BGE 74 II 246
41. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1948 i.S.
Ritter gegen Schönbächler.
Regeste:
Wechselbürgschaft (Art. 1021 Abs. 4

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1021 - 1 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1022 - 1 Der Wechselbürge haftet in der gleichen Weise wie derjenige, für den er sich verbürgt hat. |
gegenüber dem Wechselbürgen, der ihn regressnehmend belangt, die Vermutung von
Art. 1021 Abs. 4

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 1021 - 1 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder auf einen Anhang (Allonge) gesetzt. |
nicht für ihn verbürgt hat.
Aval (art. 1021 al. 4, 1022 al 3 CO): Le tireur, recherché par voie de recours
par le donneur d'aval, peut, à l'égard de ce dernier,
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infirmer la présomption de l'art. 1021 al. 4 CO en prouvant que le donneur
d'aval ne s'est pas porté caution pour lui tireur.
Avallo (art. 1021 cp. 4, 1022 cp. 3 CO): Il traente che è convenuto in via di
regresso dall'avallante può opporgli la presunzione dell'art. 1021 cp. 4 CO,
fornendo la prova che l'avallante non ha prestato garanzia per lui.
Aus dem Tatbestand:
A. Frau Schönbächler stellte am 1. März 1946 einen an ihre eigene Order
lautenden und auf ihren Sohn Alois gezogenen Wechsel über Fr. 5000. aus. Der
Wechsel wurde vom Bezogenen akzeptiert und von Albert Ritter als Bürge
unterzeichnet; der diesbezügliche Vermerk auf der Vorderseite des Wechsels,
lautend «per aval: Alb. Ritter», steht parallel und unmittelbar unter der
links aussen quergestellten Unterschrift des Akzeptanten. Die Schweizerische
Kreditanstalt, an die der Wechsel in der Folge zur Diskontierung gelangte und
die vom Bezogenen keine Bezahlung erhielt, belangte den Wechselbürgen. Dieser
löste den Wechsel ein, nahm Rückgriff auf die Ausstellerin Frau Schönbächler,
betrieb sie und erwirkte gegen den erhobenen Rechtsvorschlag provisorische
Rechtsöffnung. Frau Schönbächler klagte auf Aberkennung der in Betreibung
gesetzten Forderung von Fr. 5267.40 samt Zins zu 6 % seit 22. Januar 1947, Fr.
38.80 Betreibungs- und Rechtsöffnungskosten und Fr. 25. Entschädigung im
Rechtsöffnungsverfahren. Zur Begründung machte sie u.a. geltend, der Beklagte
habe sich nicht für sie, sondern für den Akzeptanten verbürgt, weshalb ihm
kein Regress gegen sie zustehe. Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage.
B. Mit Urteil vom 22. Juni 1948 hat das Obergericht des Kantons Zürich die
Aberkennungsklage in Bestätigung des bezirksgerichtlichen Entscheides
gutgeheissen. Der Beklagte ergriff hiegegen die Berufung mit dem Antrag, die
Klage sei abzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Bestätigung des angefochtenen
Urteils.
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Aus den Erwägungen:
4. Die Vorinstanz stellt fest, dass der Beklagte, als er seine Unterschrift
auf den Wechsel setzte, den Willen hatte, sich für den Akzeptanten Alois
Schönbächler zu verbürgen. Zu diesem Schluss gelangt sie auf Grund ihrer
Würdigung verschiedener Beweismittel, womit das Bundesgericht an diese
Feststellung tatsächlicher Natur gebunden ist; die hiegegen gerichtete Rüge
des Beklagten kann nicht gehört werden.
5. Nach Art. 1022 Abs. 3

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bezahlt, die Rechte aus dem Wechsel gegen denjenigen, «für den er sich
verbürgt hat», und gegen alle, die diesem wechselmässig haften. Zu entscheiden
ist, für wen der Beklagte im Sinne dieser Bestimmung seine Bürgschaft
geleistet hat, ob für die Ausstellerin, in welchem Falle diese
regresspflichtig und ihre Aberkennungsklage unbegründet wäre, oder für den
Akzeptanten, dem die Ausstellerin wechselmässig nicht haftet, so dass auch der
Bürge sie nicht belangen könnte.
Der Beklagte beruft sich für sein Regressrecht gegen die Klägerin auf Art.
1021 Abs. 4

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Bürgschaftserklärung anzugeben, für wen die Bürgschaft geleistet wird; mangels
einer solchen Angabe gilt sie für den Aussteller. Diese Vorschrift schafft
nach Auffassung des Beklagten nicht nur eine widerlegbare Vermutung, sondern
die vom tatsächlichen Willen der Parteien unabhängige und unwiderlegbare
Fiktion, dass die Bürgschaft für den Aussteller geleistet wurde, es sei denn,
in der Bürgschaftserklärung werde ausdrücklich anderes vermerkt. Dies treffe
hier nicht zu, weshalb seine Bürgschaft, unbekümmert um seinen tatsächlichen
Willen bei der Unterzeichnung, für die Ausstellerin gelte.
Die in Art. 1021

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die Wechselbürgschaft
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lassen das Bestreben des Gesetzes erkennen, durch eine möglichst einfache
Ordnung Unklarheiten auszuschliessen, um die Zirkulationsfähigkeit des
Wechsels zu erhöhen. Dem dient einmal die Bestimmung von Abs. 3, wonach jede
Unterschrift auf der Vorderseite, soweit es sich nicht um diejenige des
Ausstellers oder Akzeptanten handelt, als Bürgschaftserklärung gilt, auch wenn
ihr ein diesbezüglicher Zusatz nicht beigefügt ist. Und ebenso lässt sich
daraus die Bestimmung von Abs. 4 erklären, dass mangels besonderer Angabe die
Unterschrift des Bürgen nicht etwa ungültig sei, sondern für den Aussteller
gelte.
Die Notwendigkeit, den Wert des Wechsels dergestalt zu erhöhen, besteht nun
aber vornehmlich im Verhältnis des Wechselinhabers zu den Wechselschuldnern,
im besondern zum Wechselbürgen, weniger dagegen im Innenverhältnis des
Wechselbürgen zum Wechselschuldner, für den die Bürgschaft geleistet worden
ist. Selbst wenn für jene Beziehung in Art. 1021 Abs. 4

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Vermutung gesehen werden müsste und sich der Inhaber in Zweifelsfällen, d.h.
bei Fehlen eines Vermerkes, für wen sich der Unterzeichner verbürgt hat,
unabdingbar auf diese Vorschrift berufen könnte was hier nicht zu
entscheiden ist so liegen die Verhältnisse wesentlich anders beim
Wechselbürgen, der gegen seinen Wechselschuldner, für den er gebürgt hat,
Regress nehmen will. Allerdings erwirbt auch der Bürge gegen diesen und gegen
alle, die diesem wechselmässig haften, von Gesetzes wegen mit der Einlösung
sämtliche Rechte aus dem Wechsel (Art. 1022 Abs. 3

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lediglich erlauben, seinen regresspflichtigen Schuldner unmittelbar aus dem
Wechsel, mithin ohne Zurückgehen auf das zwischen ihnen bestehende
Zivilrechtsverhältnis, zu belangen, will aber nicht heissen, auch in der
Ausgestaltung dieser Regressnahme sei vorab auf die Hebung der
Zirkulationsfähigkeit des Wechsels Bedacht zu nehmen. Zwar kann es zutreffen,
dass ein Bürge seine Unterschrift eher gibt, nachdem ihm die Regressnahme auf
diese Weise erleichtert wird;
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allein die Zirkulationsfähigkeit des Wechsels bestimmt sich nicht darnach, wie
diese interne Auseinandersetzung geschehe. Das Bedürfnis, die
Rechtsbeziehungen streng nach dem äussern Schein der Wechselurkunde zu
gestalten, ist demzufolge hier jedenfalls nicht so dringend, dass ihm auf
Kosten des tatsächlichen Willens der Unterzeichner entsprochen werden müsste,
und es besteht keine Notwendigkeit, dem Bürgen allenfalls einen Regress gegen
einen Unterzeichner zu geben, für den er sich nicht hat verbürgen wollen.
Es ist deshalb geboten, die Vermutung von Art. 1021 Abs. 4

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des Wechselbürgen zum Wechselschuldner als widerlegbar anzunehmen, wie das die
Vorinstanz getan hat.
Der Nachweis, dass der Beklagte, entgegen der Vermutung von Art. 1021 Abs. 4

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OR, sich tatsächlich für den Akzeptanten verbürgt hat, ist erbracht. Er hat
somit durch die Bezahlung der Wechselschuld die Rechte aus dem Wechsel nur
gegen den Akzeptanten, nicht aber gegen die diesem nicht haftende Klägerin
erworben; diese schuldet ihm nichts, und die Aberkennungsklage ist daher
zuzusprechen. Unrichtig ist die Behauptung des Beklagten, er werde dadurch
jeden Regresses beraubt; denn sein Rückgriff gegen denjenigen, für den er sich
verbürgt hat, d.h. gegen den Akzeptanten, bleibt ihm unbenommen.
Vgl. auch Nr. 33, 34, 37. Voir aussi nos 33, 34, 37.