S. 237 / Nr. 36 Anstellungsverhältnis der Handelreisenden (d)

BGE 75 II 237

36. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Juni 1949 i. S. Baldinger gegen
Binder.

Regeste:
Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden.
Eine vertragliche Abrede, welche Fixum und Unkostenvergütung je getrennt und
unbedingt, ein zusätzliches Entgelt aber nur in dem Masse gewährt, als die
Summe der Provisionsanteile die Summe der festen Bezüge übersteigt, verstösst
nicht gegen Art. 13 Abs. 2 HRAG.
Conditions d'engagement des voyageurs de commmerce.
Convention d'aprés laquelle le traitement fixe et les frais de voyage sont
fixés séparément et dus dans tous les cas, tandis qu'une rémunération
supplémentaire n'est due que dans la mesure où le total des commissions excède
le montant de la rémunération fixe (traitement et frais). Cette convention
n'est pas contraire à l'art. 13 al. 2 LEVC.
Condizioni d'impiego dei commessi viaggiatori.
Convenzione, secondo cui lo stipendio fisso e le spese sono stabiliti
separatamente e dovuti in ogni caso, mentre una mercede supplementare è dovuta
soltanto nella misura in cui il totale delle provvigioni eccede l'ammontare
dello stipendio e delle spese. Una siffatta convenzione non è contraria
all'art. 13 cp. 2 LIVC.

A. ­ Seit Juli 1941 war Othmar Baldinger bei Robert Binder, dem Generalagenten
der

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Lebensversicherungsgesellschaft « Patria » in Zürich, als Berufsvertreter
angestellt. Der nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das
Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden (HRAG) neu formulierte
Dienstvertrag vom 1. April 1942 bestimmte in Art 6:
« Als Entgelt für seine Tätigkeit wird dem Berufsvertreter ein Jahreseinkommen
von Fr. 6400.­ ... und je nach der Leistung eine Gratifikation gewährt.
Überdies erhält er eine monatliche UnRostenvergütung von Fr. 200.­. ... Diese
Unkostenvergütung gilt als Entsehädigung für alle durch die berufliche
Tätigkeit verursachten Auslagen, wie Fahrspesen, Verpflegung, Telephone, Porti
etc. »
Ein vom gleichen Tage datierter « Nachtrag Nr. 1 » enthielt die nachstehende
Vereinbarung über die Art der Festsetzung der in Art. 6 des Hauptvertrages
vorgesehenen Gratifikation:
« Dem Berufsvertreter werden, sobald sie verdient sind, folgende
Abschlussprovisionen, sowie Supplementsprovisionen, abzüglich der seinen
Vertretern zukommenden Provisionsanteile, auf Gratifikationshonto
gutgeschrieben:
(Nâheres über die Ansâtze, darüber, wann die Provisionen
als « voll verdient » gelten; über die Gestaltung der Gutschrift).
Dem Berufsvertreter wird auf Gratifikationskonto belastet:
Fr. 650.­auf Ende jeden Monats.
Eine Abrcehnung findet vierteljahrlich statt. Eine Gratifikation ist verdient
und wird ausbezahlt, wenn das Gratifikationskonto mit einem Guthaben
abschliesst. Das Guthaben bildet die Gratilibation. Ein Debetsaldo wird auf
neue Rechnung vorgetragen.
Weist das Gratifikationskonto des Berufsvertreters bei Ablauf des Vertrages
ein Guthaben auf, so wird dasselbe ausbezahlt. Ist ein Debetsaldo vorhanden,
so verbleiben dem Generalagenten die bei Ablauf des Vertrages noch nicht
verdienten Provisionsraten bis zum Betrage des Debetsaldos. Ein allfélliger
Uberschuss wird dem Berufsvertreter als letzte Gratifikation ausgerichtet. »
Der zu belastende Betrag von Fr. 650.­ setzt sich zusammen aus dem festen
Gehalt (Fr. 450.­) und der monatlichen Unkostenvergütung (Fr. 200.­).
Durch einen « Nachtrag Nr. 2 » vom 1. Oktober 1942 wurden das feste
Jahreseinkommen Baldingers auf Fr. 7200.­ (Fr. 600.­ im Monat) und
entsprechend die Belastung des Gratifikationskontos gemäss « Nachtrag Nr. 1 »
auf Fr. 800.­ erhöht.

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B. ­ Auf den 31. März 1945 trat Baldinger aus dem Dienst der «Patria » bezw.
ihres Generalagenten Binder aus. Während der Vertragsdauer hatte er insgesamt
bezogen: Fr. 17,538.55 an festem Gehalt; Fr. 6146.10 an Unkostenvergütung; Fr.
1890.40 an Ferien-, Teuerungs- und Militärdienstzulagen.
In seinem Kündigungsschreiben vom 3. März 1945 führte Baldinger u. a. aus, man
habe ihn kürzlich darauf aufmerksam gemacht, dass sein Anstellungsvertrag Art.
13 des HRAG verletze, weil der Auslagenersatz von monatlich Fr. 200.­ gleich
dem festen Gehalt den gatgeschriebenen Provisionen belastet worden sei; darum
verlange er die Erstellung einer neuen Abrechnung über das Gratifikationskonto
unter Ausscheidung der Spesenentschädigung, sowie Auszahlung des Uberschusses.
Da Binder auf dieses Ansinnen nicht einging, kam es zum Prozess, in welchem
Baldinger Zuspruch von Fr. 6159.65 nebst 5 % Zins ab 1. April 1945 und
Staffelzinsen seit 1. Mai 1942, ferner Ersatz der Kosten des Zahlungsbefehls
und Erteilung definitiver Rechtsöffnung für den in Betreibung gesetzten
Teilbetrag von Fr. 3614.35 mit Zinsen begehrte.
Die Klage wurde vom Bezirksgericht Zürich geschützt (ausgenommen die Forderung
für Staffelzinse), vom Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 22.
Oktober 1948 abgewiesen.
C. ­ Der Kläger legte Berufung an das Bundesgericht ein. Er beantragt
Gutheissung der Klage. Der Beklagte schliesst auf Bestätigung des
angefochtenen Entscheides.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien untersteht dem HRAG, was
bereits vom Bezirksgericht zutreffend dargetan und vom Beklagten vor
Obergericht anerkannt wurde.
2. ­ Vorgängig der Würdigung unter dem Gesichtspunkt der massgebenden
Gesetzesnorm ist der Inhalt der umstrittenen Abmachungen zu ermitteln.

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a) Gemäss Art. 6 des Hauptvertrages in der ursprünglichen wie in der durch den
Nachtrag Nr. 2 modifizierten Fassung zerfallen die Bezüge des Klägers in
Gehalt, « Gratifikation » und Spesenentschädigung.
Fest und unbedingt sind ein Jahreseinkommen von Fr. 5400.­, ab 1. Oktober 1942
von Fr. 7200.­, und eine monatliche Unkostenvergütung von Fr. 200.­ gewährt.
Diese beiden rechtlich verschiedenartigen Zusicherungen entsprechen
grundsätz]ich den in Art. 9 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 HRAG genannten
Verpflichtungen des Dienstherrn. Masslich werden sie, wie der Kläger in der
Berufungsschrift erklärt, nicht beanstandet.
Eine « Gratifikation » wird » je nach der Leistung » versprochen. Ihre Höhe
ist nicht bestimmt, noch sind Bewertungssätze oder sonstige im
Versicherungsgewerbe etwa übliche Bemessungsfaktoren verzeichnet. Art. 6 des
Hauptvertrages erheischt daher offensichtlich eine Ergänzung. Sie findet sich
im Nachtrag Nr. 1 mit der Ordnung von Gutschriften und Belastungen auf einem
besonderen « Gratifikationskonto », dessen Saldo aus vierteljährlichem
Abschluss je nachdem, ob er für den Kläger aktiv oder passiv ist, als «
Gratifikation » ausbezahlt oder auf neue Rechnung vorgetragen wird. Wesentlich
an dieser Regelung ist, dass zur Tilgung eines bei Ablauf des Vertrages
vorhandenen Debetsaldos einzig auf « noch nicht verdiente Provisionsraten »
und nicht auch auf das feste Gehalt oder die Unkostenvergütung gegriffen
werden kann.
b) Hauptvertrag und Nachtrag Nr. 1 sind unter Verwendung vorgedruckter
Formulare der « Patria » abgeschlossen worden. Die darin enthaltenen Abreden
muss sich daher der Beklagte so entgegenhalten lassen, wie sie der Kläger in
guten Treuen auffassen durfte. Sie sind, soweit hier von Belang, nicht gerade
vorbildlich redigiert. Insbesondere fehlt beim Nachtrag Nr. 1 eine
augenfällige systematische Gliederung. Der mehrfache Gebrauch des Ausdruckes «
verdient » mit Bezug sowohl auf die gutzubringenden Provisionen wie auf die
erst aus der

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Gegenüberstellung mit den Belastungen des Kontos resultierende « Gratifikation
» erscheint zumindest als ungeschickt. Unzutreffend ist, im Nachtrag Nr. 1 wie
in Art. 6 des Hauptvertrages, die Bezeichnung « Gratifikation » für das neben
dem Fixum bewilligte Entgelt. Dieses besteht ausschliesslich in Anteilen am
Wert der vom Dienstnehmer abgeschlossenen oder vermittelten Geschäfte und
qualifiziert sich damit, wie beide Vorinstanzen mit Recht betont haben, nicht
als Gratifikation, sondern als Provision. Indessen sind ungeachtet solcher
Mängel aus den vorliegenden Texten der den verschiedenen Klauseln gemeinsame
Grundgedanke, auf den es entscheidend ankommt, ebenso wie das Ergebnis seiner
praktischen Durchführung ohne weiteres erkennbar, und sie waren es zweifellos
auch für den Kläger.
Vorerst ist Art. 6 des Hauptvertrages völlig klar insofern, als er die «
Gratifikation », anders als Fixum und Unkostenvergütung, nicht bedingungslos
zusagt, sondern ihre Gewährung von der Erfüllung leistungsmässiger
Voraussetzongen abhängig macht. Es lässt sich daraus keineswegs ableiten, der
Berufsvertreter habe schlechthin Anspruch auf ein zusätzliches Entgelt. Erst
recht verbietet sich eine dahingehende Annahme, sobald Art. 6 in Verbindung
gebracht wird mit dem Nachtrag Nr. 1. Dieser stellt nicht etwa eine
Nebenabrede und überhaupt nicht einen « Nachtrag » im begrifflichen Sinne des
Wortes dar. Er wurde mit dem Hauptvertrag vereinbart. Und inhaltlich ­ wie
übrigens nach der unmissverständlichen Einleitung auch formell ­ erscheint er
als Bestandteil von dessen Art. 6. Aus dem zeitlichen und sachlichen
Zusammenhang erhellt, dass der Kläger Art. 6 des Hauptvertrages und den
Nachtrag Nr. 1 nicht je für sich allein, sondern beide nur als einheitliches
Ganzes betrachten und akzeptieren konnte. Durchlas er aber die Abmachungen in
ihrer Gesamtheit auch bloss mit einiger Aufmerksamkeit, so musste er sich
darüber Rechenschaft geben, dass er die « Gratifikation » erst bei
Uberschreitung einer gewissen minimalen

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Leistung erhielt und dass sie auch dann lediglich in einem Betrage bestand,
der deutlich genug als Differenz zwischen den Summen der zuerkannten
Provisionen einerseits, der festen Monatsbetreffnisse an Gehalt und
Auslagenersatz anderseits umschrieben war. Solche Einsicht ist dem Kläger umso
mehr zuzumuten, als er bei Abschluss des Vertrages vom 1. April 1942 kein
Neuling im Versicherungsgewerbe war. Tatsächlich hat er die « Gratifikations
»-Abrede als solche und in ihrer Anwendung während der ganzen Vertragsdauer so
hingenommen, wie sie in Wirklichkeit gemeint war. Mit der Kündigung erhob er
dann gestützt auf Informationen von dritter Seite Einspruch, und seither
versucht er seinen Standpunkt mit einzelnen Wendungen im Nachtrag zu belegen,
die er vorher nie so ausgelegt hat. Es widerspricht aber geradezu Treu und
Glauben, wenn der Kläger heute geltend machen will, er habe nur jene Stellen
des Nachtrages beachtet, in denen von « verdienten » oder « voll verdienten »
Provisionen die Rede ist, und nicht die anderen Abschnitte, welche von den ins
Konto aufzunehmenden Passivposten und den Abrechnungsmodalitäten handeln. Bei
der ganzen Sachlage, bei den Fähigkeiten, die sich der Kläger zuschreibt, und
zumal angesichts des Nachtrages Nr. 2, wo der die Kontobelastungen betreffende
Passus des Nachtrages Nr. 1 in neuer Fassung unmittelbar neben den
angeänderten Art. 6 des Hauptvertrages gestellt ist, erscheint es als
undenkbar, dass der Kläger die Vereinbarungen nicht vollständig und richtig
erfasst hätte.
3. ­ Zu prüfen bleibt, ob Vereinbarungen der vorstehend erörterten Art vor
Art. 13 Abs. 2 HRAG standhalten.
Art. 10 des Normalarbeitsvertrages vom 7. Juli 1931 (AS 47 S. 453 ff.) gab dem
Reisenden Anspruch auf Vergütung aller ihm durch die Reisetätigkeit
erwachsenden Auslagen. Da eine normalvertragliche Regelung durch besondere
Übereinkunft verdrängt werden kann, wurde von dieser Möglichkeit häufig
Gebrauch gemacht. So gab es Reisende, welche lediglich einen Spesenzuschuss
erhielten; andere bekamen Auslagenvergütung nur, wenn sie

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Bestellungen einbrachten; manche wurden auf reiner Provisionsbasis entlöhnt
und hatten ihre Unkosten selber zu tragen.
Solchen Praktiken wollte das HRAG wehren. Es statuiert in Art. 13 zwingend die
Pflicht des Dienstherrn zu vollem Auslagenersatz. Zwar wird in Abs. 2 die
schriftliche Vereinbarung eines festen Taggeldes gestattet (damit
anerkanntermassen auch einer festen Monatsentschädigung), sofern es sämtliche
unter die Definition fallenden Auslagen deckt. « Dagegen ist eine vertragliche
Abrede, dass der Auslagenersatz im festen Gehalt oder in der Provision ganz
oder teilweise eingeschlossen sein soll, unzulässig. » Diese Bestimmung ist
nur eine Konsequenz des Grundsatzes des vollen Auslagenersatzes (vgl.
Botschaft BBl 1940 S. 1343, 1323). Ihr offenkundiger Zweck ist es, zu
verhindern, dass der Reisende aus eigenen Mitteln die Spesen bestreiten muss.
Das abgemachte ­ aber nach wie vor beliebig festsetzbare ­ Arbeitsentgelt soll
dem Reisenden ungeschmälert, als Nettoverdienst zukommen. Im Vertrage müssen
daher Lohn (Fixum mit oder ohne Provision) und Spesenersatz ausgeschieden
werden, und es darf nicht dieser in jenem inbegriffen sein (vgl. StenBull NR
1941 S. 90).
Das ist er aber vorliegend nicht. Wie oben gezeigt, wurden dem Kläger ein
festes Einkommen und eine feste Unkostenvergütung getrennt und unbedingt
zugesichert, eine « Gratifikation » (recte Provision) jedoch nur unter
Vorbehalt, nämlich wenn und soweit das Gratifikationskonto beim jeweiligen
Abschluss an vorbestimmten Terminen ein Guthaben auswies. Gehalt und
Spesenentschädigung sind dem Kläger voll ausbezahlt worden. Eine Kürzung des
Fixums durch gänzlichen oder teilweisen Einbezug des Auslagenersatzes hat also
nicht stattgefunden. Anderseits war ein zusätzliches Entgelt zum vorneherein
und unbeschadet der festen Bezüge nur in der erwähnten Form und lIöhe
geschuldet. Dass es ihm in diesem Ausmass vorenthalten worden sei, behauptet
der Kläger nicht.

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Mithin hat er alles empfangen, was ihm nach Vertrag und Gesetz zusteht. Art.
13 Abs. 2 HRAG ist nicht umgangen worden. Bei seiner abweichenden
Argumentation übersieht der Kläger, dass für die Bemessung des Entgeltes, und
zwar des festen Gehaltes sowohl wie einer eventuell hinzukommenden Provision,
der Grundsatz der Dispositionsfreiheit herrscht. Nach Art. 9 HRAG ist die
Entrichtung einer Provision nicht vorgeschrieben. Daher kann sie, falls sie
versprochen wird, auch an Bedingungen geknüpft sein. Das HRAG untersagt dem
Dienstherrn nicht, eine Provision erst zuzubilligen, nachdem die vom
Dienstnehmer vermittelten Geschäfte wertmässig eine Mindestsumme erreicht
haben. Die Begrenzung kann erfolgen entweder durch Beschränkung der
Provisionsberechtigung auf die einen gewissen Totalbetrag übersteigenden
Abschlüsse oder dadurch, dass von den auf sämtliche Abschlüsse errechneten
Provisionen nur einem oberen Bruchteil, boispielsweise einem nach Abzug der
festen monatlichen Zahlungen verbleibenden Uberschuss, Entgeltscharakter
zuerkannt wird. Die Parteien haben das letztere Verfahren gewählt. Das
verstösst nicht gegen Art. 13 Abs. 2 HRAG.
Die Vorinstanz verweist, teils zustimmend teils ablehnend, auf Erkenntnisse
anderer kantonaler Gerichte, die sich mit analogen (gleichartige Verträge
betreffenden) Fällen zu befassen hatten. Während das Zivilgericht Basel-Stadt
(Urteil vom 6. Juni 1947 i. S. Rudmann c. Günthard und « Patria ») und das
Kantonsgericht Neuenburg (Urteil vom 8. März 1948 i. S. Evard c. Vauthier und
« Patria ») zum selben Ergebnis wie die Vorinstanz gelangten, bekannte sich
das Obergericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 15. April 1947 i. S.
Lüdi c. Hungerbühler zu einer gegenteiligen Ansicht, die vom Bundesgericht auf
staatsrechtliche Beschwerde hin als nicht willkürlich befunden wurde (Urteil
vom 8. Juli 1947). Bei Auslegung von Art. 13 Abs. 2 HRAG übernahm das
thurgauische Obergericht die wörtlich wiedergegebene Kommentierung MEIST:Il~S
(Praktischer Leitfaden zum HRAG S. 76 f.), der nach Erläuterona des Wesens und
der Funktion des

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Auslagenersatzes u. a. erklärt, es dürfe « die Höhe des Gehaltes oder der
Provision nicht vom Ausmass des Spesenersatzes abhängig gemacht, noch sonstwie
damit in Zusammenhang gebracht werden ». Dieser Schluss aus an und für sich
zutreffenden Prämissen kann richtig oder falsch sein, je nachdem, wie er
gemeint ist. Was das Gesetz will, wurde dargelegt: der Spesenersatz muss voll
gewährt, darf also nicht vom Entgelt abgezogen oder mit ihm verrechnet werden.
Es ist aber selbstverständlich, dass sich das Verbot nur auf das als solches
zugesicherte Entgelt in Form von Gehalt oder Provision bezieht. Das
Obergericht des Kantons Thurgau ging davon aus (und ihm folgend auch das
Bezirksgericht Zürich im vorliegenden Prozess), dass der Anstellungsvertrag
dem Berufsvertreter die Gesamtsumme der gutzuschreibenden Provisionen
verspreche. Darin irrte es. Denn als Entgelt zugesagt war eben einzig und
allein ein Uberschussbetrag der, gleich den festen Bezügen, zur
Berechnungsgrundlage genommenen Provisionen. Und hievon geht nach der
geltenden Vereinbarung für Spesen weder durch Verrechnung noch auf andere
Weise etwas ab, womit dem Art. 13 Abs. 2 HRAG Genüge getan ist. Wenn nun die
zitierte Folgerung MEISTERS nicht weiter als auf die Verwirklichung der
gesetzlichen Anordnung zielt, kann ihr beigetreten werden. Sollte sie aber
dahin zu verstehen sein, dass Auslagenersatz und Provision überhaupt nicht, d.
h. auch nicht zum Zwecke der Bemessung eines an sich selbständigen
Entgeltsanspruchs miteinander in Beziehung gebracht werden dürfen, so wäre sie
mit dem Sinn und Zweck der Gesetzesvorschrift nicht vereinbar und auch mit dem
vom HRAG nicht beseitigten Grundsatz der Vertragsfreiheit hinsichtlich der
Festsetzung des Arbeitsentgeltes im Widerspruch.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 22. Oktober 1948 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 75 II 237
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 27. Juni 1949
Quelle : Bundesgericht
Status : 75 II 237
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden.Eine vertragliche Abrede, welche Fixum und...


BGE Register
75-II-237
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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1940/1343