BGE 75 IV 15
5. Urteil des Kassationshofes vom 4. Februar 1949 i. S. Feisst gegen
Generalprokurator des Kantons Bern.
Regeste:
1. Art. 150
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 150 - Wer, ohne zu zahlen, eine Leistung erschleicht, von der er weiss, dass sie nur gegen Entgelt erbracht wird, namentlich indem er |
1-3).
2. Art. 29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
|
a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
Zechprellerei (Erw. 4).
3. Art. 150 CP. Eléments objectifs et subjectifs de la filouterie d'auberge
(consid. 1 à 3).
4. Art. 29 CP. Point de départ du délai pour se plaindre de filouterie
d'auberge (consid. 4).
5. Art. 150 CP. Elementi oggettivi e soggettivi della frode dello scotto
(consid. 1-3)
6. Art. 29 CP. Inizio del termine per sporgere querela a motivo d'una frode
dello scotto (consid. 4).
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A. - Walter Feisst liess sich ab 31. August 1946 für unbestimmte Zeit im
Gasthof des Gottfried Röthlisberger beherbergen und bewirten, wobei er sich
verpflichtete, die Rechnung jeden Monat zu begleichen. Am 11. Oktober 1946
bezahlte er einen Teil seiner Schuld für September und Oktober. Die nächste
Teilzahlung leistete er am 10. Dezember 1946. Fr. 640.35 blieb er schuldig.
Bis 14. Januar 1947 stieg die Schuld um weitere Fr. 277.95 auf Fr. 918.30 an.
An diesem Tage verliess Feisst den Gasthof mit der Bemerkung, er werde in drei
bis vier Tagen zurückkommen. Er erschien nicht mehr und bezahlte seine Schuld
nicht, auch nicht, nachdem er dem Wirte im Februar 1947 telephoniert hatte, er
werde zur Begleichung der Rechnung vorbeikommen.
B. - Am. 24. Februar 1947 stellte Röthlisberger Strafantrag.
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte Feisst am 27. Februar 1948 wegen
Zechprellerei (Art. 150
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 150 - Wer, ohne zu zahlen, eine Leistung erschleicht, von der er weiss, dass sie nur gegen Entgelt erbracht wird, namentlich indem er |
fünfzehn Tagen Untersuchungshaft.
C. - Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrage, das Urteil
sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht
zurückzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Das Vergehen des Art. 150
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 150 - Wer, ohne zu zahlen, eine Leistung erschleicht, von der er weiss, dass sie nur gegen Entgelt erbracht wird, namentlich indem er |
Gasthaus oder in einer Pension beherbergen oder in einer Wirtschaft oder
Pension Speisen oder Getränke vorsetzen lässt und den Wirt um die Bezahlung
prellt. Geprellt ist der Wirt, wenn er sich in seiner Erwartung, für die
Beherbergung oder Bewirtung des Gastes bezahlt zu werden, enttäuscht sieht.
Wie der Kassationshof schon bisher angenommen hat (Urteil vom 1. Oktober 1943
i.S. Kirchhofer), ist das nicht nur dann der Fall, wenn der Gast überhaupt
nicht bezahlt, sondern schon dann, wenn er es nicht rechtzeitig, in der Regel
also spätestens beim Verlassen der Gaststätte, tut. Schon die
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Hinausschiebung der Zahlung schädigt den Wirt; denn abgesehen von der
Sicherheit der Einnahme entgeht ihm der Nutzen derselben in der Zwischenzeit.
Der Beschwerdeführer glaubt, Art. 150
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 150 - Wer, ohne zu zahlen, eine Leistung erschleicht, von der er weiss, dass sie nur gegen Entgelt erbracht wird, namentlich indem er |
Kriminalität », d.h. die Fälle, wo die Forderung des Wirtes eine gewisse Höhe
nicht übersteige und er zudem habe erwarten können, er werde unmittelbar nach
Erbringung seiner Leistung bezahlt. Diese Auffassung hält nicht stand. Wenn in
den Gesetzesmaterialen und in der Literatur davon die Rede ist, die
Zechprellerei umfasse nur die kleine Kriminalität, nicht auch die Schädigung
des Wirtes im grossen Stil, so wird das ausdrücklich nur in dem Sinne gesagt,
dass für Schwindeleien grossen Stils die Betrugsnorm vorbehalten bleibe
(Protokoll der 2. Exp. K. 7 26 ff.; HAFTER, Besonderer Teil 1 283). Wie denn
auch der Kassationshof schon in BGE 72 IV 120 erklärt hat, wurde Art. 150
erlassen, um dem Wirte einen zusätzlichen Schutz zu gewähren für Fälle, die
von der Bestimmung über den Betrug nicht erfasst werden, weil deren besondere
Tatbestandsmerkmale, namentlich die arglistige Irreführung durch Vorspiegelung
oder Unterdrückung von Tatsachen, fehlen. Wo der Tatbestand des Betruges nicht
erfüllt ist, greift daher Art. 150 Platz, unbekümmert um die Grösse der
Schuld, um deren Bezahlung der Gast den Wirt prellt. Es wäre eine sonderbare
Regelung, den kleinen Zechpreller zu bestrafen, den grossen dagegen laufen zu
lassen. Dass Art. 150 auch schwere Fälle erfasst, zeigt denn auch der
Strafrahmen mit Gefängnis bis zu drei Jahren als Höchststrafe. Ebensowenig
kommt nach dem Wortlaut der Bestimmung etwas darauf an, ob zwischen dem
Eintritt des Gastes in die Gaststätte und dem Zeitpunkt, wo er abmachungs-
oder voraussetzungsgemäss bezahlen sollte, kürzere oder längere Zeit
verstreicht. Es ist ja auch nicht einzusehen, weshalb der Gast, der das
Vertrauen des Wirtes für eine längere Beherbergung oder Bewirtung missbraucht,
weniger strafwürdig sein sollte als einer, der sich schon nach kurzer Zeit um
die
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Bezahlung drückt. Gewiss kommt es vor, dass der Wirt in seiner Erwartung, er
werde bezahlt werden, nicht enttäuscht ist, wenn er den Gast lange Zeit auf
Kredit beherbergt oder bewirtet. Das setzt aber voraus, dass er aus dem
Verhalten des Gastes auf dessen Zahlungsunfähigkeit oder mangelnden
Zahlungswillen geschlossen oder die Möglichkeit, nicht bezahlt zu werden, zum
mindesten bewusst in Kauf genommen hat.
Der Beschwerdeführer wendet ein, dem Wirte sei zuzumuten, sich über den Gast,
den er längere Zeit beherbergen oder bewirten will, zu erkundigen oder die
Gefahr des Kreditierens wie jeder andere Gewerbetreibende auf sich zu nehmen.
Das Gesetz stützt diese Auffassung nicht. Gewiss bietet es dem Gastwirt einen
Schutz, den es anderen Gewerbetreibenden nicht zuteil werden lässt. Die
Zweckmässigkeit der Strafbestimmung gegen die Zechprellerei wurde deshalb in
der zweiten Expertenkommission angezweifelt (Protokoll 7 27). Die Bestimmung
ist jedoch Gesetz geworden und mass deshalb angewendet werden, wie sie lautet.
2.- In subjektiver Hinsicht verlangt Art. 150
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 150 - Wer, ohne zu zahlen, eine Leistung erschleicht, von der er weiss, dass sie nur gegen Entgelt erbracht wird, namentlich indem er |
muss den objektiven Tatbestand kennen und wollen. Erforderlich ist also
insbesondere das Wissen und Wollen, den Wirt zu prellen, ihn entgegen seiner
Erwartung nicht oder nicht rechtzeitig zu bezahlen. Dabei genügt der
Eventualvorsatz, wie ihn die Rechtsprechung (BGE 69 IV 80, 74 IV 83)
umschreibt. Wann der Täter sich zur Tat entschliesst, ob schon im Augenblick,
wo er um die Beherbergung oder Bewirtung nachsucht, oder erst im Verlaufe oder
am Schlusse seines Aufenthaltes in der Gaststätte, ist unerheblich. Auch kommt
nichts darauf an, ob er die Erwartung des Wirtes, in einem bestimmten
Zeitpunkt bezahlt zu werden, arglistig hervorruft.
3.- Der Beschwerdeführer hat sich in einem Gasthof beherbergen und bewirten
lassen und ist bei seinem Weggang vom 14. Januar 1947 dem Wirte Fr. 918.30 -
die
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Vorinstanz beziffert die unbezahlte Schuld bis 31. Januar 1947 auf bloss Fr.
784.55, indem sie offensichtlich die Additionsfehler in den Rechnungen für
Dezember 1946 und Januar 1947 übersieht - schuldig geblieben. Das Obergericht
führt aus, Röthlisberger habe den Beschwerdeführer als zahlungsfähigen und
zahlungswilligen Gast betrachtet und dadurch, dass er ihn beim Eingang der
Teilzahlungen vom 11. Oktober und 10. Dezember 1946 nicht sofort aus dem Hotel
wies, nicht darauf verzichten wollen, dass er den Rest seiner Schuld beim
Verlassen des Hotels bezahle, wie dies üblich sei. Diese Feststellungen sind
tatsächlicher Natur und binden daher den Kassationshof (Art. 277bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 150 - Wer, ohne zu zahlen, eine Leistung erschleicht, von der er weiss, dass sie nur gegen Entgelt erbracht wird, namentlich indem er |
demnach Röthlisberger der Meinung und gewillt, spätestens beim Weggange des
Beschwerdeführers aus dem Gasthof bezahlt zu werden, so enttäuschte ihn der
Beschwerdeführer; Röthlisberger ist, objektiv betrachtet, geprellt.
In subjektiver Hinsicht nimmt das Obergericht an, der Beschwerdeführer habe
entweder nicht den Willen gehabt, die Schuld vor seinem Weggange zu
begleichen, oder er habe nicht über die nötigen Mittel verfügt und auch nicht
mit Sicherheit mit dem Eingang solcher gerechnet, er habe also mindestens die
Eventualabsicht gehabt, den Wirt um die Bezahlung zu prellen. Indessen hat der
Beschwerdeführer auch dann, wenn die zweite Möglichkeit zutrifft,
Röthlisberger nicht bloss mit eventuellem, sondern mit direktem Vorsatz
geprellt. Denn der Wille, die Zahlung nachzuholen, falls er nach der Abreise
zu Geld kommen sollte, widerlegt nicht, dass sich der Beschwerdeführer bewusst
war und es billigte, Röthlisberger zum mindesten vorübergehend zu schädigen.
Das genügt, da auch der objektive Tatbestand nicht mehr verlangt, als dass der
Wirt in seiner Erwartung zum mindesten vorübergehend enttäuscht ist.
4.- Der Einwand des Beschwerdeführers, Röthlisberger habe durch Zuwarten auf
den Strafantrag verzichtet, versagt. Nach Art. 28 Abs. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
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1 | Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
2 | Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist. |
3 | Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar. |
4 | Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos. |
ausdrücklich
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auf den Antrag verzichtet werden, d.h. durch die eindeutige und vorbehaltlose
Erklärung, der Berechtigte sehe ein für allemal davon ab, die Bestrafung des
Täters zu verlangen (BGE 74 IV 87). Durch blosses Zuwarten erlischt das
Antragsrecht nur unter den Voraussetzungen des Art. 29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt: |
|
a | als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person; |
b | als Gesellschafter; |
c | als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder |
d | ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter. |
Nach dieser Bestimmung hat der Antragsberechtigte drei Monate Zeit, sein Recht
auszuüben. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem ihm der Täter und - was Art.
29 nicht ausdrücklich sagt, sich aber von selbst versteht -
die Tat bekannt wird. Von der Zechprellerei erhält der Wirt nicht schon
Kenntnis, wenn sich der Täter bei ihm beherbergen oder bewirten lässt, sondern
erst wenn er weiss, dass der Gast ihn um die Bezahlung prellt. Von der Absicht
des Beschwerdeführers, das zu tun, kann Röthlisberger frühestens Kenntnis
erhalten haben, als der Beschwerdeführer am 14. Januar 1947 den Gasthof
verliess, ohne seine Adresse anzugeben. Die Behauptung des Beschwerdeführers,
der Wirt habe am 24. November 1946 bereits genau gewusst, dass er geprellt
werde, widerspricht der verbindlichen Feststellung des Obergerichts, wonach er
den Beschwerdeführer als zahlungsfähigen und zahlungswilligen Gast betrachtet
hat. Übrigens ist sie mutwillig. Hätte Röthlisberger gewusst, was ihm der
Beschwerdeführer unterschiebt, so hätte er diesen nicht weiter beherbergt und
bewirtet. Der Strafantrag wurde am 24. Februar 1947 für das ganze Vergehen
rechtzeitig gestellt.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Vgl. auch Nr. 7 und 9. - Voir aussi nos 7 et 9.