S. 54 / Nr. 13 Strafgesetzbuch (d)

BGE 74 IV 54

13. Urteil des Kassationshofes vom 10. März 1948 i. S. Gmünder gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.


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Regeste:
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB. In der Absicht, sich einen unrechtmässigen
Vorteil zu verschaffen, handelt auch, wer mit der Urkundenfälschung eine
Strafuntersuchung, in die er wegen eines andern Deliktes gezogen werden
könnte, erschweren will («Selbstbegünstigung»).
Art. 251 oh. 1 al. 1 CP. Celui qui, par un faux dans les titres, veut entraver
une poursuite pénale dans laquelle il pourrait être impliqué pour un autre
délit, agit dans le dessein de se procurer un avantage illicite.
Art. 251, cifra 1, cp. 1 CP. Chi, mediante falsificazione di documenti, vuole
intralciare un procedimento penale nel quale potrebbe essere coinvolto per un
altro reato, agisce nell'intento di procacciarsi un indebito profitto.

A. ­ A. Gmünder verkaufte im Januar 1947 in Basel verschiedenen Personen
Teigwaren ohne Rationierungsausweise und zu stark übersetzten Preisen. Um zu
vermeiden, in eine Strafuntersuchung wegen Übertretung kriegswirtschaftlicher
Vorschriften gezogen zu werden, unterzeichnete er in vier Fällen die von den
Käufern verlangten Quittungen mit einem falschen Namen. Ausserdem bescheinigte
er auf zwei dieser Quittungen: «Coupons erhalten», um seine Stellung in einem
solchen Strafverfahren zu verbessern.
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt sprach ihn am 2. Juli 1947 in den
zwei Fällen, wo er sich darauf beschränkt hatte, mit einem falschen Namen zu
unterschreiben, von der Anklage der Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
StGB)
frei mit der Begründung, die Empfänger der Urkunden hätten über die Identität
des Ausstellers nicht getäuscht werden können, da sie der Unterzeichnung
zugesehen hätten. Dagegen erklärte es ihn dieses Verbrechens in den beiden
andern Fällen schuldig und verurteilte ihn deshalb zu einer bedingt
vollziehbaren Gefängnisstrafe von zehn Tagen. Es nahm an, er habe den
unrichtigen Vermerk «Coupons erhalten» geschrieben in der Absicht, sich einen
unrechtmässigen

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Vorteil im Sinne von Art. 251 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
StGB zu verschaffen, nämlich eine
Besserstellung in einem allfälligen kriegswirtschaftlichen Strafverfahren.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, an welches die
Staatsanwaltschaft dieses Urteil weiterzog, bejahte in seinem Entscheid vom
21. Januar 1948 wie die erste Instanz den Urkundencharakter der vier vom
Angeklagten ausgestellten Quittungen. Jedoch stellte es nicht darauf ab, dass
die Käufer durch die falschen Unterschriften über die Identität des Urhebers
nicht hätten getäuscht werden können. Vielmehr ging es davon aus, dass der
Angeklagte in allen Fällen Dritte, nämlich die kriegswirtschaftlichen
Kontrollorgane, in dieser Weise habe täuschen wollen. Es fand deshalb, er wäre
bezüglich sämtlicher vier Quittungen wegen Urkundenfälschung strafbar, sofern
er in der Absicht gehandelt hätte, sich oder einem andern einen
unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Unter Vorteil sei freilich auch jede
Besserstellung zu verstehen. Der Angeklagte habe indessen nur seine eigene
Besserstellung erstrebt, indem er eine allfällige Strafverfolgung gegen ihn
selbst habe erschweren wollen. Dieser beabsichtigte Vorteil sei aber nicht
unrechtmässig, da nach herrschender Lehre die Selbstbegünstigung straflos sei.
Der Angeklagte wurde daher vollständig freigesprochen.
B. ­ Gegen das Urteil des Appellationsgerichts führt die Staatsanwaltschaft
des Kantons Basel-Stadt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrage, es aufzuheben
und die Sache zur neuen Beurteilung an die kantonale Behörde zurückzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Selbstbegünstigung sei an sich allerdings
straflos, wie aus Art. 305
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 305 - 1 Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in den Artikeln 59-61, 63 und 64 vorgesehenen Massnahmen entzieht,400 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in den Artikeln 59-61, 63 und 64 vorgesehenen Massnahmen entzieht,400 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1bis    Ebenso wird bestraft, wer jemanden, der im Ausland wegen eines Verbrechens nach Artikel 101 verfolgt wird oder verurteilt wurde, der dortigen Strafverfolgung oder dem dortigen Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer Massnahme im Sinne der Artikel 59-61, 63 oder 64 entzieht.401
2    Begünstigt der Täter seine Angehörigen oder jemand anderen, zu dem er in so nahen persönlichen Beziehungen steht, dass sein Verhalten entschuldbar ist, so bleibt er straflos.402
StGB folge; gleichwohl sei sie aber unrechtmässig
im Sinne von Art. 251 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB. Der Angeklagte sei daher nach dieser
Bestimmung zu bestrafen.
Gmünder beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.

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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Mit Recht verstehen die Vorinstanzen unter dem Vorteil, von dem Art. 251 Ziff.
1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB spricht, nicht nur einen Vermögensvorteil, sondern jede
Besserstellung. Eine solche hat nach ihren Feststellungen Gmünder
beabsichtigt, indem er durch das Fälschen der Unterschrift auf den vier
Quittungen und durch die falsche Angabe in zwei dieser Urkunden, die Coupons
für die gelieferten Teigwaren erhalten zu haben, eine etwaige Strafverfolgung
wegen Widerhandlung gegen Vorschriften des Kriegswirtschaftsrechtes hat
erschweren wollen. Und zwar hat er diesen Vorteil nur für sich selbst
erstrebt, wie das Appellationsgericht weiter feststellt. Zu prüfen ist, ob die
derart beabsichtigte Selbstbegünstigung unrechtmässig im Sinne von Art. 251
Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
StGB ist. Wenn es der Fall ist, so hat sich Gmünder der
Urkundenfälschung schuldig gemacht, da die weiteren in Art. 251 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
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StGB
aufgestellten Tatbestandsmerkmale nach den zutreffenden Erwägungen der
Vorinstanz erfüllt sind.
Dem Appellationsgericht ist zuzugeben, dass nach Art. 305
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 305 - 1 Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in den Artikeln 59-61, 63 und 64 vorgesehenen Massnahmen entzieht,400 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in den Artikeln 59-61, 63 und 64 vorgesehenen Massnahmen entzieht,400 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1bis    Ebenso wird bestraft, wer jemanden, der im Ausland wegen eines Verbrechens nach Artikel 101 verfolgt wird oder verurteilt wurde, der dortigen Strafverfolgung oder dem dortigen Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer Massnahme im Sinne der Artikel 59-61, 63 oder 64 entzieht.401
2    Begünstigt der Täter seine Angehörigen oder jemand anderen, zu dem er in so nahen persönlichen Beziehungen steht, dass sein Verhalten entschuldbar ist, so bleibt er straflos.402
StGB wegen
Begünstigung nur strafbar ist, wer einen andern der Strafverfolgung oder dem
Vollzug einer Strafe oder sichernden Massnahme entzieht. Wer sich selbst in
dieser Weise begünstigt, ist deswegen nicht strafbar; denn eine solche
Handlung wird an sich nicht als strafwürdig angesehen (vgl. Erläuterungen zum
Vorentwurf von 1908, S. 387). Daraus folgt aber keineswegs, dass die
Besserstellung, die er sich durch die Selbstbegünstigung verschafft, auch
rechtmässig ist. Vielmehr wird sie von der Rechtsordnung so wenig gebilligt
wie diejenige, die das Ergebnis der Begünstigung durch einen andern ist. Daher
ist die mit der Selbstbegünstigung beabsichtigte Benachteiligung der
Strafjustiz ebenfalls als unrechtmässig anzusehen.
Die Sache ist deshalb an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie Gmünder
wegen Urkundenfälschung nach Art. 251
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
StGB bestrafe.

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Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid
aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 IV 54
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 10. März 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 IV 54
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. In der Absicht, sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen...


Gesetzesregister
StGB: 251 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
1    Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen,
2    ...315
305
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 305 - 1 Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in den Artikeln 59-61, 63 und 64 vorgesehenen Massnahmen entzieht,400 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in den Artikeln 59-61, 63 und 64 vorgesehenen Massnahmen entzieht,400 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1bis    Ebenso wird bestraft, wer jemanden, der im Ausland wegen eines Verbrechens nach Artikel 101 verfolgt wird oder verurteilt wurde, der dortigen Strafverfolgung oder dem dortigen Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer Massnahme im Sinne der Artikel 59-61, 63 oder 64 entzieht.401
2    Begünstigt der Täter seine Angehörigen oder jemand anderen, zu dem er in so nahen persönlichen Beziehungen steht, dass sein Verhalten entschuldbar ist, so bleibt er straflos.402
BGE Register
74-IV-54
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