S. 93 / Nr. 14 Familienrecht (d)

BGE 75 II 93

14. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Juli 1949 i. S. Altaffer gegen
Altaffer.

Regeste:
Vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsprozess, Art. 145 und 170 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
ZGB.
1. Gegen letztinstanzliche Entscheide betr. solche Massnahmen ist die
Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
OG gegeben
2. Art. 145 und 170 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
ZGB sind erst anwendbar, nachdem der
Scheidungsprozess nach Massgabe des kantonalen Prozessrechts rechtshängig
geworden ist, also nicht schon nach Anrufung des Aussöhnungsrichters, wenn mit
dieser die Rechtshängigkeit noch nicht eintritt.
Mesures provisionnelles dans le procès en divorce, art. 145 et 170 a]. 2 CC.
1. Les jugements de dernière instance concernant ces mesures peuvent être
l'objet d'un recours en nullité selon l'art. 68 OJ.
2. Les art. 145 et 170 al. 2 CC ne sont applicables qu'après que le procès en
divorce est pendant au sens de la procédure cantonale; il ne suffit donc pas
que le juge conciliateur ait été saisi, lorsque cette démarche ne orée pas la
litispendance.
Misure provvisionali in una causa di divorzio (art. 145 e 170 op. 2 CC).
1. Le sentenze dell'ultima giurisdizione cantonale in merito a queste misure
sono impugnabili mediante un rigoroso per nullità a norma dell'art. 68
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
OG.
2. Gli art. 145 e 170 cp. 2 CC sono applicabili soltanto dopo che la causa è
pendente a sensi della procedura cantonale; non basta adunque che il giudice
conciliatore sia stato adito, se ciò non crea la litispendenza.

Maurice Altaffer war bis 1944 Vicekonsul der USA in Zürich, kam dann als
erster Gesandtschaftssekretär nach

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Bern und ist seit 1946 Generalkonsul in Bremen. Seine Frau weigerte sich, ihm
nach Deutschland zu folgen, und blieb mit den drei noch minderjährigen Kindern
in Zürich. Am 25. Mai 1948 leitete die Ehefrau beim Friedensrichteramt Zürich
2 und am 6. September beim Bezirksgericht Zürich, 3. Abteilung, die
Scheidungsklage ein. Schon vor der gerichtlichen Anhängigmachung der Klage
ersuchte die Klägerin mit Eingabe vom 30. Juni 1948 das Bezirksgericht Zürich
(5. Abteilung) um Anordnung vorsorglicher Massnahmen für die Dauer des
Scheidungsprozesses. Der Beklagte bestritt die Zuständigkeit der Zürcher
Gerichte. Mit Beschluss vom 3. August 1948 erklärte sich das Bezirksgericht
zuständig und traf die verlangten vorsorglichen Massnahmen (Vormerknahme vom
Getrenntleben, Zuteilung der minderjährigen Kinder an die Klägerin,
Verpflichtung des Beklagten zur Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von
Fr. 1000.­ sowie eines Prozesskostenvorschusses von Fr. 400.­).
Auf Rekurs des Beklagten bestätigte das Obergericht diesen Beschluss bezüglich
der bestrittenen Zuständigkeit der Zürcher Gerichte, änderte ihn dagegen
materiell in einigen Punkten ab.
Gegen den Entscheid des Obergerichts legte der Beklagte die vorliegende
Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
OG ein mit dem Antrag auf Aufhebung
desselben und Abweisung des Begehrens der Klägerin um Anordnung vorsorglicher
Massnahmen wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes. Zur Begründung
wird ausgeführt, die Vorinstanz setze sich in Widerspruch mit der Praxis des
Bundesgerichts, wonach die Anordnung vorsorglicher Massnahmen im Sinne von
Art. 145 ZGB erst vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage an
zulässig sei. Der angefochtene Entscheid sei daher schon aus diesem Grunde
aufzuheben; selbst wenn ein Scheidungsgerichtsstand in Zürich bestände, wäre
eine Zuständigkeit zum Erlass derartiger Massnahmen vor der Einreichung der
Weisung nicht gegeben gewesen.

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Die Berufungsbeklagte beantragt Nichteintreten auf die Beschwerde, eventuell
Abweisung derselben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Der Entscheid der Vorinstanz betreffend Anordnung vorsorglicher
Massnahmen gemäss Art. 145 ZGB unterliegt der Berufung an das Bundesgericht
nicht; es handelt sich weder um einen Endentscheid im Sinne von Art. 48
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
noch
um einen Zwischenentscheid über die Zuständigkeit in der Hauptsache im Sinne
von Art. 49
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
OG, sondern lediglich um die Zuständigkeit im Verfahren gemäss
Art. 145 ZGB selbst (BGE 41 II 329, 72 II 323 E. 1). Ausser dem
Beschwerdegrund des Art. 68 Abs. 1 lit. b
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
OG ­ örtliche Unzuständigkeit des
zürcherischen Richters mangels Wohnsitzes der Klägerin in Zürich ­ wird auch
derjenige der lit. a angerufen mit der Behauptung, der Erlass vorsorglicher
Massnahmen schon vor gerichtlicher Klageerhebung gemäss § 258 Ziff. 1 zürch.
ZPO verstosse gegen eidgenössisches Recht. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist
daher einzutreten.
2. ­ Die angefochtenen Massnahmen wurden auf Grund von Art. 145 ZGB
angeordnet, und die Vorinstanz lehnt ausdrücklich eine «Umdeutung » derselben
in Massnahmen zum Schutze der ehelichen Gemeinschaft gemäss Art. 170 Abs. 3
ab. Die Vorinstanzen stützen sich auf § 258 Ziff. 1 ZPO, der lautet:
« Das Bezirksgericht beschliesst auf schriftliches Begehren, nach Anhören der
Parteien und Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse nötigenfalls unter
Ansetzung einer mündlichen Verhandlung,
1. über vorsorgliche Massnahmen nach Einleitung der Ehescheidungsklage beim
Friedensrichteramt (ZGB 145, 170 Abs. 2);»
Die zürcherische Regelung stellt mithin für die Zulässigkeit vorsorglicher
Massnahmen nach Art. 145 ZGB auf die Einleitung der Klage beim Friedensrichter
ab (Komm. STRÄULI ZU § 258, N. 4). Diese Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen
Eheschutz- und Ehescheidungsrichter ist jedoch ­ wie die Vorinstanz in Erw. 3
ihres Entscheides

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selber bemerkt ­ mit der vom Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung dem
Art. 145 ZGB gegebenen Auslegung nicht vereinbar, die dahin geht, dass Art.
145 nur zur Anwendung kommt, wenn der Scheidungsprozess nach Massgabe des
kantonalen Prozessrechts bereits rechtshängig geworden ist, also nicht schon
nach Anrufung des Aussöhnungsrichters, wenn das Prozessrecht des betreffenden
Kantons damit die Rechtshängigkeit der Klage noch nicht eintreten lässt (BGE
64 II 177, 184, 72 II 323). Vor Eintritt der Rechtshängigkeit ist es Sache des
Eheschutzrichters, allenfalls vorsorgliche Massnahmen auf Grund von Art. 169
ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
. ZGB zu treffen. Nach zürcherischem Prozessrecht tritt die Rechtshängigkeit
erst mit der Einreichung der Weisung beim Gericht ein (§ 121 ZPO; Komm.
STBÄULI hiezu).
Das Kriterium der Rechtshängigkeit als Beginn der Anwendbarkeit der Massnahmen
gemäss Art. 145 ZGB ist in dieser Bestimmung selbst ausdrücklich aufgestellt.
Als Zeitpunkt, da « die Klage angebracht ist », kann nur der Beginn des
eigentlichen Prozesses, also der Eintritt der Litiskontestation gemeint sein.
Diese erst hat zur Folge, dass von nun an, solange der Prozess nicht beendigt
ist, weder der klagende noch der beklagte Ehegatte an einem andern Orte eine
weitere Scheidungsklage anheben kann. Gerade in der Einrede der bereits
begründeten Rechtshängigkeit der Scheidungsklage findet die ausschliessliche
Zuständigkeit des Scheidungsrichters zu vorsorglichen Massregeln während des
Prozesses die eigentliche Rechtfertigung (BGE 64 II 177). Die Gleichsetzung
des in Art. 145 ZGB verwendeten Begriffs der « Anbringung der Klage » mit dem
Eintritt der Rechtshängigkeit hat den Vorzug, auf ein in jeder Prozessordnung
klar definiertes Kriterium abzustellen und zugleich den Verschiedenheiten der
kantonalen Regelungen Rechnung zu tragen. Lässt eine Prozessordnung die
Rechtshängigkeit schon mit der Anrufung des Friedensrichters eintreten, RO
wird damit auch die Anwendbarkeit des Art. 145

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begründet. Tritt die Litispendenz aber erst mit der Einreichung der Klage
bezw. der Weisung beim Gericht ein, so hätte die Anwendung von Art. 145 und
Art. 170 Abs. 2 schon von der Anrufung der Aussöhnungsinstanz an die Wirkung,
dass die Eheleute in allen Fällen ipso iure zur Aufhebung des gemeinsamen
Haushaltes berechtigt wären, ohne dass schon feststeht, ob es überhaupt zur
Litispendenz kommt und ohne dass eine Behörde über das Vorhandensein wichtiger
Gründe für eine Trennung im Sinne von Art. 170 Abs. 1 zu befinden hat. Das
Fehlen der Voraussetzung zur Anwendung von Art. 145 ­ der Rechtshängigkeit der
Scheidungsklage ­ zur Zeit der Anordnung der vorsorglichen Massnahmen wird
durch die nachträgliche Klageeinreichung nicht gedeckt.
Ist mithin der angefochtene Entscheid aus diesem Grunde aufzuheben, kann die
Frage der örtlichen Zuständigkeit des zürcherischen Richters dahingestellt
bleiben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, und die Beschlüsse des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. Oktober 1948 und des Bezirksgerichts
Zürich, 5. Abteilung, vom 3. August 1948 werden aufgehoben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 75 II 93
Date : 01. Januar 1948
Published : 11. Juli 1949
Source : Bundesgericht
Status : 75 II 93
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsprozess, Art. 145 und 170 Abs. 2 ZGB.1. Gegen...


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OG: 48  49  68
ZGB: 145  169  170
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41-II-323 • 64-II-175 • 72-II-321 • 75-II-93
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