesen sein, dem Vorstand den Vergleich
empfehlend zu unterbreiten. Solche Gedankengänge blieben jedoch den 8 übrigen
Mitgliedern des Vorstandes verborgen. Das blosse Motiv einer
Vorstandsminderheit oder eines einzelnen Antragstellers, zumal wenn es geheim
gehalten wird, ändert nichts am Charakter des aus anderem Grund gefassten
Mehrheitsbeschlusses. Denn hierfür bestimmend ist nicht das ungeäusserte
Wissen der Minderheit, sondern der wirkliche Wille der Mehrheit. Es ginge
geradezu gegen Treu und Glauben, aus gewissen Mentalreservationen eines
einzelnen Vorstandsmitgliedes oder einer antragstellenden Minderheitsgruppe
abzuleiten, die eingegangene Verpflichtung verletze die guten Sitten, weil sie
- der massgebenden Mehrheit des Vorstandes absolut unbewusst - auch noch die
Nebenwirkung zeitigt, den Berechtigten zum Schweigen

Seite: 366
über eine peinliche Angelegenheit zu gewinnen. Worauf der Mehrheitswille
gerichtet war, wurde bereits dargetan. Hervorzuheben ist nur noch, dass die
Beschlussfassung des Vorstandes sich keineswegs in der blossen Genehmigung
eines von der Delegation bereits abgeschlossenen Vergleiches erschöpfte, wie
die Vorinstanz wiederholt unterstellt. Die Delegation hatte keine Vollmacht zu
selbständigem Handeln, und sie hatte sich eine solche auch gar nicht
angemasst. Vielmehr beschränkte sie sich auf einen Antrag, den von ihr
vorbereiteten «Vergleich mit Herrn Ehrat abzuschliessen». Entscheidend und
rechtsverbindlich war erst die Willensäusserung des Vorstandes.
Zusammenfassend ist nach dem Gesagten festzuhalten, dass die Vereinbarung
zwischen dem Verband und Ehrat sich nicht als Schweigegeldvertrag darstellt
und dass sie daher unter dem Gesichtspunkte von Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR Bestand hat.
b) Alsdann bleibt zu untersuchen, ob der Vertrag für den Verband deshalb
unverbindlich sei, weil er gemäss Art. 29
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 29 - 1 Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
1    Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
2    Ist die Drohung von einem Dritten ausgegangen, so hat, wo es der Billigkeit entspricht, der Bedrohte, der den Vertrag nicht halten will, dem anderen, wenn dieser die Drohung weder gekannt hat noch hätte kennen sollen, Entschädigung zu leisten.
/30
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 30 - 1 Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
1    Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
2    Die Furcht vor der Geltendmachung eines Rechtes wird nur dann berücksichtigt, wenn die Notlage des Bedrohten benutzt worden ist, um ihm die Einräumung übermässiger Vorteile abzunötigen.
OR unter dem Einfluss
widerrechtlich erregter gegründeter Furcht eingegangen wurde.
Mit dem Bezirksgericht Horgen und mit der Vorinstanz ist davon auszugehen,
dass gegenüber Escher eine Drohung im Sinne der genannten Gesetzesbestimmungen
vorlag, für welche Ehrat zivilrechtlich die Verantwortung und die Folgen
trägt. Der Versuch Ehrats, das erneut zu bestreiten und der Vorinstanz in
verschiedenen Punkten offensichtliches Versehen oder Rechtsirrtum vorzuwerfen,
ist angesichts des im Tatbestand umschriebenen Sachverhaltes ein müssiges
Unterfangen. Es genügt, daran zu erinnern wie Ehrat zu mehreren
Persönlichkeiten von dem Manne sprach, der «keine weisse Weste» habe; wie er
seinen Anwalt instruierte; wie Dr. O. den Dr. J. unterrichtete; wie Y. mit
unmissverständlichen Hinweisen auf das gegen Escher geplante Vorgehen
bearbeitet wurde; und wie Dr. O. in den späteren Verhandlungen immer wieder
auf die erhaltenen Mandate anspielte. Dass Ehrat die Verzeigung

Seite: 367
beabsichtigte, steht fest. Dass alle von Ehrat und seinem Anwalt im
Verhandlungswege unternommenen Schritte, namentlich auch die Bekanntgabe der
Minimalbedingungen am 18. Mai 1942, unter dieser Drohung standen, ist ebenso
sicher. Es kam ja auch nicht von ungefähr, dass Dr. 5., der nach vollständiger
Orientierung die Übernahme des Mandates ablehnte, es für angebracht hielt,
Ehrat vor einer Erpressung zu warnen. Aus dem Verhalten Eschers erhellt, dass
die Drohung ihre Wirkung auf ihn nicht verfehlte. Für Ehrat und seinen Anwalt
war das leicht erkennbar und derart gewiss, dass sie selber gar nicht mehr
viel vorzukehren brauchten, sondern sich auf die Auswertung der Situation
beschränken konnten, welche durch die Vermittlungsaktion von X. entstanden
war. Es liegt geradezu auf der Hand, dass es die Drohung Ehrats war, welche
die Haltung Eschers vor, bei und nach der Konferenz vom 18. Mai 1942
bestimmte.
Auf die Folgen der Drohung für das Rechtsverhältnis zwischen Escher und Ehrat
wird zurückzukommen sein. Hier stellt sich die Frage, ob die vom Verband mit
Ehrat abgeschlossene Vereinbarung wegen jener Drohung unverbindlich sei. Die
Vorinstanz hat das mit Recht bejaht. Auch die juristische Person kann durch
Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bewogen werden.
Steht das kontrahierende (beschlussfassende) Organ selber und gesamthaft unter
dem Druck der Androhung eines der juristischen Person zugedachten Übels, so
ist das ohne weiteres klar. Denkbar ist aber auch, dass nicht das
beschlussfassende, sondern lediglich das antragstellende Organ um eine Drohung
weiss und deswegen anders handelt, als es das sonst getan hätte. Dann lässt
sich, wenn die entsprechende Durchsetzung einer zweckdienlichen Massnahme
gelingt, rein formell freilich sagen, das beschliessende Organ habe gar nicht
unter dem Einfluss der Drohung gestanden, so dass zwischen seiner
rechtsgeschäftlichen Erklärung und der Drohung der Kausalzusammenhang fehle.
Allein eine solche Argumentation geht

Seite: 368
am Kern der Sache vorbei und führt zu einer untragbaren Begünstigung des
Drohenden. Das lehrt in eindrücklicher Weise gerade der gegebene Fall. Es
wurde oben festgestellt, dass der Verbandsvorstand von der Drohung gegenüber
Escher nichts wusste und dass er den Vergleich so, wie er lautet,
abschliessen, insbesondere aus dem dort genannten Grunde die finanziellen
Leistungen an Ehrat zusichern wollte. Wesentlich und entscheidend für die
Beurteilung des Übereinkommens anhand der Art. 29
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 29 - 1 Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
1    Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
2    Ist die Drohung von einem Dritten ausgegangen, so hat, wo es der Billigkeit entspricht, der Bedrohte, der den Vertrag nicht halten will, dem anderen, wenn dieser die Drohung weder gekannt hat noch hätte kennen sollen, Entschädigung zu leisten.
,'30 OR ist indessen nicht,
dass jener Vertragswille vorhanden war, sondern wie er zustande kam. Denn
unverbindlich ist das aus gegründeter Furcht abgeschlossene Geschäft deshalb,
weil es auf eine unstatthafte, keinen Rechtsschutz verdienende Beeinflussung
der Willensbildung zurückgeht. Und ein derartiger Mangel bei der Bildung
seines Willens lag nun eben für den Verbandsvorstand in der Unkenntnis der
wahren Hintergründe des Vergleichsantrages, einer Unkenntnis, die verursacht
war durch das mit der Drohung einer Verzeigung Eschers von der Delegation
erwirkte Verschweigen. Dergestalt ist der Vorstand seinerseits, mittelbar und
unbewusst, der Drohung erlegen, was zeigt, dass man bei passender Sachlage mit
einer auf das antragstellende Organ ausgeübten Drohung genau dasselbe
erreichen kann, wie mit einer direkten Bedrohung des beschliessenden Organs.
Es ist darum bei einer juristischen Person gegründete Furcht im Sinne der Art.
29
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 29 - 1 Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
1    Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
2    Ist die Drohung von einem Dritten ausgegangen, so hat, wo es der Billigkeit entspricht, der Bedrohte, der den Vertrag nicht halten will, dem anderen, wenn dieser die Drohung weder gekannt hat noch hätte kennen sollen, Entschädigung zu leisten.
, 30
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 30 - 1 Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
1    Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
2    Die Furcht vor der Geltendmachung eines Rechtes wird nur dann berücksichtigt, wenn die Notlage des Bedrohten benutzt worden ist, um ihm die Einräumung übermässiger Vorteile abzunötigen.
OR nicht nur dann anzunehmen, wenn das beschlussfassende Organ die
Drohung kennt, sondern auch wenn die Drohung gegenüber dem antragstellenden
Organ erhoben wird und bei ihm sich so auswirkt, dass es dem
beschlussfassenden Organ den richtigen Sachverhalt nicht mehr vorzutragen wagt
und statt dessen zur Abwendung der Drohung Anordnungen veranlasst, die es ohne
solchen Zwang nicht oder doch mit anderer Begründung beantragt hätte.
Im Lichte dieses Grundsatzes sind die konkreten Umstände des Falles zu
betrachten und zu bewerten. Die Drohung mit der Verzeigung Eschers ist von
Ehrat

Seite: 369
ausgegangen und im ganzen Verlauf der Verhandlungen aufrecht erhalten worden.
Sie bezweckte, den Verband zum Abschluss eines Vergleiches zu bestimmen, den
anzunehmen nach den Feststellungen der kantonalen Instanzen die zuständigen
Organe freiwillig nicht bereit gewesen wären (Art. 29 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 29 - 1 Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
1    Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
2    Ist die Drohung von einem Dritten ausgegangen, so hat, wo es der Billigkeit entspricht, der Bedrohte, der den Vertrag nicht halten will, dem anderen, wenn dieser die Drohung weder gekannt hat noch hätte kennen sollen, Entschädigung zu leisten.
OR). Gerichtet
war die Drohung nicht gegen den Verband noch gegen seine materiellen oder
immateriellen Güter und Rechte, aber gegen die Person, die Ehre und die
Geheimsphäre des Präsidenten Escher. Das Verhältnis des Verbandes, als
juristischer Person, zu seinem Präsidenten ist gleichzustellen dem Verhältnis
zweier sich nahestehender natürlicher Personen (Art. 30 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 30 - 1 Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
1    Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
2    Die Furcht vor der Geltendmachung eines Rechtes wird nur dann berücksichtigt, wenn die Notlage des Bedrohten benutzt worden ist, um ihm die Einräumung übermässiger Vorteile abzunötigen.
OR).
Widerrechtlich endlich war die Drohung mit der Strafanzeige - die einzureichen
Ehrat durchaus befugt gewesen wäre - deshalb, weil sie dazu missbraucht wurde,
dem Drohenden eine Leistung zu verschaffen, auf die er keinen Anspruch hatte.
Dass Ehrat aus der Kündigung rechtlich weder eine Schadenersatz- noch eine
Genugtuungsforderung erwuchs, bedarf keiner näheren Ausführung. Er hat die mit
der Drohung der Anzeigeerstattung ausgelöste Furcht benützt, um für sich dem
Verbande die Einräumung eines übermässigen Vorteils abzunötigen, nämlich einer
Abfindung von Fr. 30,000.- (Art. 30 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 30 - 1 Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
1    Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
2    Die Furcht vor der Geltendmachung eines Rechtes wird nur dann berücksichtigt, wenn die Notlage des Bedrohten benutzt worden ist, um ihm die Einräumung übermässiger Vorteile abzunötigen.
OR). Damit sind die Voraussetzungen
für die Unverbindlichkeit der Vereinbarung erfüllt. Dass der Verband den
Willensmangel innert der vorgeschriebenen Jahresfrist geltend machte (Art. 31
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 31 - 1 Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
1    Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
2    Die Frist beginnt in den Fällen des Irrtums und der Täuschung mit der Entdeckung, in den Fällen der Furcht mit deren Beseitigung.
3    Die Genehmigung eines wegen Täuschung oder Furcht unverbindlichen Vertrages schliesst den Anspruch auf Schadenersatz nicht ohne weiteres aus.

OR), ist unbestritten.
5.- Die Vereinbarung Escher/Ehrat weist, zum Unterschied von der Vereinbarung
zwischen dem Verband und Ehrat, ausschliesslich die Merkmale eines typischen
Schweigegeldvertrages auf. Das erhellt eindeutig aus dem Tatbestand und aus
den vorstehenden Erwägungen. Einzig und allein um Ehrat zum Verzicht auf eine
Strafanzeige zu bewegen, entschloss sich Escher, einen Teil der
Vergleichssumme beizusteuern. Ein anderes Interesse und eine andere
Veranlassung, selber zu zahlen, hatte er nicht. Ehrat wusste das genau, wie
seine Reaktion auf den

Seite: 370
ursprünglichen Vorschlag des Dr. P. vom 26. Mai 1942 beweist. Damals lehnte er
eine formelle Beteiligung Eschers an der Beibringung der ausbedungenen Fr.
50,000.- ab mit der Begründung, er habe Escher wohl verschiedene Vorwürfe zu
machen, aber an ihn keine persönlichen Ansprüche zu stellen. Als sich dann der
Ausschuss endgültig weigerte, mehr als Fr. 30,000.- zu bezahlen, liess sich
Ehrat doch dazu herbei, die restlichen Fr. 22,000.- von Escher anzunehmen.
Nach aussen trat allerdings der Verband als Verpflichteter für die ganze Summe
auf. Das war aber nur ein Vorwand. Denn gemäss den Angaben der Vorinstanzen
waren alle Beteiligten auf Grund der Besprechungen anlässlich der Konferenz
vom 3. Juni 1942 darüber im klaren, dass Escher die Fr. 22,000. versprochen
und aus seinem Vermögen beizubringen hatte.
Weil sich die Vereinbarung als Schweigegeldvertrag darstellt, ist sie
sittenwidrig und nach Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR nichtig. Escher hätte sie nicht zu erfüllen
brauchen. Nachdem er es doch tat, verlangt er jetzt seine Leistung wieder
zurück. Es steht ausser jedem Zweifel, dass von Escher der Vertrag unter dem
Einfluss gegründeter Furcht im Sinne der Art. 29
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 29 - 1 Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
1    Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
2    Ist die Drohung von einem Dritten ausgegangen, so hat, wo es der Billigkeit entspricht, der Bedrohte, der den Vertrag nicht halten will, dem anderen, wenn dieser die Drohung weder gekannt hat noch hätte kennen sollen, Entschädigung zu leisten.
/30
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 30 - 1 Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
1    Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
2    Die Furcht vor der Geltendmachung eines Rechtes wird nur dann berücksichtigt, wenn die Notlage des Bedrohten benutzt worden ist, um ihm die Einräumung übermässiger Vorteile abzunötigen.
OR abgeschlossen wurde.
Das Bezirksgericht Horgen hat deswegen die Klage geschützt. Das Obergericht
nahm jedoch auf diese Besonderheit keine Rücksicht und wandte zum Nachteile
Eschers Art. 66
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OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
OR an.
Man kann sich füglich fragen, ob nicht dort, wo die zur Herbeiführung eines
sittenwidrigen Erfolges bestimmte Leistung durch Drohung erwirkt wurde, die
subjektiven Voraussetzungen des Art. 66
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OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
OR im vorneherein entfallen. Will man
aber den Vorgang grundsätzlich dem Art. 66
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OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
OR unterstellen, so muss Ehrat die
Einrede aus dieser Vorschrift mittels Heranziehung von Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB versagt
werden. Die Vorinstanz verweist auf BGE 74 II 23, wonach vom Ausschluss der
Rückforderung nicht nur der sogenannte Gaunerlohn betroffen wird, sondern jede
zur Herbeiführung des rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolges gemachte
Leistung. Jedoch scheint die Vorinstanz nicht

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beachtet zu haben, dass das Bundesgericht schon in jenem Entscheid (S. 29) als
Ausnahme von der Regel die Möglichkeit vorgesehen hat, «dass auch bei
beidseitiger widerrechtlicher oder unsittlicher Absicht besondere Umstände
vorliegen können, welche die Verweigerung des Rückforderungs- bzw.
Bereicherungsanspruches als unerträglich und rechtsmissbräuchlich erscheinen
lassen». Eine Sonderbehandlung im Sinne dieses, mit BGE 75 II 293 bestätigten
Vorbehaltes drängt sich für den gegebenen Fall offenkundig auf. Wer unter dem
Einfluss einer vom Vertragspartner zu vertretenden Drohung eine Zahlung
verspricht und leistet, darf nicht mit dem Ausschluss der Rückforderung gemäss
Art. 66
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
OR bestraft werden. Eine derartige Begünstigung des Drohenden wäre
unerträglich. Der Drohende verdient es nicht, auf Kosten seines Opfers
bereichert zu bleiben. Die Anrufung des Art. 66
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OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
OR durch ihn bedeutet einen
klaren Rechtsmissbrauch.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung Ehrats wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des
Kantons Zürich vom 18. April 1950, soweit den Prozess Ehrats gegen den
Gaswerkverband betreffend, wird bestätigt.
2.- Die Berufung Eschers wird gutgeheissen, das vorinstanzliche Urteil, soweit
den Prozess Eschers gegen Ehrat betreffend, wird aufgehoben und Ehrat
verpflichtet, an Escher Fr. 22,000.- mit 5 % Zins ab 17. Mai 1943 sowie Fr.
6.70 Betreibungskosten zurückzuerstatten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 76 II 346
Datum : 01. Januar 1949
Publiziert : 21. November 1950
Quelle : Bundesgericht
Status : 76 II 346
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 1. Art. 29/30 OR; Anwendung auf die juristische Person.antragstellenden Minderheit auf Grund geheim...


Gesetzesregister
OR: 20 
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OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
29 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 29 - 1 Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
1    Ist ein Vertragschliessender von dem anderen oder von einem Dritten widerrechtlich durch Erregung gegründeter Furcht zur Eingehung eines Vertrages bestimmt worden, so ist der Vertrag für den Bedrohten unverbindlich.
2    Ist die Drohung von einem Dritten ausgegangen, so hat, wo es der Billigkeit entspricht, der Bedrohte, der den Vertrag nicht halten will, dem anderen, wenn dieser die Drohung weder gekannt hat noch hätte kennen sollen, Entschädigung zu leisten.
30 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 30 - 1 Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
1    Die Furcht ist für denjenigen eine gegründete, der nach den Umständen annehmen muss, dass er oder eine ihm nahe verbundene Person an Leib und Leben, Ehre oder Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht sei.
2    Die Furcht vor der Geltendmachung eines Rechtes wird nur dann berücksichtigt, wenn die Notlage des Bedrohten benutzt worden ist, um ihm die Einräumung übermässiger Vorteile abzunötigen.
31 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 31 - 1 Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
1    Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt.
2    Die Frist beginnt in den Fällen des Irrtums und der Täuschung mit der Entdeckung, in den Fällen der Furcht mit deren Beseitigung.
3    Die Genehmigung eines wegen Täuschung oder Furcht unverbindlichen Vertrages schliesst den Anspruch auf Schadenersatz nicht ohne weiteres aus.
66
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 66 - Was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist, kann nicht zurückgefordert werden.
StGB: 316
ZGB: 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
BGE Register
74-II-23 • 75-II-293 • 76-II-346
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
vorstand • weiler • vorinstanz • gaswerk • genugtuung • wissen • bedingung • schmiergeld • juristische person • brief • minderheit • unterschrift • zahl • kenntnis • verwaltungsrat • wille • sprache • bundesgericht • zins • bewilligung oder genehmigung
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