BGE 75 IV 169
40. Urteil des Kassationshofes vom 16. Dezember 1949 i. S. Moser gegen
Generalprokurator des Kantons Bern.
Regeste:
Art. 261 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 261 - Wer öffentlich und in gemeiner Weise die Überzeugung anderer in Glaubenssachen, insbesondere den Glauben an Gott, beschimpft oder verspottet oder Gegenstände religiöser Verehrung verunehrt, |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
Vorsätzliche Tierquälerei, begangen durch Abgabe eines « Strafschusses », auf
einen Jagdhund. Der Täter hatte nicht « zureichende Gründe » zur Annahme, er
sei zur Tat berechtigt.
Art 264 ch. 1 al. 1 et 20 CP.
Délit commis intentionnellement par un chasseur ayant tiré un coup de feu sur
son chien pour le punir. L'auteur n'avait pas de raisons suffisantes de se
croire en droit d'agir.
Art. 264, cifra 1, cp. 1 e 20 CP.
Intenzionale maltrattamento di animali da parte di un cacciatore che ha tirato
un colpo sul suo cane per punirlo. Egli non aveva motivi sufficienti per
credersi in diritto di agire.
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A. - Als der Vorstehhund Mosers am 4. Oktober 1948 auf der Feldjagd zwischen
Seedorf und Lobsigen Miene machte, in einem nahen Walde zu verschwinden,
vermutlich um Rehe zu hetzen, und den Zurufen seines Herrn nicht Folge
leistete, lud dieser sein Jagdgewehr mit einer Schrotladung Nr. 7 (2 1/2 mm)
und schoss aus 70 bis 80 m Entfernung auf den Hinterteil des Hundes, um diesen
für seinen Ungehorsam zu bestrafen. Der Hund bellte auf und floh Richtung
Seedorf, wo er bei den ihm völlig unbekannten Eheleuten Ruchti auf der Laube
Zuflucht suchte. Er hinkte und blutete an einem Hinterbein und in der Gegend
des Afters. Treppe, Laube und Küche der Eheleute Ruchti wurden mit Blut
verschmiert. Nach einiger Zeit holte Moser den Hund und erklärte, er werde
noch mehr auf ihn schiessen, wenn er ihm nicht gehorche. Das Tier hinkte noch
zwei Tage lang.
B. - Am 24. Mai 1949 erklärte das Obergericht des Kantons Bern Moser der
Tierquälerei schuldig und büsste ihn mit Fr. 400.-.
Zur Begründung führte es aus, unter Misshandlung im Sinne von Art. 264 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 264 - Mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren wird bestraft, wer, in der Absicht, eine durch ihre Staatsangehörigkeit, Rasse, Religion oder ethnische, soziale oder politische Zugehörigkeit gekennzeichnete Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten: |
|
a | Mitglieder dieser Gruppe tötet oder auf schwerwiegende Weise in ihrer körperlichen oder geistigen Unversehrtheit schädigt; |
b | Mitglieder der Gruppe Lebensbedingungen unterwirft, die geeignet sind, die Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten; |
c | Massnahmen anordnet oder trifft, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; |
d | Kinder der Gruppe gewaltsam in eine andere Gruppe überführt oder überführen lässt. |
StGB sei die unnötige Verursachung von Leiden und Schmerzen zu verstehen. Der
dem Tier zugefügte Schmerz müsse erheblich sein; nicht jede in einem
vernünftigen Rahmen bleibende Züchtigung sei Tierquälerei. Es dürfe aber nicht
nur der physische Schmerz berücksichtigt werden; auch die Zufügung psychischer
Qualen stelle unter Umständen Tierquälerei dar. Im vorliegenden Falle sei der
objektive Tatbestand erfüllt. Der Hund sei durch mindestens zwei Schrotkugeln
an einem Hinterbein und in der äusserst empfindlichen Aftergegend verletzt
worden. Die eine Wunde habe bewirkt, dass das Tier zwei Tage lang hinkte. Der
Blutverlust müsse erheblich gewesen sein, sonst wäre es nicht nötig gewesen,
der Blutspuren wegen Treppe, Laube und Küche des Hauses Ruchti aufzuwaschen.
Der Umstand, dass das Tier weit weg von seinem Herrn geflohen sei und bei ganz
unbekannten Leuten Zuflucht gesucht habe, lasse
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auf beträchtliche körperliche Schmerzen und grosse Angst schliessen. Die
Zufügung solcher Leiden habe mit einer in vernünftigem Rahmen bleibenden
Züchtigung nichts mehr zu tun. Auch der subjektive Tatbestand der Tierquälerei
sei erfüllt; Moser habe die dem Tier zugefügten Verletzungen und Schmerzen
gewollt. Der Angeschuldigte berufe sich darauf, der Strafschuss sei in
gewissen Jägerkreisen allgemein üblich und werde von anerkannten Fachleuten
als zulässig erachtet; er lege zwei Privatexpertisen angesehener Hundezüchter
und verschiedene ausländische Bücher über Hundedressur vor; er mache somit
geltend, er habe sich zur Tat berechtigt halten dürfen. Er habe indes nicht
zureichende Gründe für seine irrige Auffassung. Auch eine weitverbreitete
Ansicht entbinde niemanden von der Pflicht zur selbständigen Prüfung der
Frage, ob eine bestimmte Tat erlaubt sei oder nicht. Dass er mindesten etwas
Verwerfliches, wenn nicht sogar etwas Strafbares begehe, sei für den
Angeschuldigten erkennbar gewesen. Im übrigen befürworte in der Schweiz nur
eine kleine Minderheit von Hundehaltern die Strafschussmethode. Es könne nicht
argumentiert werden, bei der Jagd sei das Schiessen auf jagdbare Tiere
erlaubt, also müsse auch auf Jagdhunde geschossen werden dürfen. Abgesehen
davon, dass der Jäger, der das Wild schiesse, ein ihm kraft seines
Jagdpatentes oder Revierpachtvertrages zustehendes gesetzliches Recht ausübe,
mache auch er sich der Tierquälerei schuldig, wenn er Jagdtiere unnötig quäle,
statt sie möglichst rasch zu töten. Strafschüsse seien zudem gar nicht nötig,
um Hunde zu unbedingtem Gehorsam zu erziehen.
C. - Moser führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, ihn freizusprechen.
Er bestreitet, dass der abgegebene Strafschuss auf eine Misshandlung des
Tieres, die Zufügung erheblicher Schmerzen, hinausgelaufen sei, und rügt, dass
dem Antrage, darüber das Gutachten eines Tierarztes einzuholen, keine
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Folge gegeben worden sei. Auch habe er den Willen nicht gehabt, dem Hunde
Schmerzen zuzufügen, habe also nicht vorsätzlich gehandelt. Sodann verletze
das Urteil Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
Fachliteratur und auf Ansichten angesehener Jäger und Züchter berufen, um
darzutun, dass er sich als zum Strafschuss berechtigt gehalten habe. Wenn
seine Auffassung irrig sei, müsse man ihm mindestens zugute halten, dass er
dafür zureichende Gründe gehabt habe.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- In welchem Masse dem Tier durch den Schuss Schmerzen und Leiden zugefügt
worden sind, ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers Tat-, nicht
Rechtsfrage. Ob der kantonale Richter sie von sich aus hat beantworten dürfen
oder gehalten war, sich von einem Tierarzte beraten zu lassen, ist eine Frage
des kantonalen Prozessrechtes, dessen Anwendung der Kassationshof nicht zu
überprüfen hat (Art. 269 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
durch die Nichtanordnung einer solchen Begutachtung nicht verletzt worden.
Dass Verletzungen und Begleiterscheinungen, wie sie als Folge des Schusses
festgestellt worden sind, die Tat des Beschwerdeführers zur Misshandlung im
Sinne von Art. 264 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 264 - Mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren wird bestraft, wer, in der Absicht, eine durch ihre Staatsangehörigkeit, Rasse, Religion oder ethnische, soziale oder politische Zugehörigkeit gekennzeichnete Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten: |
|
a | Mitglieder dieser Gruppe tötet oder auf schwerwiegende Weise in ihrer körperlichen oder geistigen Unversehrtheit schädigt; |
b | Mitglieder der Gruppe Lebensbedingungen unterwirft, die geeignet sind, die Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten; |
c | Massnahmen anordnet oder trifft, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; |
d | Kinder der Gruppe gewaltsam in eine andere Gruppe überführt oder überführen lässt. |
Tierquälerei machen, sollte heutzutage im Ernste nicht mehr in Abrede gestellt
werden. Wie das Obergericht mit zutreffender Begründung ausführt, ist sie auch
rechtswidrig.
Dass der Beschwerdeführer den Schuss bewusst und gewollt abgegeben und auch
die eingetretenen Folgen (Verletzungen und Schmerzen) gewollt hat, sind
Tatsachen, die das Obergericht verbindlich festgestellt hat und mit der
Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden können (Art. 277bis Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 264 - Mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren wird bestraft, wer, in der Absicht, eine durch ihre Staatsangehörigkeit, Rasse, Religion oder ethnische, soziale oder politische Zugehörigkeit gekennzeichnete Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten: |
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a | Mitglieder dieser Gruppe tötet oder auf schwerwiegende Weise in ihrer körperlichen oder geistigen Unversehrtheit schädigt; |
b | Mitglieder der Gruppe Lebensbedingungen unterwirft, die geeignet sind, die Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten; |
c | Massnahmen anordnet oder trifft, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; |
d | Kinder der Gruppe gewaltsam in eine andere Gruppe überführt oder überführen lässt. |
Art. 273 Abs. 1 lit. b
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
Tierquälerei (Vorsatz) fest.
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2.- Die Gründe, auf die sich der Beschwerdeführer beruft, um den behaupteten
Rechtsirrtum zu rechtfertigen, sind nicht zureichend im Sinne des Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an. |
StGB. Auf ausländische Bücher über Hundedressur kann sich der Beschwerdeführer
zum vornherein nicht berufen, da er sich sagen musste, dass im Auslande
herrschende Auffassungen nicht dafür massgebend sein können, was nach
schweizerischem Rechte zulässig ist. Und die von einer kleinen Minderheit
schweizerischer Hundehalter vertretene Ansicht, dass Strafschüsse zulässig
seien, hätte der Beschwerdeführer sich nur zu eigen machen dürfen, wenn er
einigermassen einleuchtende Gründe dafür anzuführen vermöchte, warum gerade
der Hundehalter oder insbesondere der Jäger sich gegenüber seinem Tiere
Misshandlungen erlauben dürfe, die der klare Wortlaut des Art. 264
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 264 - Mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren wird bestraft, wer, in der Absicht, eine durch ihre Staatsangehörigkeit, Rasse, Religion oder ethnische, soziale oder politische Zugehörigkeit gekennzeichnete Gruppe als solche ganz oder teilweise zu vernichten: |
|
a | Mitglieder dieser Gruppe tötet oder auf schwerwiegende Weise in ihrer körperlichen oder geistigen Unversehrtheit schädigt; |
b | Mitglieder der Gruppe Lebensbedingungen unterwirft, die geeignet sind, die Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten; |
c | Massnahmen anordnet oder trifft, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; |
d | Kinder der Gruppe gewaltsam in eine andere Gruppe überführt oder überführen lässt. |
jedermann verbietet. Dass der Zweck, den Hund zum Gehorsam zu erziehen, das
vom Beschwerdeführer angewandte Mittel nicht heiligen kann, hätte der
Beschwerdeführer bei seiner Intelligenz und Bildung erkennen können, ebenso,
dass es nicht das gleiche ist, ob ein Jäger gestützt auf seine von Gesetz und
Behörden anerkannte Jagdberechtigung auf das Wild schiesst, um es rasch und
mit einem Mindestmass von Schmerz zu töten, oder ob er seinem Hunde Schrot in
der Leib schickt, um ihn zu züchtigen.
3.- Nach der vernichtenden Bewertung, welche die in Frage stehende «
Züchtigungs- » oder « Erziehungsmethode » in den bei den Akten liegenden
Meinungsäusserungen eines Jagdsachverständigen (des Sekretärs des
Schweizerischen Jagdschutzvereins, Vetterli) und eines Hundezüchters (des
Kursleiters im Kriegs- und Diensthundewesen der Armee, Schmutz) gefunden hat'
hätte die Beschwerde unterbleiben dürfen. Dem ist bei der Bemessung der
Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.