S. 66 / Nr. 13 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 76 I 66

13. Urteil vom 9. März 1950 i. S. CIBA A.-G. gegen eidg.. Steuerverwaltung.


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Regeste:
Warenumsatzsteuer: Die Gratisabgabe von im Betriebe hergestellten
Musterbüchern ist die Verwendung dem Eigenverbrauch zugeführter Erzeugnisse.
Die Steuer für Eigenverbrauch ist auch für die Exemplare zu entrichten, die
zur Gratisabgabe an Interessenten im Ausland bestimmt sind.
Impôt sur le chiffre d'affaires: La distribution à titre gratuit de
collections d'échantillons confectionnées dans l'entreprise constitue un acte
de consommation particulière. L'impôt sur la consommation particulière est
aussi dû sur les exemplaires destinés à la distribution gratuite à l'étranger.
Imposta sulla cifra d'affari: La distribuzione a titolo gratuito di collezioni
di campioni confezionate nell'azienda rappresenta un atto di consumo
personale. L'imposta sui consumo personale è pure dovuta se si tratta di
esemplari destinati all distribuzione gratuita all'estero.

Die CIBA A.-G. in Basel (nachstehend CIBA) ist Grossist im Sinne des WUStB.
Sie fertigt von den von ihr hergestellten Textilfarbstoffen Muster auf Geweben
und Garn an, die auf Karten geklebt werden; die Musterkarten werden zusammen
mit Anleitungen über den Gebrauch der Farbstoffe und Angaben über deren
Eigenschaften zu festen Büchern gebunden. Die Musterbücher werden von der CIBA
z. T. an ihre ausländischen Tochtergesellschaften verkauft, z. T. im In- und
Ausland gratis abgegeben.
Die Materialien für die Musterbücher bezieht die CIBA auf Grund der
Grossistenkarte steuerfrei. Sie entrichtet die Eigenverbrauchssteuer für die
im Inland abgegebenen Musterbücher, beansprucht jedoch Steuerfreiheit für die
- gratis oder gegen Entgelt - ins Ausland abgegebenen. Die eidgenössische
Steuerverwaltung (nachstehend EStV) anerkennt die Steuerfreiheit für die an
die ausländischen Tochtergesellschaften verkauften Musterbücher, verlangt
dagegen die Eigenverbrauchssteuer auf den unentgeltlich abgegebenen auch dann,
wenn sie ins Ausland gehen.
Eine von der CIBA hiegegen gerichtete Einsprache wurde von der EStV am 19.
November 1949 abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach Art. 16 WUStB

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liege Eigenverbrauch vor, wenn ein Grossist Waren, die er in seinem
Geschäftsbetrieb gewerbsmässig hergestellt hat, anders verwendet als zum
Verkauf oder als Werkstoff für die gewerbsmässige Herstellung von Waren. Diese
negative Umschreibung erfasse alles darin nicht ausdrücklich und abschliessend
Ausgenommene, also jede andere Verwendung als zum Verkauf oder zur
gewerbsmässigen Herstellung von Waren. Somit müssten Lieferungen, die nicht
auf Verkauf oder Tausch beruhten, als Eigenverbrauch betrachtet werden. Aus
dieser Erwägung habe das Bundesgericht in dem Urteil Geigy vom 20. Oktober
1944 die Abgabe von Waren als Gratismuster an Kunden oder Interessenten unter
den Eigenverbrauch einbezogen. Die Unterscheidung der CIBA zwischen den im
Inland und den im Ausland unentgeltlich abgegebenen Musterbüchern sei
unbegründet; denn in beiden Fällen sei die CIBA der Verbraucher, das letzte
Glied in der Umsatzkette, bei dem spätestens die Umsatzsteuer verfalle. Der
Grossist, der steuerfrei bezogene oder gewerbsmässig selbst hergestellte Waren
unentgeltlich an Dritte abgebe, gelte als deren Konsument, gleichgültig ob der
Empfänger der Ware sich im Inland oder im Ausland befinde. Der
Steuertatbestand des Eigenverbrauchs sei in beiden Fällen gleich, und zwar im
Inland, erfüllt; der Eigenverbrauch eines Grossisten stelle daher stets
Warenumsatz im Inland dar. Hieran habe auch die Verfügung Nr. 8 des eidg.
Finanz- und Zolldepartements (EFZD) vom 28. Juni 1945 nichts geändert; sie
habe lediglich die Befreiung von Inlandlieferungen, denen unmittelbar eine
Ausfuhr folge, zum Gegenstand und berühre den Eigenverbrauch nicht. Es wird
auf die Urteile des Bundesgerichts vom 8. Oktober 1948 i. S. Robapharm und vom
20. Mai 1949 i. S. Buchser verwiesen.
B. - Mit rechtzeitiger Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellte die CIBA den
Antrag, es sei unter Aufhebung dieses Entscheides festzustellen, dass die
unentgeltliche Abgabe von Musterkarten ins Ausland der WUSt nicht unterliege.

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Sie bringt vor, eine neue Überprüfung der gestellten Frage durch das
Bundesgericht sei wünschbar, weil aus den bisher von ihm beurteilten
Tatbeständen die grosse Tragweite des Entscheids für die schweizerische
Exportindustrie nicht ersichtlich gewesen sei, weil seither neue Argumente
zutage getreten seien und weil sich aus einer Fussnote von Dr. Friedli zum
Urteil Buchser im Archiv, Bd. 18, S. 154, eine Divergenz zwischen
Bundesgericht und EStV ergebe.
Die bisherige Praxis schaffe, entgegen dem Willen des WUStB, eine ungleiche
Behandlung von Händler und Hersteller-Grossisten. Der Händler-Grossist könne
seine Muster, soweit er sie nachher - entgeltlich oder unentgeltlich
unmittelbar ins Ausland ausführe», auf Grund der Verfügung Nr. 8 ohne
Steuerbelastung beziehen. Der Hersteller-Grossist dagegen müsse die von ihm
selbst verfertigten Muster gleicher Art als Eigenverbrauch versteuern; er
könne die Werkstoffe dafür nicht steuerfrei beziehen, weil sie nicht
unmittelbar», sondern erst nach Verarbeitung ausgeführt würden. Dadurch werde
er gegenüber seinem Konkurrenten, dem Händler-Grossisten, benachteiligt. Das
Interesse an der Ausfuhr, das der WUStB begünstigen wolle, sei aber in beiden
Fällen dasselbe.
Aus der Verfügung Nr. 8 lasse sich, auch wenn die Steuerfreiheit in den
streitigen Fällen nach Auffassung der CIBA nicht auf ihr beruhe, zum
mindestens nichts gegen diese ableiten. Durch die Verfügung Nr. 8 wurden im
Hinblick auf die nachfolgende Ausfuhr Lieferungen von der WUSt befreit, die
sonst steuerpflichtig wären, nämlich solche an Nicht-Grossisten. Lieferungen
an Grossisten könnten überhaupt nur darunter fallen, soweit sie zu
unentgeltlicher Weiterveräusserung ins Ausland bestimmt seien; denn für den
Weiterverkauf könnten die Grossisten die Waren ohnehin auf Grund der
Grossistenkarte steuerfrei beziehen.
Neben den direkten Ausfuhr Lieferungen seien von jeher auch Inland
Lieferungen, durch welche die Ware

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unmittelbar ins Ausland gelangte, als steuerfrei behandelt worden. So habe die
Praxis beim Versendungskauf schon vor der Verfügung Nr. 8 die Steuerpflicht
verneint, wenn eine Ware vom Lieferanten oder seinem Spediteur für einen
ausländischen Empfänger, der sie gegen Entgelt erwarb, einer Transportanstalt
in der Schweiz übergeben wurde. Nur in den seltenen Fällen, wo die Waren dem
ausländischen Abnehmer oder dessen Spediteur im Inland übergeben werde, also
eine echte Inland Lieferung vorliege, sei die Steuerpflicht früher bejaht
worden und trete die Befreiung nur unter den Voraussetzungen der Verfügung Nr.
8 ein.
Der Eigenverbrauch, der nach dem WUStB mit den Inland Lieferungen zusammen den
Warenumsatz im Inland darstelle, dürfe nicht anders behandelt werden als jene,
d. h. er sei steuerfrei, soweit durch ihn eine Ware unmittelbar ins Ausland
gelange. In Art. 54 Abs. 2 lit. b WUStB komme zum Ausdruck, dass es
schlechthin die Tatsache der Ausfuhr sei, welche von der Steuerpflicht
befreie; es werde nicht unterschieden, ob die Ware durch eine Lieferung oder
durch Eigenverbrauch ins Ausland gelangt sei. Das werde bestätigt durch das
deutsche Warenumsatzsteuergesetz, das dem WUStB als Vorbild gedient habe und
das die Ausfuhr ausdrücklich erwähne in dem Sinne, dass sowohl die Lieferung
im Inland als auch der Eigenverbrauch steuerfrei seien, wenn der Gegenstand in
Erfüllung des Umsatzgeschäftes ins Ausland versandt werde.
Wie das Ausland bei den Umsatzsteuern allgemein die Ausfuhr begünstige, so sei
auch bei Erlass des WUStB unter allgemeiner Billigung die Befreiung der
Ausfuhr als Grundsatz proklamiert worden. Dieses Prinzip habe seine
Verankerung darin gefunden, dass Lieferungen und Eigenverbrauch nur als
«Warenumsatz im Inland i für steuerbar erklärt wurden; damit sei ohne Zweifel
alle unmittelbare Ausfuhr ausgenommen worden, wenn sie auf dem Wege der Inland
Lieferung oder des Eigenverbrauchs erfolge. Im Unterschied zum deutschen Recht
gründe der WUStB

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den Eigenverbrauch nicht auf die «Entnahme» (fingierte Lieferung), sondern auf
die «andere Verwendung» wo die Ware bestimmungsgemäss im Ausland verwendet
werde, wickle sich der Umsatz überhaupt erst im Ausland ab. Der Begriff des
Eigenverbrauchs sei nur geschaffen worden, um Umsätze, die keine Lieferungen
seien, dann zu besteuern, wenn entsprechende Lieferungen steuerpflichtig
wären, insbesondere um den Warenumsatz des Selbstversorgers zu erfassen. Wenn
der Herstellergrossist die Ware ins Ausland verbringe, um sie dort an Kunden
zu verurteilen, so erfolge gar kein Inlandumsatz einer fertigen Ware; das
Gegenstück bilde vielmehr die echte Ausfuhr- Lieferung, deren Steuerfreiheit
ausser jedem Zweifel stehe; die ratio des Eigenverbrauchs, eine sonst
bestehende Steuerlücke auszufüllen, fehle hier.
Dass der WUStB an einigen Stellen bei den Lieferungen «im Inland beifüge. wo
er es beim Eigenverbrauch nicht tue, sei eine redaktionelle Ungenauigkeit. Im
Urteil Buchser habe das Bundesgericht angenommen, der Gesetzgeber habe bewusst
die Lieferungen ins Ausland vor dem Eigenverbrauch daselbst begünstigen
wollen, weil nur sie dort die Konkurrenz mit anderen Waren aufzunehmen hätten;
doch spiele sich der Konkurrenzkampf auch bei der Propaganda ab und müsse auch
diese in den Preisen berücksichtigt werden. Unrichtig sei auch der Standpunkt,
der Konsum ins Ausland gesandt er Muster geschehe in der Schweiz; da das
Gesetz für den Zeitpunkt des Eigenverbrauchs auf die Verwendung abstelle,
müsse das auch für den Ort gelten. Selbst wenn es sich um Eigenverbrauch im
Inland handeln würde, wäre er steuerfrei wie Inland Lieferungen zwecks
Ausfuhr; erst recht sei er als im Ausland erfolgender Umsatz.
Der Hersteller-Eigenverbrauch sei durch einheitliche, rechtsgleiche Prinzipien
eindeutig zu regeln. Dabei stünden für die Exportindustrie beträchtliche
Beträge auf dem Spiele: wie bei den Packungen und Prospekten sei es auch bei
der Herstellung und Konfektionierung von

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Mustern zu begrüssen, wenn solche Arbeiten und Lieferungen in der Schweiz
vergeben werden könnten: ihre Verlegung ins Ausland würde unserem Lande
schaden. Die angestrebte Lösung sei nicht nur de lege ferenda allein gerecht,
sondern ergebe sich jetzt schon aus dem Gesetz.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
in Erwägung:
1.- Der Tatbestand ist klar und unbestritten. Übereinstimmung besteht auch
bezüglich seiner Subsumtion unter die Begriffe des WUStB dahin, dass der
Verkauf von Musterbüchern an die ausländischen Tochtergesellschaften der
Beschwerdeführerin steuerfreie Ausfuhr Lieferung, die Gratisabgabe an Kunden
und Interessenten dagegen Eigenverbrauch darstellt. Unbestritten ist ferner,
dass hierauf die Eigenverbrauchssteuer zu entrichten ist, soweit die
Musterbücher im Inland abgegeben werden. Der Streit geht einzig darum, ob die
Gratisabgabe ins Ausland steuerpflichtig ist oder nicht. Die
Beschwerdeführerin behauptet deren Steuerfreiheit und begründet dies damit,
dass sie kein Warenumsatz im Inland sei, event. dass sie unmittelbar zu einer
Ausfuhr führe und gleich wie «Inland Lieferungen zwecks Ausfuhr» zu behandeln
sei.
2.- Die Steuerfreiheit der Ausfuhr ist im WUStB nicht ausdrücklich
festgestellt, ergibt sich aber aus der Umschreibung des Gegenstandes der WUSt,
die gemäss Art. 2 einerseits auf dem Warenumsatz im Inland, anderseits auf der
Wareneinfuhr erhoben wird. Hieraus folgt, dass Warenumsatz, der weder Einfuhr
noch Umsatz im Inland ist, der Steuer nicht unterliegt. Grund dieser
Beschränkung ist offensichtlich die Absicht, die Ausfuhr zu begünstigen, indem
sie nicht mit der WUSt belastet wird. Die gleiche Absicht kommt zum Ausdruck
in Art. 54 Abs. 2 lit. b, wonach das EFZD befugt ist, Vorschriften
aufzustellen über Rückerstattung oder Verrechnung der WUSt mit Rücksicht auf
die erfolgte Ausfuhr von Waren - in welcher Befugnis sinngemäss auch das Recht

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enthalten ist, unter diesem Gesichtspunkt die Steuerfreiheit schlechthin
anzuordnen, wie das dann in der Verfügung Nr. 8 vom 28. Juni 1945 geschehen
ist (nicht publ. Urteil Transco vom 10. Dezember 1948, Erw. 2 in fine).
Der Warenumsatz im Inland zerfällt, wie sich aus der Systematik des ersten
Teils des WUStB, insbesondere aus den Art. 15 und 1 6 und ihrer
Zusammenfassung unter dem Titel Umsatz ergibt, in Lieferungen im Inland und
Eigenverbrauch. (Der Bezug von Erzeugnissen der inländischen Urproduktion, der
jenen in Art. 8 und 13 gegenübergestellt ist und sich von ihnen namentlich
dadurch unterscheidet, dass die Beschränkung auf Grossisten entfällt, kommt
für die hier zu entscheidende Frage nicht in Betracht.) Bei den Lieferungen
ergibt sich die Abgrenzung der steuerfreien Ausfuhr aus der Umschreibung der
Inland Lieferung in Art. 15 Abs. 1, wonach die Verschaffung der
Verfügungsmacht über eine im Inland befindliche Ware massgebend ist. Nach dem
Wortlaut des WUStB besteht somit Steuerfreiheit lediglich für direkte Export-
Lieferungen, bei denen der Grossist die Waren dem Abnehmer erst im Ausland zur
Verfügung stellt (Urteil Transco, Erw. 1 in fine). Darüber hinaus hat die
Praxis sie auch gewährt beim Versendungsverkauf, wo die Ware sich zwar im
Zeitpunkt der Verschaffung der Vefügungsmacht (durch Übergabe an die
Transportanstalt; BGE 74 I 71) noch im Inland befindet, aber gerade durch
diese Versendung ins Ausland verbracht wird. Hier liegt nach dem Buchstaben
von Art. 15 Abs. 1 WUStB eine Inland- Lieferung vor; wirtschaftlich und nach
der ratio legis unterscheidet sich dieser Fall aber nicht von der direkten
Ausland Lieferung. Noch weiter geht die Verfügung Nr. 8, welche die
Steuerfreiheit ausdehnt auf «Inland Lieferungen zwecks Ausfuhr», bei denen der
Abnehmer die Ware im Inland übernommen hat, aber nachweist, dass er sie
unmittelbar ins Ausland ausführte. Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass die
Ware durch die betreffende Lieferung oder unmittelbar im Anschluss daran dem
Konsum im Ausland zugeführt wird, somit eine Ausfuhr vorliegt und

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der gesetzgeberische Grund für die Steuerbefreiung gegeben ist.
Als Eigenverbrauch werden gemäss Art. 16 WUStB die Fälle besteuert, wo ein
Grossist steuerfrei bis zu ihm gelangte Waren «anders verwendet als zum
Wiederverkauf oder als Werkstoff für die gewerbsmässige Herstellung von Waren
oder für die gewerbsmässige Herstellung von Bauwerken für fremde Rechnung».
Diese Ordnung ist notwendig zur Durchführung des dem WUStB zugrundeliegenden
Einphasenprinzips im positiven Sinne, d. h. des Grundsatzes, dass jede Ware
auf dem Wege vom Hersteller zum Verbraucher einmal von der WUSt erfasst werden
soll. In der Regel geschieht dies nach dem gewählten System beim Übergang vom
Grossisten zum Nichtgrossisten oder Konsumenten. In den genannten Fällen, wo
der Grossist für Waren, die er als solcher steuerfrei bezogen hat, selbst als
Konsument auftritt, findet jener Übergang nicht statt und wurde deshalb nach
der gewöhnlichen Regel die Ware von der WUSt überhaupt nicht erfasst. Deshalb
besteuert der WUStB als Warenumsatz im Inland neben den Inland Lieferungen
auch den Eigenverbrauch und umschreibt diesen in Art. 16 mit jener negativen
Formel, worunter alles fällt, was nicht noch als Lieferung erfasst wurde.
Eigenverbrauch ist danach jede Verwendung zu anderen als den dort ausdrücklich
ausgenommenen Zwecken, gleichgültig ob sie in den Rahmen des Unternehmens
fällt oder nicht also nicht nur die Entnahme zu geschäftsfremden Zwecken wie
im deutschen Umsatzsteuerrecht. Es ist denn auch unbestritten, dass die
Gratisabgabe von Mustern nach dem WUStB Eigenverbrauch darstellt, während sie
nach deutschem Recht nicht hierunter fällt. Entscheidend ist nach
Schweizerischem Recht, dass der Grossist über die betreffende Ware nicht als
Händler oder Hersteller, sondern als Konsument verfügt; darin liegt eine Art
«Lieferung an sich selbst», die im System unserer Warenumsatzsteuer dem
Stadium des Überganges der Ware vom Grossisten an einen dritten Konsumenten
entspricht. Der Eigenverbrauch

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eines steuerpflichtigen, in der Schweiz domizilierten Grossisten findet per
definitionem im Inland, nämlich an seinem schweizerischen Geschäftsssitz,
statt; er ist in jedem Falle Warenumsatz im Inland, weshalb in Art. 8 Abs. 1
lit. a, in Art. 13 Abs. 1 lit. a und in Art. 16 WUStB nicht ausdrücklich
gesagt zu werden brauchte, dass nur der Eigenverbrauch im Inland steuerbar ist
(nicht publ. Urteil Robapharm vom 8. Oktober 1948, Erw. 4). Dass eine Ware bei
der «anderen Verwendung a ins Ausland verbracht wird, vermag hieran nichts zu
ändern, auch wenn das von Anfang an vorgesehen war; massgebend ist die
Verfügung, wodurch sie der Verwendung zum Wiederverkauf oder als Werkstoff
entzogen und dem eigenen Konsum des Grossisten zugeführt wird. Das wird,
entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, bestätigt durch die Vorschrift
des WUStB über den für den Eigenverbrauch massgebenden Zeitpunkt: Nach Art. 24
lit. c verfällt die Steuer beim Eigenverbrauch im Zeitpunkt, in dem über die
Ware im Sinne von Art. 16 verfügt wird. Das geschieht nicht erst durch den
tatsächlichen Verbrauch, sondern schon durch die Zuweisung zur Verwendung
anders als zum Wiederverkauf oder als Werkstoff; hierin liegt die «Lieferung
an sich selbst a, die dem die Steuerpflicht begründenden Moment des Übergangs
vom Grossisten an den Nichtgrossisten bzw. Konsumenten entspricht.
Entsprechendes gilt für den Ort des Eigenverbrauchs: Massgebend ist nicht der
Ort, wo die Ware schliesslich effektiv verbraucht wird, sondern der
Geschäftssitz, wo sie der Verwendung zum Wiederverkauf oder als Werkstoff
entzogen und dem Konsum durch den Grossisten selbst zugeführt wird. Weil der
Eigenverbrauch hier stattfindet, ist er auch dann als Warenumsatz im Inland
steuerpflichtig, wenn die Ware für die effektive Verwendung ins Ausland
verbracht wird. In diesem Sinne bietet das nicht publ. Urteil Buchser vom 20
Mai 1949 Anlass zu Missverständnissen, wenn es auf S. 10 sagt: «la
consommation particulière est toujours frappée de l'IChA, qu'elle ait lieu en
Suisse ou à l'étranger». So wie

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er gefasst ist, steht der Nebensatz im Widerspruch zu dem Urteil Robapharm,
von dem doch im gleichen Satz erklärt wird, es bestehe kein Grund, davon
abzuweichen. Ähnlich verhält es sich auch mit der anschliessenden Begründung
der WUStB beschränke zwar die Steuerbarkeit von Lieferungen auf solche im
Inland, stelle aber für den Eigenverbrauch keine entsprechende Beschränkung
auf. Die Ausführungen sind dahin zu präzisieren, dass es nicht der
«Eigenverbrauch i ist, der im Ausland stattfindet, sondern die tatsächliche
Verwendung der Ware; es ist die Verwendung im Auslande einer dem
Eigenverbrauch im Sinne des Gesetzes bereits zugeführten Ware. Für Lieferungen
und für Eigenverbrauch ergibt sich die Schranke daraus, dass die Steuer nur
auf dem Warenumsatz im Inland (und der Wareneinfuhr) erhoben wird; bei den
Lieferungen wird im Gesetzestexte die Schranke jeweilen wiederholt, weil es
neben den Inland Lieferungen auch noch andere, die Ausfuhr Lieferungen, gibt;
beim Eigenverbrauch dagegen ist das nicht nötig, weil er dem Begriffe nach im
Inland stattfindet. Der von den Parteien mit Recht festgestellte Widerspruch
zwischen den Urteilen Robapharm und Buchser ist also dahin aufzulösen, dass am
Urteil Robapharm festgehalten wird und die Ausführungen im Urteil Buchser
berichtigt werden, soweit sie von jenem abweichen.
Der in der Gratisabgabe von Musterbüchern ins Ausland liegende Eigenverbrauch
ist somit Warenumsatz im Inland im Sinne des ersten Teils des WUStB und
unterliegt gemäss Art. 13 Abs. 1 lit. a der WUSt.
3.- Aus dem Umstand, dass der Eigenverbrauch in der Gratisabgabe an
ausländische Empfänger besteht, die Ware also dadurch ins Ausland gelangt,
lässt sich keine Steuerbefreiung herleiten. Für eine solche bietet nicht nur
der Wortlaut des WUStB keine Grundlage, sondern es liegen auch keine
Verhältnisse vor, die eine über diesen Wortlaut hinausgehende Auslegung
rechtfertigen könnten wie beim Versendungskauf und bei den «Inland Lieferungen
zwecks Ausfuhr». Während in diesen Fällen wirtschaftlich

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der gleiche Tatbestand gegeben ist wie bei den direkten Ausfuhr Lieferungen,
die schon nach dem Wortlaut des WUStB steuerfrei sind, wird beim
Eigenverbrauch der für die Steuerpflicht massgebende wirtschaftliche
Tatbestand durch das Verbringen der Ware ins Ausland nicht berührt; denn hier
ist nicht entscheidend, wer sie schliesslich empfängt und wo das geschieht,
sondern dass der Grossist sie weder zum Wiederverkauf noch als Werkstoff,
sondern für seine eigenen Bedürfnisse - im vorliegenden Falle für
Gratisreklame - verwendet.
Freilich dient die Reklame im Ausland indirekt auch der Ausfuhr, und es liesse
sich fragen, ob der gesetzgeberische Zweck, die Ausfuhr zu begünstigen, nicht
auch für den ihr dienenden Eigenverbrauch die Befreiung von der WUSt zu
rechtfertigen vermöge. Allein das ist, wie die EStV zutreffend bemerkt, ein
Problem de lege ferenda, das nur vom Gesetzgeber, nicht aber von den zur
Anwendung des geltenden Rechts berufenen Behörden gelöst werden kann. Die
einzige Bestimmung des WUStB, worin die Begünstigung der Ausfuhr ausdrücklich
erwähnt ist, Art. 54 Abs. 2 lit. b, kann weder von den Steuer- noch von den
Justizbehörden direkt angewendet werden. Sie gibt lediglich dem EFZD die
Befugnis, beim Erlass der Ausführungsbestimmungen über den Inhalt des WUStB
hinauszugehen (Urteil Transco, Erw. 2); die Steuerpraxis und die
Rechtsprechung aber können sich nicht darauf stützen, um ihrerseits vom WUStB
oder von den Ausführungsbestimmungen des EFZD abzuweichen. Dieses hat von
seiner Befugnis mit der Verfügung Nr. 8 einen weitgehenden Gebrauch gemacht,
indem es - entgegen Art. 13 Abs. 1 lit. a WUStB - gewisse Inland Lieferungen
als steuerfrei erklärte. Ob es auch einen Eigenverbrauch, bei dem die Ware ins
Ausland gelangt, von der WUSt befreien könnte, braucht nicht untersucht zu
werden, da es das nicht getan hat; die Beschränkung auf Lieferungen ergibt
sich klar sowohl aus dem Untertitel «Inland Lieferungen zwecks Ausfuhr» als
auch aus dem Text von Art. 1: «so hat er für diese Lieferung die Umsatzsteuer
nicht zu

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entrichten». Für die anwendenden Behörden ist unerheblich, dass die Verfügung
Nr. 8 eine Ungleichheit zwischen Hersteller- und Händler-Grossisten geschaffen
hat - nach Darstellung der EStV deshalb, weil ihr Wortlaut über das eigentlich
Gewollte hinausgeht; die allfällige Beseitigung dieser Ungleichheit - sei es
durch Ausdehnung des Privilegs auf die Hersteller-Grossisten, sei es durch
seine Reduktion auf das Gewollte bei den Händler-Grossisten -könnte nur durch
den Gesetzgeber bzw. durch das EFZD, nicht aber durch die Praxis der
Steuerbehörden herbeigeführt werden.
Ähnliches gilt auch für die wirtschaftspolitischen Argumente der
Beschwerdeführerin, ihren Hinweis auf die Tragweite dieser Frage für die
Schweizerische Exportindustrie: Sie sind von Bedeutung, wenn es sich darum
handelt, ob die einschlägigen Bestimmungen abgeändert werden sollen, können
aber nicht dazu führen, dass bei deren Anwendung von ihrem klaren Sinn und
Wortlaut abgewichen wird.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 76 I 66
Datum : 01. Januar 1949
Publiziert : 09. März 1950
Quelle : Bundesgericht
Status : 76 I 66
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Warenumsatzsteuer: Die Gratisabgabe von im Betriebe hergestellten Musterbüchern ist die Verwendung...


BGE Register
74-I-65 • 76-I-66
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
lieferung • ausfuhr • grossist • weiler • werkstoff • bundesgericht • wiederverkauf • konsum • umsatz • frage • tochtergesellschaft • stelle • warenumsatzsteuer • bezogener • zweifel • spediteur • unternehmung • entscheid • benutzung • zahl
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