S. 65 / Nr. 15 Familienrecht (d)

BGE 74 II 65

15. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Juli. 1948 i. S.
Baumgartner gegen Baumgartner.


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Regeste:
Ehescheidung. Tiefe Zerrüttung, Art. 142 ZGB.
Zumutbarkeit der Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft.
Pflicht der Vorinstanz, die für die Beurteilung der Frage der Zerrüttung und
der Zumutbarkeit sowie des Verschuldens wesentlichen Ergebnisse ihrer
Beweiswürdigung im Urteil konkret und klar anzugeben (Art. 51 Abs. 1 lit. e,
1. Satz; Art. 64 Abs. 1 OG).
Divorce. Atteinte profonde au lien conjugal, art. 142 CC.
Devoir pour les époux de supporter la continuation de la vie commune.
Obligation pour la juridiction cantonale d'indiquer d'une façon claire et
concrète le résultat de l'administration des preuves sur les points importants
pour la solution des questions de la désunion, de la faute et du devoir de
supporter la continuation de la vie commune (art. 51 al. 1 lettre e 1 re
phrase, art. 64 al. 1 OJ)
Divorzio. Profonda turbazione delle relazioni coniugali, art. 142 CC.
Dovere di continuare l'unione coniugale.
Obbligo della giurisdizione cantonale d'indicare nella sentenza in modo chiaro
e concreto, il risultato dell'assunzione delle prove sui punti importanti per
la decisione della questione della turbazione, della colpa e del dovere di
continuare l'unione coniugale (art. 51 cp. 1 lett. c 1 a frase; art. 64 cp. 1
OG).

Die Vorinstanz bejaht eine tiefe und unheilbare Zerrüttung der Ehe und misst
der Beklagten ein schweres, ein Eheverbot erforderndes und Ansprüche gemäss
Art. 151 /52
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 52 - 1 Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.
1    Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.
2    Keiner Eintragung bedürfen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten sowie die Vereine, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen.80
3    Personenverbindungen und Anstalten zu unsittlichen oder widerrechtlichen Zwecken können das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen.
ZGB ausschliessendes Verschulden daran bei. Die Berufungsklägerin
bestreitet sowohl das Vorliegen einer tiefen Zerrüttung im Sinne des Gesetzes
als ein überwiegendes Verschulden ihrerseits. In beiden Richtungen hält das
angefochtene Urteil der Überprüfung in keiner Weise stand. Als Scheidungsgrund
genügt die Zerrüttung nur, wenn sie so tief ist, dass den Ehegatten die
Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft nicht zugemutet werden darf (Art. 142

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Abs. 1 ZGB). Wo die Grenze dieser Zumutbarkeit im einzelnen Falle liegt, ist
Rechtsfrage. Sie geht dahin, ob kraft der aus der Ehe sich ergebenden Pflicht
von den Parteien verlangt werden kann, in der Ehe zu verharren, wobei sie
gehalten sind, ihren guten Willen für die Aufrechterhaltung der ehelichen
Gemeinschaft einzusetzen (BGE 72 II 401). Bei der Beurteilung der
Zumutbarkeit, also der Frage, wieviel guter Wille, Nachsicht und
Selbstüberwindung vom Kläger im Interesse der Aufrechterhaltung der
Gemeinschaft verlangt werden muss, darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass
die Ehe der Parteien nunmehr 22 Jahre gedauert, dass die Beklagte dem Kläger
solange den Haushalt geführt, ihm 6 Kinder geboren und sie ­ wenn auch nicht
vorbildlich ­ erzogen, hat und nun im Falle der Scheidung in vorgerücktem
Alter völlig mittellos auf sich selbst gestellt würde. Bei dieser Lage der
Dinge muss die Frage der Unzumutbarkeit nach einem strengen Masstab beurteilt
werden. Auf Grund der vorliegenden Feststellungen der Vorinstanz kann aber das
Vorliegen einer Zerrüttung von der in Art. 142 ZGB vorausgesetzten Tiefe und
Unheilbarkeit weder bejaht noch verneint werden.
Hinsichtlich des Vorwurfs betreffend Haushaltführung und Kinderpflege
beschränkt sich die Vorinstanz darauf, auf die in der Tat auffallend
widersprechenden Zeugenaussagen hinzuweisen, ohne festzustellen, was sie nun
als erwiesen erachtet. Auch mit dem Widerspruch in den Depositionen bezüglich
der Kindererziehung setzt sich die Vorinstanz nicht auseinander; lediglich aus
den Folgerungen, die hinsichtlich der Kinderzuteilung gezogen werden, lässt
sich schliessen, dass sie den der Beklagten ungünstigen Zeugnissen Glauben
beimessen will. Aber aus den von diesen Personen bezeugten Tatsachen den
Scheidungsgrund der tiefen Zerrüttung ableiten zu wollen, geht zu weit, zumal
wenn berücksichtigt wird, wie wenig der Kläger selbst sich um die Erziehung
gekümmert hat, mag er daran auch durch die viele Überzeitarbeit in seinem
Berufe verhindert worden sein. Bezüglich des persönlichen Benehmens der

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Beklagten gegen den Kläger endlich stellt die Vorinstanz fest, es gehe aus
verschiedenen Zeugenaussagen hervor, dass sie ihn durch ihr störrisches,
eifersüchtiges und liebloses Verhalten abstiess. Worin aber und in welchem
Umfang sich dieses Wesen konkret äusserte, wird nicht gesagt, auch kein
einzelnes Vorkommnis mitgeteilt, das als typisch gelten und Schlüsse über die
kausale Bedeutung dieser Einstellung der Beklagten erlauben könnte. Zudem wird
der Kläger seinerseits als verschlossen, mürrisch, nervös und ungeduldig mit
den Kindern (Zeugin Iten) bezeichnet und beigefügt, dieses Verhalten sei «zum
Teil» eine Reaktion auf die ehewidrige Einstellung der Beklagten gewesen. Dies
lässt der Möglichkeit Raum, dass es zum andern Teil eben doch primär und
seinerseits die Ursache des entsprechenden nervösen Benehmens der Beklagten
war, wie diese behauptet. Die Würdigung der Vorinstanz bleibt auch hier
unbestimmt und setzt sich in keiner Weise mit der ­ ihr widersprechenden ­ des
Amtsgerichts auseinander, das in seinem zweiten Urteil den Kläger als einen
starrköpfigen, schweigsamen Menschen bezeichnete und in dessen Hartnäckigkeit
einen wesentlichen Charakterzug und das Haupthindernis für die Heilung der
Ehekrise erblickte. Als feststehend kann demnach jedenfalls gelten, dass es
bei beiden Parteien oft am guten Willen, an der Ruhe und an der
Verständigungsbereitschaft im gegenseitigen Verkehr gefehlt hat. Aber anhand
dessen, was an konkreten Tatsachen eindeutig festgestellt ist, lässt sich bei
keinem Teil das Bild eines Verhaltens gewinnen, das dem andern Teil heute ohne
allen Zweifel die Fortsetzung der über zwanzigjährigen, kinderreichen Ehe
unzumutbar machen und ein Recht auf Scheidung geben, geschweige denn ein
überwiegendes Verschulden darstellen würde, das die Auferlegung eines
einseitigen Eheverbotes und den Ausschluss jeglicher Ansprüche aus Art.
151 /152
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 52 - 1 Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.
1    Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.
2    Keiner Eintragung bedürfen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten sowie die Vereine, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen.80
3    Personenverbindungen und Anstalten zu unsittlichen oder widerrechtlichen Zwecken können das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen.
ZGB rechtfertigte. Das angefochtene Urteil ist daher gemäss Art. 64
Abs. 1 OG aufzuheben und die Sache zu näherer Feststellung der tatsächlichen
Verhältnisse und

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neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, der sich dann im Falle
der Bejahung eines Scheidungsgrundes auch ­ gemäss dem Begehren der Beklagten
­ die Frage stellen würde, ob nicht trotzdem gemäss Art. 146 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 52 - 1 Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.
1    Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.
2    Keiner Eintragung bedürfen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten sowie die Vereine, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen.80
3    Personenverbindungen und Anstalten zu unsittlichen oder widerrechtlichen Zwecken können das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen.
ZGB besser
nur auf Trennung zu erkennen wäre.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 II 65
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 04. Juli 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 II 65
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Ehescheidung. Tiefe Zerrüttung, Art. 142 ZGB.Zumutbarkeit der Fortsetzung der ehelichen...


Gesetzesregister
OG: 64
ZGB: 52 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 52 - 1 Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.
1    Die körperschaftlich organisierten Personenverbindungen und die einem besondern Zwecke gewidmeten und selbständigen Anstalten erlangen das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung in das Handelsregister.
2    Keiner Eintragung bedürfen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten sowie die Vereine, die nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen.80
3    Personenverbindungen und Anstalten zu unsittlichen oder widerrechtlichen Zwecken können das Recht der Persönlichkeit nicht erlangen.
142  146  151  152
BGE Register
72-II-401 • 74-II-65
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • ehe • ehegatte • eheliche gemeinschaft • entscheid • frage • haushalt • scheidungsgrund • stelle • verhalten • vorinstanz • wille • zweifel