S. 333 / Nr. 47 Prozessrecht (d)

BGE 75 II 333

47. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Dezember 1949 i. S. Jörg gegen Wyss.

Regeste:
Berufungsantrag, Art. 55 Abs. 1 lit. b OG.
Bei Forderungsklagen genügt das Begehren auf Verurteilung zu « angemessenen »
oder « den üblichen » Leistungen nicht; es ist die ziffernmässige Nennung des
verlangten Geldbetrages erforderlich.
Recours en réforme; conclusions, art. 55 al. 1er litt. b OJ.
S'agissant d'actions en paiement de sommes d'argent, il ne suffit pas de
conclure à ce que le défendeur soit condamné aux prestations « équitables » ou
« usuelles »; il faut indiquer en chiffres le montant dont l'allocation est
requise.
Ricorso per riforma, conclusioni, art. 55, cp. 1, lett. b OGL.
Se si tratta d'azioni pel pagamento di somme di denaro, non basta concludere
per la condanna del convenuto al pagamento di prestazioni « eque » o « usuali
»; occorre indicare in cifre l'ammontare chiesto.

Mit der Vaterschaftsklage verlangten die Klägerinnen vor Amtsgericht
Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung -von Fr. 800.­ für Entbindungskosten,
Fr. 400.­ für Unterhaltskosten und eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von
Fr. 50.­ bis zum zurückgelegten 18. Altersjahre des Kindes. Das Amtsgericht
sprach die Klage ­ die Kindbettkosten im herabgesetzten Betrag von Fr. 400.­
zu. Auf Appellation des Beklagten hin hat das Obergericht des Kantons
Solothurn die Klage in Anwendung des Art. 315
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
1    Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
2    Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält.
3    Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde.
ZGB abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Klägerinnen mit
den Anträgen. es sei in Aufhebung desselben der Beklagte

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1. als Vater der ... Zweitklägerin festzustellen,
2. zu angemessenen Leistungen gemäss Art. 317
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 317 - Die Kantone sichern durch geeignete Vorschriften die zweckmässige Zusammenarbeit der Behörden und Stellen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Kindesschutzes, des Jugendstrafrechts und der übrigen Jugendhilfe.
ZGB an die Kindsmutter,
3. zu angemessenen Leistungen gemäss Art. 319 an das Kind,
4. zu einer angemessenen Prozessentschädigung an die Klägerin,
5. zu sämtlichen Gerichtskosten Zu verurteilen
Das Bubndesgericht zieht in Erwägung:
Nach Art. 55 Abs. 1 lit. b OG muss die Berufungsschrift u. a. enthalten « die
genaue Angabe, welche Punkte des Entscheides angefochten und welche
Abänderungen beantragt werden. Der blosse Hinweis auf im kantonalen Verfahren
gestellte Anträge genügt nicht ».
Diesen Erfordernissen entsprechen die vorliegenden Berufungsanträge nicht.
Der Antrag Ziff. 1 auf Feststellung der Vaterschaft des Beklagten hat keine
selbständige Bedeutung, weil die Vaterschaftsklage ohne Standesfolgebegehren
eine reine familienrechtliche Forderungsklage vermögensrechtlicher Natur ist.
Die « Feststellung der Vaterschaft », von der Art. 307 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 307 - 1 Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes.
1    Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes.
2    Die Kindesschutzbehörde ist dazu auch gegenüber Kindern verpflichtet, die bei Pflegeeltern untergebracht sind oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern leben.
3    Sie kann insbesondere die Eltern, die Pflegeeltern oder das Kind ermahnen, ihnen bestimmte Weisungen für die Pflege, Erziehung oder Ausbildung erteilen und eine geeignete Person oder Stelle bestimmen, der Einblick und Auskunft zu geben ist.
ZGB spricht, hat
nur die Bedeutung eines Motivs für die Verurteilung zu Vermögensleistungen,
die nach Art. 309 den Gegenstand der Klage bilden (BGE 39 II 502, 45 II 505,
52 II 95).
Die diese Vermögensleistungen betreffenden Berufungsanträge Ziff. 2 und 3 nun
lauten lediglich auf Verurteilung zu « angemessenen Leistungen » nach Art. 317
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 317 - Die Kantone sichern durch geeignete Vorschriften die zweckmässige Zusammenarbeit der Behörden und Stellen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Kindesschutzes, des Jugendstrafrechts und der übrigen Jugendhilfe.

und 319
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 319 - 1 Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
1    Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
2    Ein Überschuss fällt ins Kindesvermögen.
ZGB; eine bestimmte Forderung wird nicht gestellt. Dieses Begehren
wird der zit. Vorschrift nicht gerecht, wonach genau anzugeben ist, welche
Abänderungen beantragt werden, d. h. was das Bundesgericht nach der Meinung
des Berufungsklägers materiell urteilen soll. Dazu gehört bei Forderungsklagen
die ziffermässige Nennung des verlangten Betrages. Vor erster Instanz hatten
die Klägerinnen ziffernmässig bestimmte Begehren gestellt:

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Fr. 800.­ + Fr. 400.­ für die Mutter und Fr. 50.­ monatlicher
Unterhaltsbeitrag für das Kind. Nachdem sie vor Amtsgericht gewonnen hatten
(bezüglich Ziff. 2 in reduziertem Betrage), hatten sie nach Abweisung der
Klage durch das Obergericht allen Anlass, vor Bundesgericht bestimmte Beträge
zu nennen oder wenigstens Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichtes zu
beantragen, wenn das ihrer Meinung entsprach. Wer vom Bundesgericht verlangt,
dass es den Beklagten im Gegensatz zur kantonalen Instanz verurteile, muss in
bestimmter Weise sagen, wie geurteilt werden soll. Das ist vor Bundesgericht
umso notwendiger, als es nur Rechtsfragen zu entscheiden hat, die Frage nach
der Angemessenheit einer Vaterschaftsforderung aber auch von tatsächlichen
Faktoren abhängt (ökonomische Situation beider Parteien), und weil die
Ermessensfragen wesentlich in den Bereich des Tatsachenrichters fallen. Wenn
einzelne Kantone vor ihren Instanzen unbestimmte Begehren auf « angemessene »,
oder « übliche » Leistungen genügen lassen, so kann das für das Bundesgericht
keine Bedeutung haben, das infolge seiner beschränkten Kognitionsbefugnis in
einer andern Lage ist, was die strikte Vorschrift des Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
notwendig gemacht hat.
Die Stellung bezifferter Begehren könnte höchstens dann als unnötig betrachtet
werden, wenn für das Bundesgericht ohnehin auf alle Fälle keine Festsetzung
der Beträge, sondern nur eine grundsätzliche Gutheissung der Klage mit
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zum Entscheid über die zuzusprechenden
Beträge in Betracht käme. Das aber ist vorliegend nicht die Meinung der
Berufungsklägerinnen; sie verlangen nicht grundsätzliche Gutheissung und
Rückweisung, sondern abschliessende Festsetzung der Beträge.
Die Berufungsbegehren Ziff. 4 und 5 beziehen sich nur auf die Kosten, vermögen
daher nicht für sich allein als genügender Berufungsantrag zu gelten.
Das Fehlen eines solchen hat Unwirksamkeit der

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Berufung zur Folge. Eine Rückweisung zur Verbesserung gemäss Art. 55 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 319 - 1 Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
1    Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
2    Ein Überschuss fällt ins Kindesvermögen.
OG
ist nur bei Mängeln der Begründung, nicht dagegen beim Fehlen eines gehörigen
Antrages zulässig (BGE 71 II 31 f, 32 f).
Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
Vgl. auch Nr. 42.­Voir aussi no 42.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 75 II 333
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 15. Dezember 1949
Quelle : Bundesgericht
Status : 75 II 333
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Berufungsantrag, Art. 55 Abs. 1 lit. b OG.Bei Forderungsklagen genügt das Begehren auf Verurteilung...


Gesetzesregister
OG: 55
ZGB: 307 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 307 - 1 Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes.
1    Ist das Wohl des Kindes gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Kindesschutzbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes.
2    Die Kindesschutzbehörde ist dazu auch gegenüber Kindern verpflichtet, die bei Pflegeeltern untergebracht sind oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern leben.
3    Sie kann insbesondere die Eltern, die Pflegeeltern oder das Kind ermahnen, ihnen bestimmte Weisungen für die Pflege, Erziehung oder Ausbildung erteilen und eine geeignete Person oder Stelle bestimmen, der Einblick und Auskunft zu geben ist.
315 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
1    Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
2    Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält.
3    Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde.
317 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 317 - Die Kantone sichern durch geeignete Vorschriften die zweckmässige Zusammenarbeit der Behörden und Stellen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Kindesschutzes, des Jugendstrafrechts und der übrigen Jugendhilfe.
319
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 319 - 1 Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
1    Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
2    Ein Überschuss fällt ins Kindesvermögen.
BGE Register
39-II-495 • 45-II-503 • 52-II-93 • 71-II-31 • 75-II-333
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
begründung des entscheids • beklagter • berechnung • bundesgericht • entscheid • erste instanz • forderungsklage • frage • gerichtskosten • kantonales rechtsmittel • kantonales verfahren • monat • mutter • rückweisungsentscheid • solothurn • sprache • unterhaltskosten • vater • vaterschaftsklage • verurteilung • vorinstanz • weiler