S. 252 / Nr. 37 Prozess (d)

BGE 76 II 252

37. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Oktober 1950 i. S. Huber gegen Huber
und Kantonsgericht Schwyz.

Regeste:
Scheidungsprozess. Wenn eine Partei stirbt, bevor das die Scheidung
aussprechende kantonale Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, so kann kraft
eidgenössischen Rechtssatzes die Rechtskraft nicht mehr eintreten, und das
Urteil bleibt auch ohne formelle Aufhebung durch Abschreibungsbeschluss -
wirkungslos die Ehe ist durch den Tod aufgelöst worden, nicht durch Scheidung.
Divorce. Lorsqu'une partie décède avant que le jugement cantonal soit devenu
définitif et exécutoire, ce jugement ne peut plus, en vertu du droit fédéral,
acquérir force de chose jugée. Il reste sans effets, sans même qu'il soit
besoin de l'annuler par une décision de radiation le mariage est dissous par
la mort et non pas par le divorce.
Divorzio. Quando una parte muore prima che la sentenza cantonale sia diventata
definitiva ed esecutiva, questa sentenza non può più crescere in giudicato in
virtù del diritto federale. Essa resta senza effetti, senza che occorra
annullarla mediante un decreto di stralcio il matrimonio è sciolto per morte e
non per divorzio.

Mit Urteil vom 26. April 1950 sprach das Kantonsgericht Schwyz die Scheidung
der Ehe Huber-Waldburger auf Begehren des Mannes aus. Bevor das motivierte
Urteil zugestellt war, starb am 27. Juni 1950 der Kläger. worauf die Beklagte
mit Eingabe vom 14. Juli beim Kantonsgericht das Begehren stellte, die Klage
sei als gegenstandslos geworden abzuschreiben. Mit Schreiben vom 21. Juli 1950
teilte ihr das Kantonsgericht mit, es könne diesem Antrag nicht Folge geben.
Allerdings sei im Zeitpunkt des Todes des Klägers das Urteil des
Kantonsgerichts noch nicht rechtskräftig gewesen und daher nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts mit dem Tode die

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Scheidungsklage erloschen. Es könne aber nicht Sache des Kantonsgerichts sein,
einen Abschreibungsbeschluss zu fassen, nachdem es über die Berufung vor dem
Ableben des Klägers entschieden habe. Das Kantonsgericht müsse es der
Beklagten überlassen, zu entscheiden, wie sie das Erlöschen der Klage
gerichtlich feststellen lassen wolle, falls die Gegenpartei sich der Ansicht
nicht anschliessen wolle, dass der Prozess zufolge Todes des Klägers als
erledigt zu betrachten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, als zivilrechtliche
Beschwerde bezeichnete Eingabe der Beklagten vom 26. Juli 1950, mit welcher
sie beantragt, das Kantonsgericht sei zu verhalten, den Scheidungsprozess als
gegenstandslos geworden am Protokoll abzuschreiben, ev. die Abschreibung habe
durch das Bundesgericht selbst zu geschehen. in der Begründung wird
ausgeführt, die Vorinstanz habe übersehen, dass bei der zu entscheidenden
Frage ausschliesslich eidgenössisches Recht zur Anwendung komme. Nach diesem
könne, wenn eine Scheidungspartei vor dem Eintritt der Rechtskraft des
Scheidungsurteils sterbe, dieses nicht mehr rechtskräftig werden. Mit dem Tode
endige die Ehe; ein Scheidungsstreit sei nicht mehr vorhanden und der Prozess
müsse abgeschrieben werden. Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts sei
davon auszugehen, dass der Scheidungsprozess noch in Schwyz pendent gewesen
sei, da das ausgefertigte Urteil beim Tode des Klägers noch nicht zugestellt
gewesen sei; erst mit dessen Zustellung am 25. Juli 1950 sei das kantonale
Verfahren abgeschlossen gewesen. Eine andere Instanz, welche den Prozess
abschreiben könnte, sei nicht vorhanden. Der Abschreibungsbeschluss sei aber
nötig als Ausweis, dass die Ehe beim Tode noch zu Recht bestanden habe.
Mit Vollmacht des Waisenamtes Lachen beantragt Rechtsanwalt Schwander sowohl
für den verstorbenen Ehemann als für dessen minderjährige Kinder
Nichteintreten auf die Beschwerde, ev. Abweisung derselben.

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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 revoG -diese ist offenbar mit der
vorliegenden Eingabe gemeint - ist zulässig in Zivilsachen, die nicht der
Berufung unterliegen. Eine solche wäre allerdings seitens der
Scheidungsbeklagten weder gegen den vorliegenden Bescheid des Kantonsgerichts
vom 21. Juli 1950 noch gegen dessen Urteil vom 26. April, zugestellt am 25.
Juli 1950, möglich gewesen, weil nach dein Tode des Ehemannes im Prozess keine
Gegenpartei mehr vorhanden war, gegen welche die Berufung gerichtet werden
konnte. Dasselbe trifft aber auch mit Bezug auf die Nichtigkeitsbeschwerde zu,
für welche weder das Kantonsgericht als Vorinstanz noch der verstorbene
Ehemann und dessen Nachkommen passiv legitimiert sind (vgl. BGE 51 11 543).
Beim Bescheid des Kantonsgerichts vom 21. Juli 1950 handelt es sich übrigens
überhaupt nicht um einen Entscheid im Sinne von Art. 68 OG, sondern um eine
blosse Mitteilung, die ohnehin nicht der Weiterziehung ans Bundesgericht
unterliegt. Einer solchen bedarf die Beschwerdeführerin aber gar nicht trotz
der Weigerung des Kantonsgerichts, den Prozess abzuschreiben. Ob eine
Abschreibung erfolge oder nicht, ist ohne jeden Belang für die Tatsache, dass,
nachdem der Scheidungskläger gestorben ist, bevor die ausgesprochene Scheidung
in Rechtskraft erwachsen war kraft eidgenössischen Rechtssatzes die
Rechtskraft nicht mehr eintreten konnte, die Ehe der Parteien also durch den
Tod und nicht durch Scheidung aufgelöst worden und die Beschwerdeführerin
mithin die Witwe des Verstorbenen ist (vgl. BGE 46 11 178, 51 11 539 Urteil
vom 29. September 1943 i. S. Schocher c. Ender). Das auf Scheidung lautende
Urteil des Kantonsgerichts bleibt auch wenn es durch keinen
Abschreibungsbeschluss formell aufgehoben wird, ohne rechtliche Wirkung. Falls
dies von den Zivilstands- oder irgendwelchen andern Behörden sollte verkannt
werden, könnte die Beschwerdeführerin

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jederzeit mit den entsprechenden Rechtsmitteln den dargelegten Sachverhalt zur
Geltung bringen.
Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht
eingetreten.
Vgl. auch Nr. 29. - Voir aussi no 29.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 76 II 252
Datum : 01. Januar 1949
Publiziert : 20. Oktober 1950
Quelle : Bundesgericht
Status : 76 II 252
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Scheidungsprozess. Wenn eine Partei stirbt, bevor das die Scheidung aussprechende kantonale Urteil...


Gesetzesregister
OG: 68
BGE Register
76-II-252
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
kantonsgericht • tod • bundesgericht • ehe • beklagter • vorinstanz • erwachsener • kantonales rechtsmittel • entscheid • begründung des entscheids • abschreibung • nichtigkeitsbeschwerde • nachkomme • verhalten • scheidungsurteil • rechtsanwalt • witwe • sprache • weiler • mann
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