S. 191 / Nr. 33 Kompetenzkonflikt zwischen bürgerl. u. militär.
Gerichtsbarkeit (d)

BGE 76 I 191

33. Urteil vom 18. Oktober 1950 i. S. eidg. Militärdepartement gegen
Unternehmungs- und Ueberweisungsbehörde von Obwalden.


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Regeste:
Art. 2
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dasjenige Gesetz anzuwenden, das für ihn das mildere ist.
Ziff. J und Art. 6
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 6 - 1 Die für Kriegszeiten vorgesehenen Bestimmungen gelten nicht nur, wenn die Schweiz sich im Kriege befindet, sondern auch, wenn der Bundesrat bei unmittelbar drohender Kriegsgefahr ihre Anwendung beschliesst.
1    Die für Kriegszeiten vorgesehenen Bestimmungen gelten nicht nur, wenn die Schweiz sich im Kriege befindet, sondern auch, wenn der Bundesrat bei unmittelbar drohender Kriegsgefahr ihre Anwendung beschliesst.
2    Der Bundesratsbeschluss ist sofort vollziehbar. Er ist sobald als möglich der Bundesversammlung vorzulegen; sie entscheidet über die Aufrechterhaltung.
MStG. Umfang der Unterwerfung der
Stellungspflichtigen unter das MStG. Beteiligung an militärischen Vergehen.
Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes.
Art. 2 ch. 5 et art. 6 CPM. Mesure dans laquelle une personne astreinte à se
présenter au recrutement est soumise au CPM. Participation à des délits
militaires. Pouvoir d'examen du Tribunal fédéral.
Art. 2, cifra J, e art. 6 CPM. In quale misura è assoggettato al CPM chi è
obbligato a presentarsi al reclutamento? Partecipazione a reati militari.
Sindacato del Tribunale federale.

A. - G. war im Jahre 1950 stellungspflichtig. Er beschaffte sich beim
kantonalen Kreiskommando das Formular «Ausweis für den sich als Motorradfahrer
anmeldenden Rekruten», um als Motorradfahrer eingeteilt zu werden. Darin hat
der Inhaber der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt über den
Stellungspflichtigen zu erklären, dass er mit dessen Einteilung als
Motorradfahrer einverstanden sei und sich verpflichte, ein Armee-Motorrad zu
den festgesetzten Bedingungen anzukaufen und zu halten. Der Präsident des
zuständigen Gemeinderates hat sodann darauf zu bescheinigen, dass der
Stellungspflichtige oder sein Vater in der Lage ist, ein Motorrad anzukaufen,
und für sachgemässe Haltung die nötige Garantie bietet. Das Kreiskommando hat
die Erklärung nach Prüfung zu unterzeichnen. Die Inhaberin der elterlichen
Gewalt über

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G. weigerte sich auf hezügliches Ersuchen des Sohnes, die Bescheinigung zu
unterzeichnen. In der später durchgeführten Befragung erklärte sie, sie hätte
die für den Ankauf eines Motorrades erforderlichen Mittel nicht besessen.
Angesichts der Verweigerung der Mutter ersuchte G. zunächst seine Schwester,
die Unterschrift anstelle der Mutter auf das Formular zu setzen. Als auch
diese ablehnte, unterzeichnete der anwesende D. mit» Frau G....». G. reichte
das Formular dem kantonalen Kreiskommando ein. Deswegen wurde gegen ihn und
i). ein Strafverfahren angehoben. Mit Urteilen vom 25. März 1950 hat die
Untersuchungs- und Überweisungsbehörde von Obwalden D. wegen Fälschung eines
Ausweises (Art. 252 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 252 - Wer in der Absicht, sich oder einem andern das Fortkommen zu erleichtern,
StGB) mit Fr. 40.- und G. wegen Gebrauche
eines gefälschten Ausweises zum Zwecke der Täuschung (Art. 252 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 252 - Wer in der Absicht, sich oder einem andern das Fortkommen zu erleichtern,

StGB) mit Fr. 20.- gebüsst.
B. - Mit Eingabe vom 7. September 1950 beantragt das eidg. Militärdepartement,
vertreten durch den Oberauditor der Armee, das bürgerliche Strafverfahren
aufzuheben und die Akten dem eidg. Militärdepartement zur Erteilung des
Befehls für die Anhebung der Voruntersuchung an das Divisionsgericht 8 zu
überweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- G. und D. sind von den bürgerlichen Strafbehörden für Handlungen verfolgt
und bestraft worden, für welche die militärischen Stellen die Zuständigkeit
zur Verfolgung und Beurteilung durch Erhebung des Kompetenzkonfliktes im Sinne
von Art. 223
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 223 - 1 Anstände über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit werden vom Bundesstrafgericht endgültig entschieden.376
1    Anstände über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit werden vom Bundesstrafgericht endgültig entschieden.376
2    Das Bundesstrafgericht hebt Verfahren oder Urteile auf, die einen Übergriff der zivilen in die militärische Gerichtsbarkeit oder der militärischen in die zivile Gerichtsbarkeit enthalten. Es trifft nötigenfalls vorsorgliche Massnahmen.377
3    Die infolge des aufgehobenen Urteils vollzogene Strafe wird auf eine infolge des andern Urteils zu erstehende Strafe angerechnet.
MStG in Anspruch nehmen. Es liegt also ein positiver
Kompetenzkonflikt vor. Dieser kann noch erhoben werden, wenn bereits ein
rechtskräftiges Urteil ergangen ist. Selbst die Vollstreckung eines Urteils
würde ihn nicht ausschliessen. Anderseits ist er schon zulässig, obwohl eine
Voruntersuchung durch die militärischen Behörden noch nicht angeordnet worden
ist und eine Überweisung infolgedessen noch nicht stattgefunden hat.

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2.- Der Stellungspflichtige untersteht dem Militärstrafrecht und damit der
militärischen Gerichtsbarkeit mit Bezug auf die Stellungspflicht sowie während
der Dauer der Aushebung bis zur Entlassung durch die Aushebungsbehörde (Art. 2
Ziff. 5
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dasjenige Gesetz anzuwenden, das für ihn das mildere ist.
, Art. 218
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 218 - 1 Untersteht eine Person dem Militärstrafrecht, so ist sie unter Vorbehalt der Artikel 9 und 9a der Militärgerichtsbarkeit unterworfen.368
1    Untersteht eine Person dem Militärstrafrecht, so ist sie unter Vorbehalt der Artikel 9 und 9a der Militärgerichtsbarkeit unterworfen.368
2    Diese Unterstellung gilt auch, wenn die strafbare Handlung im Ausland begangen wird.
3    Die dem Militärstrafrecht unterstehenden Personen sind ferner der Militärgerichtsbarkeit unterworfen, wenn sie bei einer militärischen Übung, bei einer dienstlichen Verrichtung der Truppe oder im Zusammenhang mit einer in diesem Gesetz vorgesehenen strafbaren Handlung eine Widerhandlung gegen die Gesetzgebung des Bundes über den Strassenverkehr begehen. Die Strafbestimmungen des zivilen Rechts sind anwendbar. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.
4    Der Militärgerichtsbarkeit ist auch unterworfen, wer während der Dienstzeit unbefugt geringfügige Mengen von Betäubungsmitteln im Sinne von Artikel 1 des BetmG369 vorsätzlich konsumiert oder besitzt oder zum eigenen Konsum eine Widerhandlung gegen Artikel 19 BetmG begeht. Der Täter wird disziplinarisch bestraft.370
MStG). Er wird damit dem militärischen Strafrecht in
zweifacher Hinsicht unterworfen. Während der Dauer der Aushebung ist die
Unterstellung zwar zeitlich, aber nicht sachlich beschränkt. Der
Stellungspflichtige befindet sich während der Dauer der Aushebung in derselben
Lage wie eine Militärperson. Dagegen ist die Unterwerfung, soweit sie auf die
Stellungspflicht Bezug hat, zeitlich nicht beschränkt. Dem
Stellungspflichtigen wird zwar damit in erster Linie auferlegt, sich an einem
bestimmten Tage zur Aushebung einzufinden. Diese Seite der Pflicht kommt
namentlich in den beiden romanischen Texten des Art. 2 Ziff. 5 («pour ce qui
concerne l'obligation de se présenter», «per quanto concerne l'obligo di
presentarsi») deutlich zum Ausdruck. Doch folgt daraus nicht etwa, dass die
Obliegenheiten des Stellungspflichtigen sich darauf beschränken. Denn mit
Bezug auf die Stellungspflicht befindet sich der Stellungspflichtige in der
Lage der Dienstpflichtigen, der seine militärischen Pflichten ausserhalb des
Dienstes vernachlässigt. Er untersteht dem Militärstrafrecht für alle
Handlungen, die sich auf die Stellungspflicht beziehen. Dazu gehören auch
Handlungen, die begangen wurden, bevor der Pflichtige mit den militärischen
Behörden in Berührung kommt, nämlich alle jene Handlungen, die auf die
Dienstpflicht von Einfluss sind, mit denen bewirkt werden soll, dass der
stellungspflichtige dienstuntauglich erklärt werde, oder mit denen eingewirkt
werden soll auf die Verfügungen der Aushebungsbehörden mit Bezug auf die
militärische Einteilung.
Nach der Verordnung des Bundesrates über die Abgabe von Armee-Motorrädern vom
25. August 1939 kann die Abteilung für leichte Truppen die Einteilung des
Stellungspflichtigen zu den Motorradfahrern von der Vorlage einer

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Erklärung abhängig machen, wonach dieser in der Lage ist, ein Armee-Motorrad
zu übernehmen, zu bezahlen und zu unterhalten. Wer eine derartige Erklärung
abgibt, sei es bei in zuständigen kantonalen Kreiskommando zu dem Zwecke,
dessen Visum für die Richtigkeit der Erklärung zu erhalten, sei es, falls er
dieses bereits erhalten hätte, bei der zuständigen Aushebungsstelle, begeht
eine Handlung, die Bezug hat auf seine Stellungspflicht er verletzt, wenn er
dabei einen Tatbestand des MStG begründet. Pflichten, die ihm als
Stellungspflichtigem obliegen, und untersteht dafür dem Militärstrafrecht und
der militärischen Gerichtsbarkeit.
3.- Sind an einem rein militärischen Vergehen oder Verbrechen im Sinne der
Art. 61 bis
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 218 - 1 Untersteht eine Person dem Militärstrafrecht, so ist sie unter Vorbehalt der Artikel 9 und 9a der Militärgerichtsbarkeit unterworfen.368
1    Untersteht eine Person dem Militärstrafrecht, so ist sie unter Vorbehalt der Artikel 9 und 9a der Militärgerichtsbarkeit unterworfen.368
2    Diese Unterstellung gilt auch, wenn die strafbare Handlung im Ausland begangen wird.
3    Die dem Militärstrafrecht unterstehenden Personen sind ferner der Militärgerichtsbarkeit unterworfen, wenn sie bei einer militärischen Übung, bei einer dienstlichen Verrichtung der Truppe oder im Zusammenhang mit einer in diesem Gesetz vorgesehenen strafbaren Handlung eine Widerhandlung gegen die Gesetzgebung des Bundes über den Strassenverkehr begehen. Die Strafbestimmungen des zivilen Rechts sind anwendbar. In leichten Fällen erfolgt disziplinarische Bestrafung.
4    Der Militärgerichtsbarkeit ist auch unterworfen, wer während der Dienstzeit unbefugt geringfügige Mengen von Betäubungsmitteln im Sinne von Artikel 1 des BetmG369 vorsätzlich konsumiert oder besitzt oder zum eigenen Konsum eine Widerhandlung gegen Artikel 19 BetmG begeht. Der Täter wird disziplinarisch bestraft.370
85 MStG andere, nicht dein militärischen Strafrecht unterworfene
Personen beteiligt, so unterstehen diese ebenfalls der militärischen
Gerichtsbarkeit (Art. 6
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 6 - 1 Die für Kriegszeiten vorgesehenen Bestimmungen gelten nicht nur, wenn die Schweiz sich im Kriege befindet, sondern auch, wenn der Bundesrat bei unmittelbar drohender Kriegsgefahr ihre Anwendung beschliesst.
1    Die für Kriegszeiten vorgesehenen Bestimmungen gelten nicht nur, wenn die Schweiz sich im Kriege befindet, sondern auch, wenn der Bundesrat bei unmittelbar drohender Kriegsgefahr ihre Anwendung beschliesst.
2    Der Bundesratsbeschluss ist sofort vollziehbar. Er ist sobald als möglich der Bundesversammlung vorzulegen; sie entscheidet über die Aufrechterhaltung.
MStG). Die Frage der Anwendbarkeit des militärischen
Strafrechtes liesse sich jedoch nicht entscheiden, wenn nicht im
Kompetenzkonfliktsverfahren festgestellt werden könnte, ob Beteiligung an
einem Tatbestand, der die Zuständigkeit des Militärrichters begründet, in
Frage steht. Doch befindet das Bundesgericht damit über die Frage, ob der
Täter sich strafbarer Beteiligung schuldig gemacht habe, nicht endgültig. Es
erklärt nur, wenn sie anzunehmen sei, sei die Zuständigkeit des
Militärrichters gegeben.
Nach den Akten hat sich i). an der von G. begangenen Handlung beteiligt, indem
er die Urkunde, die dieser dem Kreiskommando vorwies, unterzeichnet und G.
übergeben hat, damit dieser davon Gebrauch mache. Dass hierin eine Beteiligung
an einem militärischen Delikt zu erblicken ist, muss deshalb angenommen
werden. weil die Bescheinigung dienstliche Bedeutung hat. Dem entspricht die
Praxis des Militärkassationsgerichtes, wonach dienstliche Aktenstücke nicht
bloss diejenigen sind, die von militärischen Stellen ausgefertigt werden,
sondern auch solche, die von Privatpersonen stammen. nach ihrer
Zweckbestimmung

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aber dienstliche Bedeutung haben (Entscheidungen des
Militärkassationsgerichtes Bd. 4 No. 46 und 92).
4.- Die von einem bürgerlichen Gericht geführten Strafverfahren und die
gestützt darauf ergangenen Urteile vom 25. März 1950 sind aus diesen Gründen
als nichtig aufzuheben.
Demnach erkennt das Bundesgericht
Die von den bürgerlichen Strafbehörden von Obwalden gegen G. und D.
durchgeführten Verfahren werden mit Einschluss der Urteile vom 25. März 1950
aufgehoben; für die Verfolgung und Beurteilung der den Beschuldigten zur Last
gelegten Handlungen werden die militärischen Gerichte als zuständig erklärt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 76 I 191
Date : 01. Januar 1949
Published : 18. Oktober 1950
Source : Bundesgericht
Status : 76 I 191
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : Art. 2 Ziff. J und Art. 6 MStG. Umfang der Unterwerfung der Stellungspflichtigen unter das MStG...


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