BGE 75 IV 118
26. Urteil des Kassationshofes vom 24. Juni 1949 i. S. Generalprokurator des
Kantons Bern gegen S.
Regeste:
Art. 201 Abs. I StGB. Merkmale der Zuhälterei.
Art. 201 al. 1 CP. Eléments de l'infraction.
Art. 201, cp. 1 CP. Elementi del reato.
A. - S., geb. 1911, hat keinen Beruf gelernt. Er ist als arbeitsscheuer,
liederlicher Mann bekannt. Er arbeitete nur unregelmässig, verrichtete oft nur
Gelegenheitsarbeiten, insbesondere auch vom Frühjahr 1942 bis Frühjahr 1943.
Vom 31. Mai 1943 bis im März 1945 verdiente er als Kohlenträger insgesamt Fr.
4576.40 und erhielt als Wehrmann von der Lohnausgleichskasse Fr. 1812.55. Vom
Frühjahr 1945 bis im Februar 1946 hatte er keinen Verdienst. Vom Februar bis
14. Oktober 1946 nahm er als Provisionsreisender Fr. 1532.50 ein. Er hielt
sich tagsüber und abends oft in Wirtshäusern oder sonstwo ausserhalb der
ehelichen Einzimmerwohnung auf. Seine Ehefrau benutzte diese, um durch
gewerbsmässige Unzucht das ungenügende und zeitweise fehlende Einkommen ihres
Ehemannes zu ergänzen. Ihr Gewerbe brachte monatlich etwa Fr. 600. ein. Sie
verbrauchte diesen Verdienst und den
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ihres Ehemannes zur Bestreitung der Kosten des gemeinsamen Haushaltes, der
ehelichen Wohnung und ihres Aufwandes für Schmuck und Kleider. Wenn S. Geld
nötig hatte, gab sie es ihm. Er wusste, welches Gewerbe sie ausübte, und liess
sie im grossen und ganzen gewähren. Als sie am 19. April 1946 mit einem
Kunden, der den bezahlten Preis zurückverlangte, Streit hatte und S. zufällig
dazu kam, unterstützte er sie und misshandelte den Kunden, bis das Erscheinen
einer Polizeipatrouille S. veranlasste, seinem Gegner das Geld vor die Füsse
zu werfen.
B. - Am 22./31. Januar 1948 wurde S. dem Amtsgericht von Bern unter der
Anschuldigung, er habe sich seit 1940 der Zuhälterei im Sinne von Art. 201
Abs. 1 StGB schuldig gemacht, zur Beurteilung überwiesen. Das Amtsgericht
sprach ihn am 19. Mai 1948 der gewerbsmässigen Kuppelei schuldig, verurteilte
ihn zu zehn Monaten Gefängnis und Fr. 200. Busse und stellte ihn für drei
Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein.
Das Obergericht des Kantons Bern, vor dem der appellierende Angeschuldigte
Freisprechung, die Staatsanwaltschaft dagegen Verurteilung wegen Zuhälterei
beantragte, sprach S. am 17. November 1948 frei. Es führte aus, der Tatbestand
der Zuhälterei sei nicht erfüllt, weil S. seine Ehefrau nicht ausgebeutet bzw.
unter Druck gesetzt oder zur gewerbsmässigen Unzucht angehalten oder
ermuntert, noch ihr bei der Ausübung ihres Gewerbes Schutz gewährt habe. Auch
Kuppelei liege nicht vor. Es sei nicht nachgewiesen, dass sich S. jeweilen aus
der Wohnung entfernt habe, um seiner Frau das Gewerbe zu erleichtern, und ob
darin, dass er sie im grossen und ganzen gewähren liess, ein Vorschubleisten
zu erblicken sei, möge dahingestellt bleiben, denn es fehle jedenfalls das
Merkmal der Gewinnsucht; es sei durchaus möglich, dass S. seine Ehefrau aus
Gleichgültigkeit, Liederlichkeit, Faulheit oder Bequemlichkeit habe gewähren
lassen.
C. - Der Generalprokurator des Kantons Bern führt Nichtigkeitsbeschwerde mit
dem Antrag, das Urteil des
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Obergerichts sei aufzuheben, soweit S. von der Anschuldigung der Zuhälterei,
begangen seit Mai 1942, freigesprochen wurde. Der Beschwerdeführer macht
geltend, das Obergericht habe Art. 201 Abs. 1 StGB falsch ausgelegt.
D. - S. bestreitet, sich strafbar gemacht zu haben.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 201 StGB ist Zuhälter, wer sich von einer Person, die
gewerbsmässig Unzucht treibt, unter Ausbeutung ihres unsittlichen Erwerbes
ganz oder teilweise unterhalten lässt (Abs. 1), oder wer einer solchen Person
aus Eigennutz bei der Ausübung ihres Gewerbes Schutz gewährt (Abs. 2).
Zum Tatbestand des ersten Absatzes gehört entgegen der Auffassung der
Vorinstanz nicht, dass der Täter die andere Person zur gewerbsmässigen Unzucht
anhalte oder ermuntere; seine Tat braucht weder Ursache noch Mitursache des
unsittlichen Gewerbes zu sein. Der Wortlaut der Bestimmung lässt daran nicht
zweifeln. Insbesondere ergibt sich dieses Merkmal nicht aus dem Begriffe «
Ausbeutung ». Dieses Wort sagt auch nicht, dass Zuhälter nur sei, wer jemanden
durch Druck oder bestimmte andere Mittel (Ausnützung der Abhängigkeit,
Zuneigung usw.) bewegt, ihm aus dem unsittlichen Erwerbe etwas zu leisten. Das
Gesetz verlangt nicht, dass der Täter die andere Person, sondern dass er ihren
unsittlichen Erwerb ausbeute.
Das tut er dann, wenn ihm ihre Unzucht Einkommensquelle ist, ähnlich wie dem
Urproduzenten der Boden oder dem Unternehmer der Betrieb. Die romanischen
Texte, die das Wort « exploiter » bzw. « sfruttare » verwenden, bestätigen
diesen Sinn. Nicht strafbar ist daher z. B., wer einer Dirne für das, was sie
ihm aus dem Ertrag ihres Gewerbes gibt, eine vollwertige Gegenleistung macht,
etwa der Schneider, der ihr die Kleider liefert; Quelle des Erwerbes ist ihm
die eigene Leistung, nicht der Verdienst der Dirne. Auch wer bloss
gelegentlich und ohne die Absicht, den unsittlichen Erwerb der andern Person
dauernd zu nutzen.
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aus ihm einen Vorteil zieht, macht ihn nicht zur Einkommensquelle, so der
Freund, der sich von der Dirne einmal zum Essen einladen oder ein Geschenk
geben lässt.
Das Gesetz verlangt sodann, dass der Täter sich von der Person, die das
unzüchtige Gewerbe ausübt, ganz oder teilweise unterhalten lässt, und zwar
müssen die Unterhaltsleistungen gerade darin ihren Grund haben, dass der Täter
es versteht, den unsittlichen Erwerb der andern Person zu seiner
Einkommensquelle zu machen. Dass dieser ursächliche Zusammenhang nötig ist,
ergibt sich aus dem Worte « unter » in der Wendung « unter Ausbeutung ihres
unsittlichen Erwerbes... » (en exploitant, sfruttando). Er fehlt, wenn dem
Unterhaltenen gegenüber der anderen Person ein Rechtsanspruch auf ihre
Leistungen zusteht, den er nicht in der Absicht hat entstehen lassen, ihre
Unzucht als Einkommensquelle auszubeuten, statt selber für seinen Unterhalt zu
sorgen. Nicht Zuhälter sind daher z. B. das erwerbsunfähige Kind, dessen
Mutter seinen Unterhalt aus dem Ertrage der Unzucht bestreitet, und der in Not
geratene Blutsverwandte, der sich von der Unzucht treibenden Person gestützt
auf Art. 328
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907 CC Art. 328 - 1 Chi vive in condizioni agiate è tenuto a soccorrere i parenti in linea ascendente e discendente quando senza di ciò essi cadessero nel bisogno. |
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1 | Chi vive in condizioni agiate è tenuto a soccorrere i parenti in linea ascendente e discendente quando senza di ciò essi cadessero nel bisogno. |
2 | È fatto salvo l'obbligo di mantenimento dei genitori e del coniuge o del partner registrato.447 |
es vorzieht, seinen Bedarf ganz oder teilweise aus dem unsittlichen Erwerbe
seiner Ehefrau zu decken, statt pflichtgemäss (Art. 160 Abs. 2
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907 CC Art. 160 - 1 Ciascun coniuge conserva il proprio cognome. |
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1 | Ciascun coniuge conserva il proprio cognome. |
2 | Gli sposi possono tuttavia dichiarare all'ufficiale dello stato civile di voler assumere un cognome coniugale; possono scegliere il cognome da nubile o celibe di uno di loro.214 |
3 | Se mantengono ciascuno il proprio cognome, gli sposi determinano il cognome dei figli, scegliendo il cognome da nubile o celibe di uno di loro. In casi motivati, l'ufficiale dello stato civile può liberarli da quest'obbligo.215 |
eigene Arbeit für sich und sein Weib zu sorgen.
2.- Frau S. hat einen Teil ihres unsittlichen Erwerbes zur Bestreitung der
Kosten des gemeinsamen Haushaltes und der ehelichen Wohnung verwendet.
Objektiv hat sie somit aus diesem Erwerbe an den Unterhalt des
Beschwerdegegners beigetragen, ja in der Zeit, da S. überhaupt nichts
gearbeitet hat, ist sie für diesen Unterhalt sogar allein aufgekommen. Aber
auch subjektiv ist der Tatbestand von Art. 201 Abs. 1 erfüllt. Der
Beschwerdegegner hat nicht nur gewusst, dass seine Ehefrau gewerbsmässige
Unzucht trieb und den Erwerb daraus für den Unterhalt beider Ehegatten
verwendete, sondern er hat das auch
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gewollt, denn nach der Feststellung des Obergerichts hat er seine Gattin im
grossen und ganzen gewähren lassen, statt wie ein pflichtbewusster Ehemann
gegen ihr Treiben einzuschreiten. Anderseits hat er nur unregelmässig, ja vom
Frühjahr 1945 bis im Februar 1946 überhaupt nichts gearbeitet, obschon es ihm
nach der Lage auf dem Arbeitsmarkt möglich gewesen wäre, dauernd Arbeit zu
finden, die seinen Fähigkeiten entsprochen hätte. Das kann nur dahin ausgelegt
werden, dass er bewusst und gewollt zeitweise die Arbeit gemieden hat, um als
Schmarotzer aus dem unsittlichen Erwerbe seiner Ehefrau zu leben. Er ist denn
auch als arbeitsscheu bekannt. Wie sehr er am Einkommen seiner Ehefrau aus
gewerbsmässiger Unzucht interessiert gewesen ist, zeigt sein Verhalten vom 19.
April 1946. Daran ändert nichts, dass er damals seine Ehefrau und ihren Kunden
bloss zufällig angetroffen hat.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der II. Strafkammer
des Obergerichts des Kantons Bern vom 17. November 1948 aufgehoben und die
Sache zur Verurteilung des S. wegen Zuhälterei an die Vorinstanz
zurückgewiesen.