BGE 75 I 391
63. Urteil vom 18. November 1949 i. S. Riesen gegen Bundesamt für Industrie,
Gewerbe und Arbeit.
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Regeste:
Fabrikgesetz: Unterstellung einer Wursterei.
Loi sur le travail dans les fabriques: Assujettissement d'un atelier pour la
fabrication de saucisses.
Legge sul lavoro nelle fabbriche: Assoggettamento d'un laboratorio per la
fabbricazione di salsicce.
A. - Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Metzgerei und Wurstereibetriebes
in Köniz-Liebefeld. Er besitzt einen Verkaufsladen und eine Werkstatt mit
einigen Wurstereimaschinen. Am 14. Juni 1948 unterstellte das Bundesamt für
Industrie, Gewerbe und Arbeit die Wursterei dem Fabrikgesetz, mit der
Begründung, in diesem Betriebsteil seien 9 männliche Personen tätig und werde
elektromotorische Kraft (42 PS) verwendet. Die Unterstellung wurde auf ein
Wiedererwägungsgesuch des Betriebsinhabers hin am 5. Oktober 1948 bestätigt,
wobei festgestellt wurde, eine neuerliche Besichtigung habe ergeben, dass im
betreffenden Betriebsteil immer noch 7 Personen gearbeitet hätten.
B. - Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird beantragt, der Entscheid vom
5. Oktober 1948 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass der Betrieb des
Beschwerdeführers nicht unter das Fabrikgesetz falle. Es wird geltend gemacht,
im Wurstereibetrieb seien mit Einschluss des Lehrlings nie mehr als 5 Mann
tätig.
C. - Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit schliesst auf Abweisung
der Beschwerde.
D. - m Verfahren vor Bundesgericht ist im Betrieb des Beschwerdeführers ein
Augenschein vorgenommen
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worden; dabei sind insbesondere die Fleischzubereitung am Ausbeintisch und die
Wursterei besichtigt worden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit ist auf das
Wiedererwägungsgesuch des Beschwerdeführers eingetreten und hat einen
Sachentscheid gefällt. Dieser Entscheid kann mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (BGE 70 I 120). Die
vorliegende Beschwerde ist ihm gegenüber rechtzeitig erhoben worden und ist
daher zu prüfen.
2.- Art. 1 Abs. 2 FG kennzeichnet als Fabrik die industrielle Anstalt, die
eine Mehrzahl von Arbeitern ausserhalb ihrer Wohnräume beschäftigt. Unter
industrieller Anstalt ist ein Betrieb zu verstehen, welcher der
Warenproduktion dient, zum Unterschied von Unternehmungen der Landwirtschaft
(Urproduktion) und des Handels, die nicht in den Bereich des Fabrikgesetzes
fallen. Betriebe gewerblichen Charakters sind vom Fabrikgesetz nicht
ausgenommen. Sie werden ihm unterstellt, wenn sie Unternehmungen der
Warenproduktion sind und die von der Fabrikgesetzgebung vorgesehene Grösse
aufweisen; diese wird nach den Betriebseinrichtungen und der Arbeiterzahl
bestimmt (BGE 74 I 213 ff.; 75 I 86).
3.- Im Metzgereigewerbe sind nicht alle Betriebe, welche Fleisch verarbeiten,
Unternehmen der Warenproduktion, industrielle Anstalten im Sinne des
Fabrikgesetzes (vgl. BGE 74 I 218 betreffend Küchen im
Gastwirtschaftsgewerbe). Jedenfalls können aber Wurstereibetriebe unter
gewissen Voraussetzungen industriellen Charakter aufweisen (Urteil vom 24. Mai
1934 i. S. Gaffner & Cie., nicht veröffentlicht). Mit einem solchen Falle hat
man es hier zu tun, was nicht bestritten wird. Die Wursterei des
Beschwerdeführers ist nach Art eines Industriebetriebes organisiert, was sich
u. a. darin zeigt, dass die hergestellten Würste zum grössten Teil nicht im
eigenen Laden des Beschwerdeführers verkauft, sondern an Grossbezüger nach
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versandt werden, wie der Beschwerdeführer am Augenschein bestätigt hat.
Dass der Betrieb des Beschwerdeführers auch Teile umfasst, denen der
industrielle Charakter abgeht, schliesst die Unterstellung der Wursterei unter
das Fabrikgesetz nicht aus (BGE 70 I 116 E. 1).
4.- Industrielle Anstalten, in denen Motoren verwendet werden oder wenigstens
eine jugendliche Person beschäftigt wird, unterliegen der Fabrikgesetzgebung,
wenn die Arbeiterzahl 5 übersteigt (Art. 1 lit. a
SR 741.522 Verordnung vom 28. September 2007 über die Zulassung von Fahrlehrern und Fahrlehrerinnen und ihre Berufsausübung (Fahrlehrerverordnung, FV) - Fahrlehrerverordnung FV Art. 1 Gegenstand - Diese Verordnung regelt die Zulassung von Fahrlehrern und Fahrlehrerinnen, ihre Berufsausübung sowie ihre Weiterbildung. |
anerkennt, dass sein Wurstereibetrieb mit verschiedenen motorisch
angetriebenen Maschinen ausgestattet ist. Dagegen bestreitet er, dass die
erforderliche Mindestzahl von Arbeitern erreicht sei.
Am gerichtlichen Augenschein, welcher an einem Donnerstag stattfand, wurde
festgestellt, dass in der Wursterei, in welcher der Donnerstag nach Angabe des
Beschwerdeführers ein Hauptarbeitstag ist, 5 Mann arbeiteten, wenn der
Lehrling, welcher damals mit dem Einpacken von Würsten beschäftigt war, nicht
mitgerechnet wird. Mit dieser Feststellung steht die Erklärung des
Beschwerdeführers an der Augenscheinsverhandlung, in der Wursterei seien im
Maximum 4 bis 5 Mann tätig, in Einklang. Der Lehrling, welcher nach Angabe des
Beschwerdeführers auch in der Wursterei ausgebildet wird, ist jedoch
mitzuzählen (BGE 70 I 122 E. 4). In der Wursterei sind also, jedenfalls in
Stosszeiten, mehr als 5 Personen tätig. Wenn einzelne von ihnen zeitweilig in
andern Betriebsteilen arbeiten, so ist dies unerheblich. Auch sie sind
mitzuzählen, nicht nur diejenigen, welche ständig und ausschliesslich in der
Wursterei beschäftigt sind (Art. 4
SR 741.522 Verordnung vom 28. September 2007 über die Zulassung von Fahrlehrern und Fahrlehrerinnen und ihre Berufsausübung (Fahrlehrerverordnung, FV) - Fahrlehrerverordnung FV Art. 4 Bewilligungskategorien - Es werden folgende Kategorien von Fahrlehrerbewilligungen erteilt: |
Die von der Verwaltung aufgeworfene Frage, ob nicht auch die am Ausbeintisch
tätigen Personen-nach der Erklärung des Beschwerdeführers sind es
durchschnittlich 4-mitzurechnen seien, soweit sie für die Wursterei arbeiten,
kann bei dieser Sachlage offen gelassen werden. Die für die Unterstellung der
Wursterei notwendige
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Arbeiterzahl ist ohnehin erreicht. Die Einwendung des Beschwerdeführers ist
damit widerlegt. Seine Wursterei ist mit Recht dem Fabrikgesetz unterstellt
worden.
Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.