S. 72 / Nr. 16 Strafgesetzbuch (d)

BGE 74 IV 72

16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Juli 1948 i. S.
Hofstetter und Stampfli gegen Käch.

Regeste:
1. Art. 24 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
StGB, Anstiftung. Dass der Haupttäter unbekannt ist,
schliesst die Bestrafung des wegen Anstiftung Angeklagten nicht ohne weiteres
aus.
2. Art. 29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt:
a  als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person;
b  als Gesellschafter;
c  als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder
d  ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter.
StGB, Antragsfrist. Der Antragsberechtigte kennt den Täter nicht
schon, wenn er eine bestimmte Person im Verdacht hat, sondern erst, wenn er
von deren Täterschaft überzeugt sein darf.
1. Art. 24 al. 1 CP, instigation. Il peut y avoir instigation, encore que
l'auteur principal n'ait pas été identifié.
2. Art. 29 CP, délai pour porter plainte. Pour connaître l'auteur d'une
infraction, il ne suffit pas de soupçonner une personne déterminée; il faut
encore être convaincu quo c'est elle qui a agi.
1. Art. 24 cp. 1 CP, istigazione. L'istigatore è punibile quand'anche l'autore
principale non sia stato identificato.
2. Art. 29 CP, termine per sporgere querela. Per conoscere l'autore di un
reato, non basta sospettare una persona determinata; occorre altresì la
convinzione che sia stata essa a agire.

A. ­ Paul Käch, Arbeiter im Zeughaus Solothurn, war Gemeindeschreiber in
Bolken (Solothurn) gewesen. Im Jahre 1945 wurde er in diesem Amte nicht mehr
bestätigt. Er war der Auffassung, dass zwei Einwohner von Bolken, Hofstetter
und Stampfli, welche der gleichen

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politischen Partei wie er angehörten, seine Wiederwahl hintertrieben hätten.
In der Folge wurden diese beiden in einem anonymen Zettel, der sich bei einer
Abstimmung in einem Stimmcouvert fand, in ihrer Ehre angegriffen. Ferner
erhielt Hofstetter einen ebenfalls anonymen Brief ehrenrührigen Inhalts. Die
Verletzten hatten sofort Käch als Verfasser oder Urheber dieser Schriftstücke
im Verdacht. Ein Gutachten, das in ihrem Auftrag am 23. März 1946 erstattet
wurde, bezeichnete Kürsener, der wie Käch im Zeughaus Solothurn arbeitet, als
Verfasser. Darauf erhoben Hofstetter und Stampfli am 9. April 1946 gegen
Kürsener und Käch Strafklage wegen Ehrverletzung.
B. ­ Das Amtsgericht Bucheggberg-Kriegstetten sprach Kürsener mangels Beweises
frei; dagegen verurteilte es Käch wegen vollendeter Anstiftung zu Verleumdung
und Beschimpfung zu einer Busse von Fr. 400.­.
Das Obergericht des Kantons Solothurn, das als Appellationsinstanz nur noch
über die Anklage der Verleumdung bzw. der Anstiftung dazu zu befinden hatte,
sprach insoweit nicht nur Kürsener, sondern auch Käch frei; dementsprechend
setzte es die Busse für diesen auf Fr. 100.­ herab (Urteil vom 8. November
1947).
C. ­ Hofstetter und Stampfli einer- und Käch anderseits führen gegen das
Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde.
Hofstetter und Stampfli beantragen, das Urteil aufzuheben, soweit es Käch von
Anstiftung zu Verleumdung freispreche, und die Sache zu neuer Entscheidung an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie beanstanden die Auffassung des
Obergerichts, dass der Anstifter nicht selbständig verurteilt werden könne,
wenn der Haupttäter nicht festgestellt sei. Darin liege eine Verletzung des
Art. 24
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
StGB.
Käch wendet sich dagegen, dass das Obergericht ihn wegen Anstiftung zu
Beschimpfung verurteile. Er macht unter anderm geltend, die Gegenpartei habe
die Antragsfrist verpasst. ­

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Der Kassationshof schützt die Beschwerde Hofstetters und Stampflis; diejenige
Kächs weist er ab, soweit darauf einzutreten ist.
Aus den Erwägungen:
I. (Beschwerde Hofstetters und Stampflis.)
Art. 24 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
StGB bestimmt: «Wer jemanden zu dem von ihm verübten Verbrechen
oder Vergehen vorsätzlich bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf
den Täter Anwendung findet, bestraft.» Voraussetzung ist also, dass die
Haupttat begangen wurde. Ob dies der Fall sei, lässt sich indes nicht nur dann
und nicht erst dann feststellen, wenn der Richter Gelegenheit hatte, den
Haupttäter zu verurteilen. Das Gesetz verlangt denn auch nicht, dass die
Haupttat beurteilt sei, sondern nur, dass sie verübt sei. Das kann sie auch
dann sein, wenn sie, zur Zeit oder überhaupt, deshalb nicht beurteilt werden
kann, weil der Haupttäter unbekannt ist. Es ist nicht von vornherein
ausgeschlossen, dass ein anderer diesen unbekannten Täter vorsätzlich dazu
bestimmt haben kann, die Haupttat zu begehen, also als Anstifter im Sinne des
Art. 24
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
StGB tätig war. Freilich muss dem der Anstiftung Beschuldigten
nachgewiesen werden, dass er mit dem unbekannten Täter in Verbindung stand,
auf ihn einwirkte, in ihm vorsätzlich den Entschluss zur Reife brachte, die
Tat selbständig zu begehen. Dieser Beweis wird oft auf Schwierigkeiten
stossen. Kann er aber erbracht werden, so ist Anstiftung auch dann anzunehmen,
wenn der Haupttäter noch nicht identifiziert und daher auch nicht verurteilt
werden konnte.
Mit dem Satze: «Die Akzessorietät der Anstiftung hat zur Folge, dass, da der
Verfasser der inkriminierten Schreiben nicht festgestellt ist, auch der
eingeklagte Anstifter nicht bestraft werden kann», verletzt daher das
Obergericht Art. 24
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
StGB. In der Vernehmlassung erklärt es allerdings, es habe
Käch auch deshalb von der Anklage

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der Anstiftung zu Verleumdung freigesprochen, weil es in diesem Punkte der
Beweiswürdigung des Amtsgerichts auf Grund der gesamten Aktenlage nicht habe
beitreten können.- Allein der angefochtene Entscheid selbst enthält hierüber
keine Ausführungen. Infolgedessen ist es nicht möglich nachzuprüfen, ob das
Obergericht in der eventuellen Erwägung, die es schon bei Fällung des Urteils
angestellt haben will, Art. 24
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
StGB richtig ausgelegt hat.
II. (Beschwerde Kächs.)
Nach Art. 29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt:
a  als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person;
b  als Gesellschafter;
c  als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder
d  ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter.
StGB erlischt das Antragsrecht nach Ablauf von drei Monaten seit
dem Tage, an welchem dem Antragsberechtigten der Täter bekannt wird. Der
Antragsberechtigte kennt den Täter nicht schon, wenn er eine bestimmte Person
im Verdacht hat, sondern erst, wenn er so gewichtige Anhaltspunkte für deren
Täterschaft hat, dass er davon überzeugt sein und in guten Treuen Strafantrag
stellen darf, ohne selbst Bestrafung, etwa wegen übler Nachrede, gewärtigen zu
müssen.
Hier hatten Hofstetter und Stampfli zwar schon von Anfang an vermutet, Käch
sei Urheber der anonymen Schreiben. Genügende Klarheit gewannen sie aber nach
der für den Kassationshof verbindlichen Feststellung der Vorinstanz erst, als
sie das von ihnen eingeholte Gutachten erhielten, das Kürsener als Verfasser
bezeichnete. Erst jetzt wurde es für sie zur Gewissheit, dass ihre Vermutung
zutreffe, da Kürsener zu ihnen keine Beziehungen hatte, anderseits aber am
gleichen Ort wie Käch arbeitete. Da jenes Gutachten am 23. März 1946 erstattet
wurde, erweist sich somit der Strafantrag vom 9. April 1946 als rechtzeitig.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 IV 72
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 08. Juli 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 IV 72
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : 1. Art. 24 Abs. 1 StGB, Anstiftung. Dass der Haupttäter unbekannt ist, schliesst die Bestrafung des...


Gesetzesregister
StGB: 24 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 24 - 1 Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
1    Wer jemanden vorsätzlich zu dem von diesem verübten Verbrechen oder Vergehen bestimmt hat, wird nach der Strafandrohung, die auf den Täter Anwendung findet, bestraft.
2    Wer jemanden zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht, wird wegen Versuchs dieses Verbrechens bestraft.
29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt:
a  als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person;
b  als Gesellschafter;
c  als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder
d  ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter.
BGE Register
74-IV-72
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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