S. 382 / Nr. 61 Haftung für militärische Unfälle (d)
BGE 76 I 382
61. Urteil vorn 6. Oktober 1950 i. S. Bachmann gegen Schweiz.
Eidgenossenschaft.
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Regeste:
Haltung des Bundes für Unfalle infolge militärischer Uebungen Zuständigkeit,
Verfahren, Verjährung.
Responsabilité de la Confédération pour des accidents causes par des exercices
militaires: Compétence, procédure, prescription.
Responsabilità della Con fede razione per infortuni causati da esercizi
militari: Competenza, procedura, prescrizione.
Mit Klageschrift vom 17. April 1950 belangt Bachmann die Eidgenossenschaft vor
Bundesgericht für den Schaden der ihm aus einem am 29. März 1949 erlittenen
Verkehrsunfall erwachsen ist. Er macht geltend, sein Unfall sei die Folge
einer militärischen Übung. Die Eidgenossenschaft lehnt jegliche Verantwortung
für den Unfall ab. Sie erhebt die Einrede der Verjährung und beruft sich dafür
auf Art. 237, Abs. 2 des Verwaltungsreglements für die Schweizerische Armee
vom 27. März 1885/19. Dezember 1946 (VR). Die dort vorgesehene Frist von einem
Jahr sei am 29. März 1950 abgelaufen gewesen. Die Klage sei erst später
erhoben worden. Der Kläger wendet ein, er habe die Beklagte zum Sühneversuch
vor den zuständigen Gerichtspräsidenten von Bern laden lassen. Die Verhandlung
habe am 16. November 1949 stattgefunden. Dadurch sei die Verjährung
unterbrochen worden.
Das Bundesgericht hat die Klage abgewiesen
in Erwägung:
1.- Die Klage gegen die Eidgenossenschaft wird erhoben gestützt auf Art. 27
MO, wonach der Bund für
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den entstandenen Schaden haftet, wenn infolge militärischer Übungen eine
Zivilperson verletzt oder getötet wird. Nach Art. 237, Abs. 2 VR verjährt der
Anspruch auf Schadenersatz gegenüber dem Bund in einem Jahre, vom Tage des
Unfallereignisses an gerechnet.
Die Klage ist erst nach Ablauf eines Jahres, vom Tage des Unfallereignisses an
gerechnet, erhoben worden. Durch die Verhandlung im Aussöhnungsversuch, die am
16. November 1949 vor dem Gerichtspräsidenten beim Richteramt Il Bern
stattgefunden hat, ist die Verjährung nicht unterbrochen worden.
2.- Art. 273, Abs. 2 VR (in der für den vorliegenden Rechtsstreit geltenden
Fassung gemäss Bundesbeschluss über die Genehmigung der Abänderung des
Verwaltungsreglements für die Schweiz. Armee, vom 19. Dezember 1946) setzt die
Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche gemäss Art. 27 MO fest, ohne die
Einzelheiten der Verjährung näher zu ordnen. Vor allem ist darin über eine
Unterbrechung der Verjährung nichts bestimmt. Ob daraus abzuleiten ist, dass
die Frist nicht unterbrochen werden kann, oder ob gegenteils - etwa nach
allgemeinen Rechtsgrundsätzen - eine Unterbrechung anzunehmen wäre, wenn der
Anspruch in geeigneter Weise erhoben wird, kann dahingestellt bleiben.
Jedenfalls war die Vorladung zum Sühneversuch vor das Richteramt Bern keine
Massnahme, die hier die Verjährung hätte unterbrechen können.
Nach Art. 238 VR werden Schadenersatzansprüche infolge von Unfällen aus
militärischen Übungen, Personenschäden und Sachschäden, von der Direktion der
eidgenössischen Militärverwaltung behandelt. Kommt eine Einigung nicht
zustande, so entscheidet, wenn es sich ausschliesslich um Sachschaden handelt,
die Direktion der Militärverwaltung unter Vorbehalt der Beschwerde an die
Rekurskommission (Art. 240 VR). Bei Personenschaden steht dem Geschädigten der
direkte verwaltungsrechtliche Prozess vor Bundesgericht zur Verfügung (Art.
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110, Abs. 1, lit. b OG und Art. 239 VR). Das ganze Verfahren liegt somit in
den Händen eidgenössischer Behörden. Eine Zuständigkeit kantonaler Behörden
ist damit unvereinbar. Zudem kennt das Bundesprozessrecht ein der Einreichung
einer Klage vorausgehendes Verfahren vor einer richterlichen Behörde zum
Versuche einer Aussöhnung, wie es in einzelnen kantonalen
Zivilprozessordnungen vorgesehen ist, nicht. Die Vorladung zum
Aussöhnungsversuch vor ein kantonales Gerichtsorgan war eine mit der
massgebenden Verfahrensordnung unvereinbare Vorkehr. Mit ihr konnte der
Anspruch, der erhoben werden sollte, schlechterdings nicht geltend gemacht
werden. Die Vorkehr war rechtlich unerheblich. Sie ist es auch im Hinblick auf
die Verjährung.
Übrigens hatte die Direktion der Militärverwaltung dem Kläger am 6. Juni 1949
bestimmt erklärt, dass sie jede Haftung aus dem Unfall ablehne, und ihren
Standpunkt kurz begründet. Damit war dem Kläger der direkte Weg an das
Bundesgericht geöffnet (Art. 239 VR; vgl. auch Art. 114 OG). Eines
Zwischenverfahrens vor kantonalen Behörden bedurfte es nicht.