S. 273 / Nr. 46 Registersachen (d)

BGE 75 I 273

46. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. September 1949 i. S. Stockmann gegen
Regierungsrat Obwalden.


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Regeste:
Handelsregister; Wiedereintragung einer Kollektivgesellschaft kann nicht
verlangt werden bei Fortsetzung des Unternehmens durch einen von zwei
Gesellschaftern gemäss Art. 579
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 579 - 1 Sind nur zwei Gesellschafter vorhanden, so kann derjenige, der keine Veranlassung zur Auflösung gegeben hatte, unter den gleichen Voraussetzungen das Geschäft fortsetzen und dem andern Gesellschafter seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen ausrichten.
1    Sind nur zwei Gesellschafter vorhanden, so kann derjenige, der keine Veranlassung zur Auflösung gegeben hatte, unter den gleichen Voraussetzungen das Geschäft fortsetzen und dem andern Gesellschafter seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen ausrichten.
2    Das gleiche kann das Gericht verfügen, wenn die Auflösung wegen eines vorwiegend in der Person des einen Gesellschafters liegenden wichtigen Grundes gefordert wird.
OR.
Registre du commerce. La réinscription d'une société en nom collectif ne peut
pas être requise lorsque les affaires sont continuées par un des deux associés
conformément à l'art. 579 CO.
Registro di coimmercio. La reinscrizione di una società in nome collettivo non
può essere chiesta quando uno dei due soci continua l'impresa conformemente
all'art. 579 CO.

A. ­ Der Beschwerdeführer Stockmann war Teilhaber der Kollektivgesellschaft «
Ovo-Chemie, Sarnen, Müssgens und Stockmann, chemische Produkte ».
Am 21. Juni 1948 trafen die beiden Gesellschafter Müssgens und Stockmann eine
Vereinbarung, laut deren Ziffer I Stockmann mit Zustimmung von Müssgens aus
der Gesellschaft austrat und Müssgens das Geschäft allein fortzusetzen
erklärte. Gemäss Ziffer II übernahm Müssgens die sämtlichen Aktiven und
Passiven der Kollektivgesellschaft, während Stockmann von allen verfallenen
und laufenden Verpflichtungen der Gesellschaft entlastet sein sollte. Im
weitern wurden die Höhe und die Modalitäten der von Müssgens an Stockmann zu
entrichtenden Abfindung näher geregelt.
Auf Grund dieser Vereinbarung erfolgte am 28. Juni 1948 im Handelsregister
eine Eintragung des Inhalts, die erwähnte Kollektivgesellschaft sei seit 23.
Juni 1948 aufgelöst und werde nach durchgeführter Liquidation gelöscht;
Aktiven und Passiven würden vom Gesellschafter Müssgens als Inhaber der
Einzelfirma J. Müssgens, Ovo-Chemie Sarnen, übernommen. Diese Eintragung wurde
im Schweiz. Handelsamtsblatt vom 30. Juni 1948 veröffentlicht.
B. ­ Am 4. März 1949 verlangte die Obwaldner

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Gewerbebank in Sarnen die Wiedereintragung der gelöschten
Kollektivgesellschaft, da sie dieser gegenüber noch eine Wechselforderung
habe.
C. ­ Der Regierungsrat des Kantons Obwalden hat als kantonale Aufsichtsbehörde
über das Handelsregister mit Entscheid vom 11. Mai 1949 dieses
Wiedereintragungsbegehren geschützt.
D. ­ Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Stockmann
Aufhebung des Entscheids des Regierungsrats.
Der Regierungsrat hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Obwaldner Gewerbebank
sowie das eidgen. Justiz- und Polizeidepartement beantragen Abweisung der
Beachwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Der Regierungsrat ­ und mit ihm das Departement ­ erachtet das
Wiedereintragungsbegehren der Obwaldner Gewerbebank deshalb als berechtigt,
weil nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts eine
Handelsgesellschaft vor der Beendigung der Liquidation, d. h. solange noch
Verpflichtungen auf den Namen der Gesellschaft bestehen, nicht gelöscht werden
darf (BGE 64 I 335 und Zitate).
Die Vorinstanz übersieht jedoch, dass es sich im vorliegenden Fall gar nicht
um die Löschung einer Gesellschaft infolge Liquidation handelt, sondern um das
in Art. 579
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 579 - 1 Sind nur zwei Gesellschafter vorhanden, so kann derjenige, der keine Veranlassung zur Auflösung gegeben hatte, unter den gleichen Voraussetzungen das Geschäft fortsetzen und dem andern Gesellschafter seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen ausrichten.
1    Sind nur zwei Gesellschafter vorhanden, so kann derjenige, der keine Veranlassung zur Auflösung gegeben hatte, unter den gleichen Voraussetzungen das Geschäft fortsetzen und dem andern Gesellschafter seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen ausrichten.
2    Das gleiche kann das Gericht verfügen, wenn die Auflösung wegen eines vorwiegend in der Person des einen Gesellschafters liegenden wichtigen Grundes gefordert wird.
OR geregelte Ausscheiden eines von zwei Teilhabern einer
Kollektivgesellschaft unter Fortsetzung des Geschäftes durch den andern. Eine
solche Fortsetzung ist nicht nur statthaft in den Fällen der Ausschliessung
des einen Gesellschafters durch den Richter aus wichtigem Grunde gemäss Art.
577
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 577 - Wenn die Auflösung der Gesellschaft aus wichtigen Gründen verlangt werden könnte und diese vorwiegend in der Person eines oder mehrerer Gesellschafter liegen, so kann das Gericht auf deren Ausschliessung und auf Ausrichtung ihrer Anteile am Gesellschaftsvermögen erkennen, sofern alle übrigen Gesellschafter es beantragen.
OR und des Ausscheidens eines Gesellschafters infolge Konkurses gemäss
Art. 578
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 578 - Fällt ein Gesellschafter in Konkurs oder verlangt einer seiner Gläubiger, der dessen Liquidationsanteil gepfändet hat, die Auflösung der Gesellschaft, so können die übrigen Gesellschafter ihn ausschliessen und ihm seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen ausrichten.
OR, auf die sich Art. 579
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 579 - 1 Sind nur zwei Gesellschafter vorhanden, so kann derjenige, der keine Veranlassung zur Auflösung gegeben hatte, unter den gleichen Voraussetzungen das Geschäft fortsetzen und dem andern Gesellschafter seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen ausrichten.
1    Sind nur zwei Gesellschafter vorhanden, so kann derjenige, der keine Veranlassung zur Auflösung gegeben hatte, unter den gleichen Voraussetzungen das Geschäft fortsetzen und dem andern Gesellschafter seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen ausrichten.
2    Das gleiche kann das Gericht verfügen, wenn die Auflösung wegen eines vorwiegend in der Person des einen Gesellschafters liegenden wichtigen Grundes gefordert wird.
OR in erster Linie bezieht, sondern auch
auf Grund einer von den Gesellschaftern schon im Gesellschaftsvertrag
vorgesehenen oder erst nachträglich,

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während der Dauer der Gesellschaft getroffenen Vereinbarung. Denn dieser Fall
ist im Hinblick auf den gesetzgeberischen Grund der Fortsetzungsmöglichkeit
den beiden andern durchaus gleichzusetzen.
Bei einer solchen Fortsetzung des Geschäftes durch den einen Teilhaber findet
keine Liquidation statt. Diese soll vielmehr gerade wegen der ihr anhaftenden
nachteiligen Folge der Unterbrechung der wirtschaftlichen und rechtlichen
Kontinuität vermieden werden. Es erfolgt aber auch keine Übernahme des
Unternehmens mit Aktiven und Passiven, sondern vielmehr Umwandlung des
früheren Gesellschaftsvermögens in Alleinvermögen des nunmehrigen
Geschäftsinhabers durch Anwachsung.
Wenn im vorliegenden Fall im Handelsregistereintrag gesagt ist, die Löschung
der Firma erfolge nach durchgeführter Liquidation und die Aktiven und Passiven
würden vom bisherigen Gesellschafter Müssgens übernommen (welche beiden
Feststellungen übrigens miteinander in unvereinbarem Widerspruch stehen), so
entsprach dies der wahren Sach- und Rechtlage nicht. Dass in Ziffer II der
Vereinbarung der Parteien ebenfalls von einer Übernahme der Aktiven und
Passiven die Rede ist, vermag hieran nichts zu ändern. Denn was die Parteien
in Wirklichkeit beabsichtigten, erhellt aus Ziffer I der Vereinbarung
zweifelsfrei: Ausscheiden des Gesellschafters Stockmann und Fortsetzung des
Geschäftes durch Müssgens. Ziffer II stellt lediglich eine in der Form
ungenaue Umschreibung der Folgen der in Ziffer I getroffenen Vereinbarung dar,
die sich ohne weiteres damit erklären lässt, dass die Anwachsung
wirtschaftlich im Wesentlichen zum selben Ergebnis führt wie eine Übernahme
der Aktiven und Passiven.
Erfolgt aber keine Liquidation, so besteht trotz der Gesellschaftsauflösung
und der darauf gestützten Löschung der Gesellschaft im Handelsregister kein
Anlass zu einer Wiedereintragung. Eine solche ist im Falle einer Liquidation
gerechtfertigt, weil der Gläubiger sonst Gefahr läuft,

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der Deckung seiner Forderung aus dem Gesellschaftsvermögen verlustig zu gehen.
Diese Gefahr besteht jedoch nicht, wenn das Geschäft durch den verbleibenden
Gesellschafter fortgesetzt wird und das Unternehmen infolgedessen in der Hand
des letzteren beisammen bleibt.
Die Umwandlung des bisherigen Gesellschaftsvermögens in Alleinvermögen des
verbleibenden Teilhabers hat allerdings zur Folge, dass die alten
Gesellschaftsgläubiger in einem allfälligen Konkurs des nunmehrigen
Einzelinhabers mit dessen Privatgläubigern konkurrieren, während bei einer
Gesellschaftsliquidation das Vermögen der bisherigen Kollektivgesellschaft
ausschliesslich jenen gehaftet hätte. Allein das ist eine notwendige Folge der
vom Gesetz für den Fall des Ausscheidens des einen von zwei Gesellschaftern
vorgesehenen Ordnung. Eine untragbare Benachteiligung der davon betroffenen
Gesellschaftsgläubiger kann darin um so weniger erblickt werden, als sie ja im
Falle der Konkurseröffnung über den nunmehrigen Geschäftsinhaber die
Möglichkeit haben, den Ausgeschiedenen persönlich zu belangen, sofern dem die
Vorschriften über die Verjährung nicht entgegenstehen.
Haben danach die bisherigen Gesellschaftsgläubiger ihren ausschliesslichen
Anspruch auf das vormalige Gesellschaftsvermögen eingebüsst, so entfällt auch
die Möglichkeit, ihnen wenigstens das bisherige Betreibungsforum der
Gesellschaft zu sichern. Dass der nunmehrige Geschäftsinhaber Müssgens nicht
mehr am Sitz der aufgelösten Gesellschaft in Sarnen belangt werden kann,
sondern nur noch an seinem Wohnort im Kanton Zürich, vermag daher die
Wiedereintragung ebenfalls nicht zu rechtfertigen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Anweisung des Regierungsrats des
Kantons Obwalden vom 11. Mai 1949 an das Handelsregisteramt Obwalden, die

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Kollektivgesellschaft Ovo-Chemie Sarnen, Müssgens und Stockmann, wieder in das
Handelsregister einzutragen, wird aufgehoben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 75 I 273
Date : 01. Januar 1948
Published : 26. September 1949
Source : Bundesgericht
Status : 75 I 273
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Handelsregister; Wiedereintragung einer Kollektivgesellschaft kann nicht verlangt werden bei...


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OR: 577  578  579
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64-I-334 • 75-I-273
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