S. 156 / Nr. 36 Strafgesetzbuch (d)

BGE 75 IV 156

36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Dezember 1949 i. S.
Blaser gegen Polizeidepartement des Kantons Solothurn.

Regeste:
Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB.
Vollzug einer bedingt aufgeschobenen Strafe, weil der Verurteilte das in ihn
gesetzte Vertrauen enttäuscht. Voraussetzung ist ein so verwerfliches
Verhalten des Verurteilten, dass er auch ohne Ermahnung sich bewusst sein
muss, pflichtwidrig zu handeln. Einer vorausgegangenen förmlichen Mahnung zum
Wohlverhalten bedarf es nicht.
Art. 41 ch. 3 OP.
Exécution d'une peine conditionnelle, parce que le condamné trompe la
confiance mise en lui. Cela suppose une conduite si répréhensible que, même
sans avertissement, il doit se rendre

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compte qu'il manque à ses devoirs. Un avertissement formel préalable n'est
alors pas nécessaire.
Art. 41, cifra 3, CP.
Esecuzione d'una pepa condizionale pel fatto che il condannato delude la
fiducia in lui riposta. Ne è presupposto una condotta così riprensibile
ch'egli deve rendersi conto, anche senz'awertimento, di mancare ai suoi
doveri. Un formale avvertimento non d necessario

Erwägungen:
Gemäss Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB ordnet der Richter den bedingt aufgeschobenen
Vollzug der Strafe an, wenn der Verurteilte während der Probezeit vorsätzlich
ein Verbrechen oder ein Vergehen begeht oder trotz förmlicher Mahnung des
Richters einer ihm erteilten Weisung zuwiderhandelt oder sich beharrlich der
Schutzaufsicht entzieht oder in anderer Weise das auf ihn gesetzte Vertrauen
täuscht.
Der Beschwerdeführer ist der ihm vom Richter erteilten Weisung, jährlich dem
Dysli Fr. 1000.- und dem Gilgen Fr. 600.- an den ihnen durch Veruntreuung
zugefügten Schaden von Fr. 5000.- bezw. Fr. 3000.- zurückzuerstatten, nicht
nachgekommen. Das allein rechtfertigt indessen den Widerruf des bedingten
Strafvollzugs nicht, weil keine « förmliche Mahnung des Richters »
vorausgegangen ist. Das Obergericht hat denn auch nicht diesen Widerrufsgrund
angerufen; vielmehr hat es angenommen, der Beschwerdeführer habe das auf ihn
gesetzte Vertrauen in anderer Weise getäuscht.
Die Auffassung des Obergerichts, dass in diesem Falle eine vorgängige Mahnung
nicht nötig sei, hat, wie bereits im Falle Pulver (BGE 72 IV 148) gesagt
worden ist, den Wortlaut von Art. 41 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
StGB für sich. Es bestehen keine
Anhaltspunkte dafür, dass diese Ordnung dem Sinne des Gesetzes nicht
entspräche und vom Gesetzgeber nicht gewollt wäre. Indem das Gesetz nicht nur
die Missachtung von Weisungen, sondern allgemein ein das Vertrauen des
Richters enttäuschendes Verhalten als Grund zum Vollzug der Strafe erklärt,
verlangt es, dass der unter

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Bewährungsprobe stehende Verurteilte sich der Wohltat des bedingten
Strafvollzuges würdig erweise, d. h. dass er sich nicht eines Verhaltens
schuldig mache, in dessen Voraussicht der Strafvollzug nicht aufgeschoben
worden wäre. Es handelt sich um eine Generalklausel, die vom Gesetzgeber mit
Absicht allgemein gehalten worden ist, um auf Tatbestände der verschiedensten
Art angewendet werden zu können. Der dem Richter damit eingeräumte weite
Spielraum freien Ermessens würde zu sehr beschränkt, wenn man auch hier eine
vorgängige Mahnung fordern würde; denn dies hätte zur Folge, dass ein
einmaliges Verhalten, auch wenn es noch so verwerflich wäre, in keinem Falle
den Widerruf des bedingten Strafvollzugs herbeiführen könnte, ja dass nicht
einmal eine länger dauernde anstössige Lebensführung genügen würde, solange
der Richter davon nicht Kenntnis erhalten und den Verurteilten verwarnt hätte.
Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein. Immerhin darf, wie bereits in BGE
72 IV 148 ausgesprochen wurde, das Vertrauen nicht leichthin als getäuscht
angesehen werden; erforderlich ist ein so verwerfliches Verhalten des
Verurteilten, dass er sich auch ohne Ermahnung bewusst sein muss,
pflichtwidrig zu handeln, das auf ihn gesetzte Vertrauen zu enttäuschen
(Urteil vom 25. Februar 1949 i. S. Wullschleger, nicht publiziert). Sodann
darf selbstverständlich die Möglichkeit, bei Täuschung des Vertrauens des
Richters den Vollzug der Strafe ohne Mahnung anzuordnen, nicht zu einer
Umgehung der Bestimmung der gleichen Gesetzesstelle führen, wonach bei
Missachtung einer richterlichen Weisung der Vollzug der Strafe nur nach
vorgängiger Mahnung zulässig ist.
Im vorliegenden Falle scheint bei Einleitung des Widerrufsverfahrens und noch
vor erster Instanz die Enttäuschung darüber, dass der Beschwerdeführer den ihm
erteilten Weisungen inbezug auf den Ersatz des Schadens nicht nachgelebt hat,
im Vordergrund gestanden zu sein. Erst im Urteil des Obergerichts wird klar
hervorgehoben, dass der Widerruf nur im Hinblick auf das allgemein

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verwerfliche Verhalten des Beschwerdeführers erfolgt. Dieses steht allerdings
in engem Zusammenhang mit der Nichtbezahlung der Gläubiger Dysli und Gilgen,
deretwegen der Beschwerdeführer nie gemahnt worden ist, doch werden ihm
darüber hinaus weitere Vorhalte gemacht, die für sich allein den Widerruf zu
rechtfertigen vermögen. Dem Beschwerdeführer, der als Inhaber eines unseriösen
Inkasso und Verwaltungsbureaus namhafte Beträge veruntreut hatte, ist der
bedingte Strafvollzug gewährt worden in der Erwartung, dass er sich bemühen
werde, sich durch ernsthafte Arbeit ehrlich durchzubringen und seinen Aufwand
dem Einkommen anzupassen. Dieses Vertrauen hat der Beschwerdeführer getäuscht,
wie die auf den Polizeiberichten beruhenden, für den Kassationshof
verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der beiden Vorinstanzen ergeben.
Der Beschwerdeführer hat über seine Verhältnisse gelebt (zu grosse Wohnung,
Autofahrten, Ferien, Pelzmantel der Frau, Dienstmädchen usw.) und hat dabei,
da er selbst nicht über entsprechende Mittel verfügte und arbeitsscheu war,
andere Leute geschädigt. So hat er in höchst anfechtbarer Weise vom Arbeiter
Aebi ein Darlehen im Betrag von Fr. 2000.- aufgenommen, obschon er wissen
musste, dass er nicht in der Lage sein werde, es zurückzubezahlen. Dass das
Darlehen dann in der Folge angeblich vom Teilhaber des Beschwerdeführers
übernommen wurde, ist nicht geeignet, den Beschwerdeführer zu entlasten.
Ferner hat er auch seine Teilhaber, insbesondere Westenholz, zu Verlust
gebracht, nicht zuletzt wiederum durch sein unseriöses Geschäftsgebahren.
Soweit sich die Beschwerde gegen diese Feststellungen richtet, handelt es sich
um eine unzulässige Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung (Art.
277bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
, Art. 273 Abs. 1 lit. b
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
1    Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn:
a  eine solche geboten erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten; oder
b  eine Geldstrafe voraussichtlich nicht vollzogen werden kann.
2    Es hat die Wahl der Freiheitsstrafe näher zu begründen.
3    Vorbehalten bleibt die Freiheitsstrafe anstelle einer nicht bezahlten Geldstrafe (Art. 36).
BStP).
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 75 IV 156
Date : 01. Januar 1948
Published : 23. Dezember 1949
Source : Bundesgericht
Status : 75 IV 156
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 41 Ziff. 3 StGB.Vollzug einer bedingt aufgeschobenen Strafe, weil der Verurteilte das in ihn...


Legislation register
BStP: 273  277bis
StGB: 41
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72-IV-145 • 75-IV-156
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