S. 215 / Nr. 35 Erbrecht (d)

BGE 74 II 215

35. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Oktober 1948 i. S. Frank und Kons.
gegen Frank.


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Regeste:
Liegenschaftsverkauf durch Erbengemeinschaft (Art. 602
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
ZGB) an einen Miterben.
Klage Einzelner gegen den Erwerber wegen Ungültigkeit des Vertrages,
insbesondere zufolge Form-, Vertretungs- oder Willensmangels. Aktiv- und
Passivlegitimation.
Vente d'un immeuble par une communauté successorale (art. 602 CC) à l'un des
cohéritiers. Action de certains cohéritiers contre l'acheteur, fondée sur
l'invalidité du contrat en raison notamment d'un vice de forme, d'un vice
affectant les pouvoirs d'un représentant ou d'un vice du consentement. Qualité
pour actionner et pour défendre.
Vendita d'uno stabile da parte d'una comunione ereditaria (art. 602 CC) ad uno
dei coeredi. Azione di certi coeredi contro il compratore basata
sull'invalidità del contratto, specialmente per vizio di forma, per vizio di
rappresentanza o per vizio del consenso. Veste attiva e veste passiva.

A. ­ Die Erben des am 24. September 1937 verstorbenen Theodor Frank-Fuchs ­
die Witwe und die sechs Kinder ­ verkauften am 23. Februar 1946 die zur
Erbschaft gehörende Liegenschaft mit Geschäfts-Inventar und Warenlager ihrem
Miterben Josef Frank. Dieser übernahm auf Anrechnung an den Preis die Schulden
und stellte den Geschwistern ausser Martin Frank (der seinerzeit erklärt
hatte, seinen Anteil ausbezahlt erhalten zu haben) Schuldbriefe aus. Der
Mutter räumte er ein Wohnrecht ein, und er verzichtete auf Lidlohn. Beim
Vertragsabschluss vertrat Frieda Frank ihre landesabwesenden Brüder Franz und
Martin, den einen auf Grund einer Generalvollmacht, den andern als behördlich
ernannter Beistand.
B. ­ Franz und Martin Frank sowie ihre Mutter erhoben im Dezember 1946 gegen
Josef Frank Klage. Sie beantragten die Unverbindlich- und Nichtigerklärung des
Kaufvertrages (mangels gültiger Vertretung von Franz und Martin beim
Vertragsschluss, mangels gehöriger öffentlicher Beurkundung des Kaufvertrages,
sodann weil Martin nach dessen Bestimmungen leer ausgehe, und weil der Käufer
übermässig bevorteilt werde), ferner die

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Löschung des Beklagten als Eigentümer im Grundbuch und die Eintragung
sämtlicher Erben des Theodor Frank als Eigentümer.
C. ­ Der Beklagte erhob vorerst die Einrede der mehreren Streitgenossen. Das
Kantonsgericht von Nidwalden verwarf diese Einrede, wies aber die Klage als
sachlich unbegründet ab. Das Obergericht trat auf die «verzögerliche Einrede»
nicht ein, weil sie in oberer Instanz nicht aufrecht erhalten worden sei. Im
übrigen bestätigte es das erstinstanzliche Urteil.
D. ­ Gegen das Urteil des Obergerichtes vom 10 Juni 1948 richtet sich die
vorliegende Berufung der Kläger, die an den Klageanträgen festhalten.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Mit der «verzögerlichen Einrede der mehreren Streitgenossen» hat der
Beklagte entgegen der Ansicht des Obergerichtes nicht nur einen formellen
Mangel der Klage gerügt. Es geht um die Frage, ob die aus der behaupteten
Unverbindlichkeit und Nichtigkeit des Kaufvertrages hergeleiteten Ansprüche
den Klägern, und zwar ihnen allein, zustehen, und ob sie ohne Mitwirkung der
dem Prozesse fern gebliebenen Miterbinnen Elisabeth, Frieda und Hedwig diese
Ansprüche gerichtlich geltend machen dürfen. Die Anspruchsberechtigung der
Kläger ist eine zivilrechtliche Voraussetzung der eingeklagten Ansprüche. Sie
ist vom Richter zu prüfen, selbst wenn der Beklagte in dieser Hinsicht nichts
oder (in oberer Instanz) nichts mehr eingewendet hat. Wenn die Klage in
subjektiver Hinsicht, d.h. hinsichtlich der als Kläger auftretenden und der
als. Beklagte belangten Personen, die zivilrechtlichen Voraussetzungen nicht
erfüllt, ist sie ohne weiteres, so wie sie gestellt ist, also
«angebrachtermassen», abzuweisen, gleichgültig wie es im übrigen mit den
objektiven Elementen der einklagten Ansprüche bestellt sein mag.
2. ­ Nach Art. 602 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
ZGB werden die Erben Gesamteigentümer der
Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder
gesetzlichen

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Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft
gemeinsam. Nach der Rechtsprechung steht die gerichtliche Geltendmachung von
Rechten der Erbschaft grundsätzlich einer Verfügung über Erbschaftsgegenstände
gleich (BGE 41 II 28). Richten sich die Ansprüche gegen einen der Miterben,
wie hier, so braucht freilich der letztere nicht zugleich auf Seiten der
Kläger aufzutreten (BGE 54 II 243). Aber eine Klage einzelner ohne Mitwirkung
der andern Miterben gegen ihn wäre doch nur in dringlichen Fällen und nur für
die Dauer der Dringlichkeit zulässig (BGE 58 II 195, 73 II 170). Solche
Dringlichkeit ist hier nicht dargetan; die drei Miterbinnen aber sind der
Klage nicht beigetreten, noch haben sie zu den Anträgen der Klage irgendwie
Stellung bezogen.
3. ­ Nun ist freilich nicht unerlässlich, dass im Fall einer
Vertragsanfechtung sämtliche Miterben (ausser dem beklagten) als
Vertragspartner am Prozess auf Seite der Kläger teilnehmen, oder dass auf
Verlangen eines Erben ein Erbenvertreter ernannt werde (Art. 602 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
ZGB),
der alsdann aus eigener Handlungsmacht klagen kann (BGE 50 II 221), aber unter
Umständen eine hinreichende Veranlassung dazu verneint (sei es auch nur, weil
er für die Mehrzahl der Erben keinen Vorteil in der Lossage vom Vertrage
sieht). Vielmehr ist genügend, aber auch erforderlich, dass sämtliche Erben
zur Klage Stellung beziehen und, soweit sie weder der Klage beitreten noch
sich von vornherein einem darüber ergehenden Urteil unterziehen wollen, auf
beklagter Seite am Prozesse teilnehmen. Die Vertragsanfechtung darf nicht wie
eine gewöhnliche Verfügung über Erbschaftsgegenstände vom Prinzip der
Einstimmigkeit beherrscht sein. Auf Formmängel des Vertrages muss sich jeder
daran Beteiligte unabhängig von den andern berufen können (übrigens auch der
Käufer), und auf Mängel in der Vertretung oder auf Willensmängel beim
Vertragsschluss jeder angeblich von einem solchen Mangel Betroffene. In den
Prozess müssen dagegen sämtliche am Vertrage Beteiligten einbezogen werden,
sei es auf Seite der Kläger oder des Beklagten. So gut wie «das

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Rechtsverhältnis des Kaufes nur einheitlich für alle Beteiligten aufgehoben
werden kann» (v. TUHR, Schweizerisches Obligationenrecht § 89 am Ende), muss
auch die Nichtigkeit oder Unverbindlichkeit den Kaufvertrag in seinem ganzen
Bestande treffen. Ein Urteil aber, das nur zwischen einzelnen am Vertrage
Beteiligten erginge, wäre für die andern nicht verbindlich und liesse sich,
speziell hinsichtlich des Grundbucheintrages, nicht vollziehen. Eine Klage,
die nicht alle der Sache nach Beteiligten einbezieht, ist daher wegen dieses
Mangels ohne nähere Prüfung der Ansprüche abzuweisen.
4. ­ Damit ist einer neuen, den subjektiven Anspruchsvoraussetzungen Rechnung
tragenden Klage nicht vorgegriffen. Sind die Kläger weiterhin willens, die
Vertragsanfechtung durchzusetzen, so mögen sie die dem gegenwärtigen Prozesse
ferngebliebenen Miterbinnen zur Stellungnahme einladen. Jeder derselben steht
frei, an einem solchen Prozesse auf Klägerseite teilzunehmen. Statt dessen
kann sie aber auch zuhanden der Gerichte die Erklärung abgeben, sie anerkenne
das Urteil, wie es auch lauten wird, als für sie selbst ebenfalls verbindlich.
Entschliessen sich einzelne Miterbinnen weder im einen noch im andern Sinne,
so bleibt dann allerdings den Klägern, sofern sie nicht von der Klage absehen
wollen, nichts anderes übrig, als die betreffenden Miterbinnen neben dem
Käufer einzuklagen. Dabei werden die Anträge gegen den Käufer (z.B.
Leistungs-und Löschungsbegehren) nicht ohne weiteres auch gegenüber den
Mitverkäufern gelten können, sondern es wird deren Stellung im
Vertragsverhältnis durch entsprechend angepasste oder ergänzte Anträge
Rechnung zu tragen sein.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen und das Urteil des
Obergerichts des Kantons Nidwalden vom 10. Juni 1948 in dem Sinne bestätigt,
dass die Klage angebrachtermassen abgewiesen wird.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 II 215
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 14. Oktober 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 II 215
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Liegenschaftsverkauf durch Erbengemeinschaft (Art. 602 ZGB) an einen Miterben. Klage Einzelner...


Gesetzesregister
ZGB: 602
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
BGE Register
41-II-21 • 50-II-216 • 54-II-243 • 58-II-195 • 73-II-162 • 74-II-215
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • erbe • weiler • nichtigkeit • nidwalden • bundesgericht • mutter • vertragsabschluss • kantonsgericht • entscheid • richterliche behörde • anspruchsvoraussetzung • bezogener • geschwister • lidlohn • wille • vorteil • treffen • einstimmigkeit • aktiv- und passivlegitimation
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