BGE 75 I 269
45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Juni 1949 i. S. Stiftung für
Personalfürsorge der Firma H. Obrist u. Cie. gegen Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft.
Regeste:
Handelsregister Eintragung der Stiftung.
Eine Personalfürsorgestiftung, welche durch Vermögenswidmung mittels
Begründung einer Forderung an die Stifterin errichtet wurde, ist rechtsgültig
und daher im Handelsregister einzutragen.
Registre du commerce; inscription de la fondation.
Une fondation de prévoyance pour le personnel, dans laquelle l'affectation des
biens consiste dans la constitution d'une créance contre le fondateur, est
juridiquement valable et doit être inscrite au registre du commerce.
Registro di commercio; iscrizione della fondazione.
Una fondazione di previdenza pel personale, il cui atto costitutivo prescrive
che il patrimonio consisterà in un credito verso il fondatore, è
giuridicamente valida e dev'essere iscritta nel registro di commercio.
A. Mit öffentlicher Urkunde vom 6. Juli 1948 errichtete die Firma H. Obrist
& Cie. in Reinach eine Personalfürsorgestiftung im Sinne der Art. 80 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck. |
und dotierte diese mit einem Anfangskapital von Fr. 50000., Wert 31. Dezember
1947, in Form einer Forderung an die Stifterin (Art. 3 der Stiftungsurkunde).
Sie meldete die Stiftung am 7. Juli 1948 beim Handelsregisterführer an und
reichte gleichen Tags dem Vorsteher des kantonalen
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Justizdepartementes eine Stiftungsurkunde ein. Der Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft, als Aufsichtsbehörde über die Stiftungen vom
Handelsregisterführer mit der Angelegenheit befasst, verneinte unterm 14.
Dezember 1948 die Zulässigkeit der Errichtung jener Stiftung durch Begründung
einer Forderung und verbot die Eintragung im Handelsregister. Er argumentierte
wie folgt: Das ZGB äussere sich nicht darüber, ob das Stiftungsvermögen in
einer Forderung an den Stifter oder an Dritte bestehen dürfe. Jedoch überbinde
es der Aufsichtsbehörde eine gewisse Verantwortlichkeit, die sich nicht nur
auf die Verwendung der Stiftungserträgnisse beschränke, sondern auch die Sorge
für die Anlage und damit womöglich die Sicherung des Vermögens umfasse. Die
Aufsicht gestalte sich schwieriger, wenn die zuständige Behörde jederzeit über
die wirtschaftliche Situation der Stifterfirma orientiert sein müsse. Eine
erhebliche Erleichterung ergebe sich durch Ausscheidung und selbständige
Anlage des Stiftungsvermögens, und die Aufsichtsbehörde habe keine
Veranlassung, ihre Aufgabe zu erschweren. Dazu bestimme das revOR in Art. 673
Abs. 3, 805 und 862 Abs. 3, dass das Stiftungsvermögen bei A.-G., GmbH und
Genossenschaft in einer Forderung an die Stifterin bestehen dürfe. Daraus
könne geschlossen werden, dass der Gesetzgeber der Aufsichtsbehörde nicht
verwehren wolle, für Stifter, die nicht eine der genannten
Handelsgesellschaften darstellen, die Zulässigkeit einer analogen Regelung
auszuschalten, weil anders die zitierten Vorschriften keinen Sinn hätten.
Vergleichend sei § 13 Abs. 3 des kantonalen Reglementes vom 7. Januar 1941
betreffend die Aufsicht über Stiftungen zu beachten. welcher lautet:
« Bei Personalfürsorgestiftungen ist mit Ausnahme von den in Art. 673 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 673 - 1 Die Generalversammlung kann in den Statuten oder durch Beschluss die Bildung freiwilliger Gewinnreserven vorsehen. |
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1 | Die Generalversammlung kann in den Statuten oder durch Beschluss die Bildung freiwilliger Gewinnreserven vorsehen. |
2 | Freiwillige Gewinnreserven dürfen nur gebildet werden, wenn das dauernde Gedeihen des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interessen aller Aktionäre dies rechtfertigt. |
3 | Die Generalversammlung beschliesst über die Verwendung freiwilliger Gewinnreserven; vorbehalten bleiben die Vorschriften über die Verrechnung mit Verlusten. |
805
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 805 - 1 Die Gesellschafterversammlung wird von den Geschäftsführern, nötigenfalls durch die Revisionsstelle, einberufen. Das Einberufungsrecht steht auch den Liquidatoren zu. |
|
1 | Die Gesellschafterversammlung wird von den Geschäftsführern, nötigenfalls durch die Revisionsstelle, einberufen. Das Einberufungsrecht steht auch den Liquidatoren zu. |
2 | Die ordentliche Versammlung findet alljährlich innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres statt. Ausserordentliche Versammlungen werden nach Massgabe der Statuten und bei Bedarf einberufen. |
3 | Die Gesellschafterversammlung ist spätestens 20 Tage vor dem Versammlungstag einzuberufen. Die Statuten können diese Frist verlängern oder bis auf zehn Tage verkürzen. Die Möglichkeit einer Universalversammlung bleibt vorbehalten. |
4 | ...689 |
5 | Im Übrigen sind die Vorschriften des Aktienrechts über die Generalversammlung entsprechend anwendbar für: |
1 | die Einberufung; |
2 | das Einberufungs-, das Traktandierungs- und das Antragsrecht der Gesellschafter; |
2bis | den Tagungsort und die Verwendung elektronischer Mittel; |
3 | die Verhandlungsgegenstände; |
4 | die Anträge; |
5 | die Universalversammlung und die Zustimmung zu einem Antrag; |
6 | die vorbereitenden Massnahmen; |
7 | das Protokoll; |
8 | die Vertretung der Gesellschafter; |
9 | die unbefugte Teilnahme. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 862 - 1 Die Statuten können insbesondere auch Fonds zur Gründung und Unterstützung von Wohlfahrtseinrichtungen für Angestellte und Arbeiter des Unternehmens sowie für Genossenschafter vorsehen. |
|
1 | Die Statuten können insbesondere auch Fonds zur Gründung und Unterstützung von Wohlfahrtseinrichtungen für Angestellte und Arbeiter des Unternehmens sowie für Genossenschafter vorsehen. |
Geschäftsvermögen des Unternehmens auszuscheiden oder sicherzustellen. »
Dieser Stellungnahme gemäss verweigerte der Handelsregisterführer die
Eintragung der Stiftung mit Verfügung vom 21. Dezember 1948.
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B. Die Stifterin beschwerte sich beim Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde über das
Handelsregister. Die Einsprache wurde aus Motiven, die sich mit denjenigen des
regierungsrätlichen Erlasses vom 14. Dezember 1948 decken, durch Entscheid vom
28. Februar 1949 abgelehnt. Hiegegen richtet sich die vorliegende
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Begehren, es sei festzustellen, dass die
Stiftung im Handelsregister eingetragen werden könne, und dem
Handelsregisterführer entsprechende Anweisung zu geben. In der Vernehmlassung
bestätigt der Regierungsrat seine dargelegte Auffassung. Das eidgenössische
Justiz- und Polizeidepartement beantragt Gutheissung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Das Stiftungsrecht des ZGB ruht auf dem Prinzip der Stiftungsfreiheit, auch
hinsichtlich der Art des bei Errichtung der Stiftung zu widmenden Vermögens.
Dieses braucht daher nicht notwendig ausgeschieden zu sein, sondern kann
grundsätzlich in einer Forderung an den Stifter oder an Dritte bestehen. Das
ist in Lehre und Praxis unbestritten.
Dabei wäre es in bezug auf das geltende Recht wohl geblieben, hätte nicht der
Gesetzgeber die genannte Möglichkeit im revOR an drei Stellen (Art. 673 Abs.
3, 805, 862 Abs. 3) noch ausdrücklich erwähnt. Die an und für sich
überflüssige Hervorhebung einer Selbstverständlichkeit mochte nun gelegentlich
zur irrigen Annahme verleiten, es sei damit eine Ausnahme von einer
gegenteiligen Regel statuiert. Eine solche Meinung hatte indessen die Revision
nicht, was auch das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement anerkennt.
Ausserdem ermangelt eine unterschiedliche Behandlung der Gesellschaften, wie
der Regierungsrat sie vornehmen will, der inneren Berechtigung. Im Vordergrund
steht bei der Ordnung der Personalfürsorgestiftungen die Sicherheit der
Destinatäre. Sie ist für Forderungen gegenüber einer Personengesellschaft
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(KolIektiv- oder Kommanditgesellschaft) keineswegs geringer als für
Forderungen gegenüber einer A.-G., einer GmbH oder einer Genossenschaft; an
sich nicht und wegen der immer vorhandenen unbeschränkten Haftung mindestens
eines Gesellschafters. Wäre beabsichtigt gewesen, der Erschwerung in der
Aufsicht über Stiftungen der umstrittenen Art Rechnung zu tragen, dann hätte
anlässlich der Gesetzesrevision die Widmung von Vermögen in der Form einer
Forderung untersagt und nicht deren ohnehin gegebene Zulässigkeit bei
einzelnen Gesellschaftstypen besonders festgelegt werden müssen, zumal
Personalfürsorgestiftungen bei A.-G., GmbH und Genossenschaft praktisch
häufiger sind als bei Personengesellschaften. Nachdem aber das OR den vom
Regierungsrat namhaft gemachten Gesichtspunkten sogar in den wichtigsten
Fällen keine Bedeutung beimisst, dürfen sie nicht auf dem Umwege über eine
kantonale Verordnung für weniger wichtige Fälle und unter Beeinträchtigung des
materiellen Rechts eingeführt werden; dies umsoweniger, als nach den vom
eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement gemachten Angaben
Beschränkungen der Stiftungsfreiheit nicht einmal de lege ferenda (Entwürfe
für Gesetze über die Aufsicht der Personalfürsorgeunternehmen sowie über die
Arbeit im Handel und im Gewerbe) geplant sind.
Es ergibt sich also, dass der vorinstanzliche Entscheid unhaltbar und § 13
Abs. 3 des kantonalen Reglementes vom 7. Januar 1941 über die
Stiftungsaufsicht bundesrechtswidrig ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und
der Handelsregisterführer des Kantons Basel-Landschaft angewiesen, die
Stiftung für Personalfürsorge der Firma Obrist & Cie. gemäss Stiftungsurkunde
vom 6. Juli 1948 einzutragen.