S. 337 / Nr. 63 Sozialversicherung (d)

BGE 74 I 337

63. Urteil vom 25. Juni 1948 i. S. Basler RheinschiffahrtAktiengesellschaft
gegen Bundesamt für Sozialversicherung.

Regeste:
Obligatorische Unfallversicherung: Die Besatzungen der schweizerischen
Rheinschiffe sind durchweg der schweizerischen obligatorischen
Unfallversicherung unterstellt.
Assurance-accidents obligatoire: L'équipage des navires suisses du Rhin est
soumis sans restrictions à l'assurance-accidents obligatoire.
Assicurazione obbligatoria contro gl'infortuni: L'equipaggio delle navi
svizzere del Reno è sottoposto senza limitazioni all'assicurazione
obbligatoria contro gl'infortuni.

A. ­ Die Beschwerdeführerin betreibt den Personen und Gütertransport auf dem
Rhein und die damit verbundenen Lagergeschäfte. Sie besitzt Schiffe, die nur
auf der schweizerischen Strecke des Rheins verkehren, und solche, die den
ganzen Strom vom Basler Rheinhafen an abwärts und die Kanäle des Rheinbeckens
befahren. Sie wurde für den Schiffahrts- und Lagerbetrieb der schweizerischen
obligatorischen Unfallversicherung unterstellt. Von den beim Gütertransport
(Schleppschiffahrt) beschäftigten Angestellten und Arbeitern galten in der
ersten Zeit nach einer Vereinbarung mit der SUVAL nur diejenigen als
versichert, die in der Schweiz wohnten und deren Abwesenheit im Ausland
jeweilen sechs Monate nicht überschritt.

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Mit Verfügung vom 2. September 1946 unterstellte indessen die SUVAL sämtliche
Schiffsleute der Gesellschaft ohne Einschränkung der Versicherung, unbekümmert
darum, ob die Schiffe, auf denen sie arbeiten, regelmässig oder nur zuweilen
oder überhaupt nicht bis nach Basel hinauf fahren. Die Ausdehnung wurde damit
begründet, dass in den Rheinuferstaaten infolge des Krieges die Rechtslage
inbezug auf die Sozialversicherung unabgeklärt sei.
B. ­ Auf Rekurs der Gesellschaft bestätigte das Bundesamt für
Sozialversicherung am 10. April 1947 die neue Verfügung der SUVAL. Es nahm an,
auch die Besatzungen der vorzugsweise den ausländischen Rhein befahrenden
Schiffe der Gesellschaft seien, kraft Zugehörigkeit zu einem
versicherungspflichtigen Betrieb (Art. 60 Ziff. 3 litt . b KUVG), der
schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung teilhaftig; denn auch diese
Schiffe seien Betriebsteile (Art. 4 der Verordnung I über die
Unfallversicherung) und gälten übrigens, wenn nicht de iure, so doch praktisch
als Schweizerboden. Jedenfalls seien ihre Mannschaften bloss «vorübergehend im
Ausland beschäftigt» (Art. 61 Abs. 1 KUVG). Das territoriale Schwergewicht
ihrer Tätigkeit liege in der Schweiz. Von Basel aus stelle die Gesellschaft
die Kapitäne an, und daselbst nähmen diese ihre Aufträge für die Fahrten
entgegen; auch die Bezahlung werde von dort aus vorgenommen. Wenn sich die
Schiffsleute auch länger auf deutschen, französischen, belgischen oder
holländischen Gewässern als auf dem Schweizer Rhein aufhielten, so hätten sie
doch mit keinem der durchfahrenen Länder so enge Beziehungen wie mit der
Schweiz. Die angefochtene Unterstellung sei um so mehr gerechtfertigt, als der
Anteil der Schweizer Reedereibetriebe an der Rheinschiffahrt und auch die Zahl
der schweizerischen Schiffsleute stark angewachsen sei, während anderseits
wichtige Voraussetzungen der bisherigen Ordnung weggefallen seien, vor allem
die deutsche Sozialversicherung mit ihrem Anspruch auf Einbezug aller den
deutschen Rhein befahrenden Schiffsbesatzungen. Die Befürchtungen

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der Rekurrentin, die neue Regelung könnte internationale Verwicklungen zur
Folge haben, seien übertrieben, zumal da für die Rheinschiffahrt teils gemäss
internationalen Abmachungen (z. B. nach dem Abkommen zwischen der Schweiz und
den Niederlanden betreffend Betriebsunfallversicherung vom 27. Januar 1937),
teils übungsgemäss der Grundsatz der Versicherung nach dem Gesetz des Landes
des Betriebssitzes gelte. Auch sei die SUVAL bisher bei der Feststellung der
Schäden aus Unfällen bei der Rheinschiffahrt im Ausland und bei der Erledigung
der daherigen Ansprüche nicht auf nennenswerte praktische Schwierigkeiten
gestossen.
C. ­ Die Basler Rheinschiffahrt-Aktiengesellschaft führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Bundesamtes
für Sozialversicherung ganz oder zum mindesten für die nie in der Schweiz
beschäftigten Auslandsschiffer aufzuheben. Sie führt aus, nach Art. 60 , 61
KUVG sei nicht versichert, wer ausschliesslich oder regelmässig im Ausland
beschäftigt sei. Einzelne ihrer Auslandsschiffer seien aber überhaupt nie, die
andern nur vorübergehend, durchschnittlich bloss zwanzig Tage im Jahr,
innerhalb der schweizerischen Landesgrenzen tätig. Ein Rheinschiff unter
Schweizerflagge stelle kein Inland im Sinne des KUVG dar, auch nicht
«praktisch», da die SUVAL nur in der Schweiz amtliche Untersuchungen über
Hergang und Folgen eines Unfalls durchführen könne. Wäre auf den territorialen
Schwerpunkt der Beschäftigung der Auslandsschiffer abzustellen, so läge er im
Ausland. Die meisten Auslandsschiffer seien Matrosen und Schiffsjungen, welche
durch Kapitäne im Ausland angeworben und bezahlt würden und täglich ihre
Arbeitsanweisungen auf dem ausländischen Rhein empfingen; auch die Kapitäne
selbst erhielten oft ihren Lohn und ihre Aufträge durch die Auslandsagenturen
der Gesellschaft. Hievon abgesehen könne man nicht auf die vom Bundesamt
angeführten Indizien abstellen; sonst wären auch die von Basel ans
angestellten, bezahlten und ihre Weisungen entgegennehmenden

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Chefs der Auslandsagenturen der Gesellschaft versichert, was unstreitig nicht
der Fall sei. Massgebend sei vielmehr, dass vorwiegend im Ausland der
gefährdende Betrieb vor sich gehe, die Unfälle einträten und deren Folgen
festgestellt werden müssten. Der Einlad in den ausländischen Talhäfen, das
tägliche Anlogen während der Fahrt in ausländischen Zwischenhäfen und der
Auslad in den oft ausländischen Berghäfen führe für die Auslandsschiffer zu
viel intensiveren Beziehungen mit dem Ausland als mit dem einen Berghafen
Basel. Selbst wenn die internationalen Usanzen und der Staatsvertrag zwischen
der Schweiz und den Niederlanden, von denen das Bundesamt spreche, zu Recht
bestehen sollten, so stellten sie nur Konfliktsnormen, nicht materielle Normen
dar; sie besagten bloss, dass für sämtliche Angestellte und Arbeiter der
Gesellschaft das KUVG gelte, ohne dieses Gesetz materiell abzuändern.
Zweckmässigkeitserwägungen dürften für die Entscheidung der streitigen
Rechtsfrage keine Rolle spielen; sie sprächen übrigens gegen die beanstandete
Unterstellung. So hätte diese schon jetzt zur Folge, dass Auslandsschiffer
französischer Nationalität sowohl bei der SUVAL wie bei der französischen
Sozialversicherungskasse versichert würden.
D. ­ Das Bundesamt für Sozialversicherung beantragt, die Beschwerde sei
abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Damit eine Person bei der SUVAL obligatorisch gegen Unfall versichert
sei, ist zunächst erforderlich, dass sie in einem versicherungspflichtigen
Betrieb arbeitet. In Art. 60 , 60bis , 60ter KUVG und Art. 2 ff. der Verordnung
I über die Unfallversicherung werden die verschiedenen Arten der Betriebe, die
unter die obligatorische Unfallversicherung fallen, aufgezählt und die
versicherten von den nicht versicherten Betriebsteilen abgegrenzt. Dabei wird
vorausgesetzt, dass nur solche Betriebe oder Betriebsteile
versicherungspflichtig sind, die sich in der

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Schweiz befinden. Das ist zwar nirgends ausdrücklich bestimmt, ergibt sich
aber aus dem System des Gesetzes, die Versicherungspflicht mit allen damit
verbundenen Obliegenheiten dem Betrieb, d. h. dessen Inhaber (oder seinem
Stellvertreter) aufzuerlegen; Betriebe oder Betriebsteile im Ausland können
also nicht unter das schweizerische Gesetz fallen.
Im vorliegenden Falle ist nicht bestritten, dass man es mit einem
schweizerischen Betriebe zu tun hat, der den Schiffahrtsverkehr im Sinne von
Art. 60 Ziff. 3 lit. b KUVG und Art. 13 Ziff. 4 der Verordnung I über die
Unfallversicherung zum Gegenstand hat. Und zwar umfasst diese Unternehmung die
gesamte wirtschaftliche Betätigung, die mit ihr in sachlichem Zusammenhang
steht (Art. 4 der Verordnung I), also vor allem den Transport mit den Schiffen
der Gesellschaft.
2. ­ Welche Personen nach der Art ihrer Beziehungen zum
versicherungspflichtigen Betrieb versichert sind, ist in Art. 24, 25 der
Verordnung I über die Unfallversicherung geregelt. Namentlich gehören dazu
nach Art. 24 Abs. 1 diejenigen, welche zum Inhaber eines
versicherungspflichtigen Betriebes oder Betriebsteils in einem
Dienstverhältnis als Angestellte oder Arbeiter stehen und mit dem Betrieb oder
mit Teilen desselben dienstlich in Beziehung zu treten haben, oder die
sonstwie mit ausdrücklichem oder zu vermutendem Einverständnis des
Betriebsinhabers freiwillig wie ein Angestellter oder Arbeiter an den Arbeiten
des Betriebes teilnehmen. Dass diese Anforderungen auf die von der
Beschwerdeführerin angestellten Schiffsleute zutreffen, ist ebenfalls nicht
bestritten.
3. ­ Doch sind nach dem Gesetz nicht alle im erwähnten Verhältnis zum
versicherungspflichtigen Betrieb stehenden Personen versichert. Auf die
Nationalität oder den Wohnort kommt es freilich nicht an. Verlangt wird aber
in Art. 60 Abs. 1 KUVG die Beschäftigung in der Schweiz. Indessen wird dieser
Grundsatz durch Art. 61 Abs. 1 KUVG eingeschränkt, welcher bestimmt: «Die
Versicherung wird

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dadurch nicht unterbrochen, dass ein Versicherter auf Rechnung des
versicherungspflichtigen Betriebes vorübergehend im Ausland beschäftigt ist.»
Der Vorschrift liegt offenbar der Gedanke zugrunde, dass der betreffende
Arbeiter die Beziehungen zum schweizerischen Betriebe, welche ihm den Genuss
der schweizerischen Versicherungseinrichtung verschaffen, während einer bloss
vorübergehenden Auslandstätigkeit für diesen Betrieb beibehält. Entsprechend
sind auch die auf Rechnung eines ausländischen Betriebes vorübergehend in der
Schweiz beschäftigten Personen nicht versichert (Art. 61 Abs. 2 KUVG).
Die SUVAL hat in ihrer Praxis als vorübergehend im Sinne von Art. 61 Abs. 1
zunächst eine Auslandstätigkeit von höchstens drei und später höchstens sechs
Monaten anerkannt. Massgebend kann aber nicht allein die zeitliche Dauer des
Auslandsaufenthaltes sein. Z. B. wird der Monteur einer schweizerischen
Exportfirma, der ins Ausland lediglich zur Ausführung einer ganz bestimmten
Arbeit geschickt wird, dort nach dem Sinn des Art. 61 Abs. 1 bloss
vorübergehend beschäftigt, gleichviel ob die betreffende Arbeit acht Tage oder
acht Monate oder noch länger dauere. Wer jedoch in eine ausländische Filiale
eines Schweizer Betriebes versetzt wird, um dort auf unbestimmte Zeit tätig zu
sein, ist vom ersten Tage an nicht bloss vorübergehend, sondern dauernd im
Auslande beschäftigt, nicht aber derjenige, der in der ausländischen Filiale
lediglich einen an der Arbeit zeitweilig verhinderten Arbeiter zu vertreten
hat. Es kommt mithin auf den Charakter des Beschäftigung im Ausland an. Er ist
in Würdigung der gesamten tatsächlichen Verhältnisse zu bestimmen; dabei wird
allerdings auch die Dauer des Auslandsaufenthaltes zu berücksichtigen sein,
aber nicht notwendig als einziges Indiz.
4. ­ Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, dass ihre beim Gütertransport
beschäftigten Schiffsleute den grössten Teil ihrer Arbeitsleistungen im
Auslande verrichten, dass also überwiegend dort der sie gefährdende Betrieb
vor

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sich geht, die Unfälle eintreten und deren Folgen festgestellt werden müssen.
Das kann aber nicht entscheidend sein. Es sind weitere Besonderheiten des
Sachverhalts zu beachten. Die Schiffer der Beschwerdeführerin haben die
Aufgabe, ihr Boot und seine Ladung zu führen und zu betreuen. Sie wohnen auch
auf ihrem Schiff. Sie verlassen es nur, um sich zu verproviantieren und um an
den Umschlagsplätzen die mit dem Güteraustausch zusammenhängenden Formalitäten
zu erledigen. Weil ihre Arbeitsstätte schwimmt und daher ihr Beschäftigungsort
ständig wechselt, treten sie mit den ausländischen Rheinuferstaaten, die sie
durchfahren oder deren Häfen sie anlaufen, nicht in nähere Beziehungen,
jedenfalls nicht in so enge, wie sie mit der Schweiz bestehen; ist doch Basel
für diese Leute nicht nur ein Berghafen unter andern, sondern der Sitz des
Unternehmens, dessen Angestellte sie im Ausland wie in der Schweiz sind, der
Heimathaien, wenn vielleicht auch nicht aller, so doch der meisten Schiffe der
Gesellschaft, der Ort, wohin die Fahrzeuge, mit Gütern für die Schweiz
beladen, regelmässig zurückkehren. Die Schiffer der Beschwerdeführerin
arbeiten zwar vorwiegend nicht auf schweizerischem Territorium, aber doch von
der Schweiz aus, auf Schiffen, die zu einem schweizerischen Betriebe gehören.
Ihre Auslandstätigkeit ist eine notwendige Ausstrahlung dieses schweizerischen
Betriebes, mit dem sie stets verbunden bleiben.
Das sind aber Beziehungen zum versicherungspflichtigen Betriebe, die es nach
dem Sinn der Art. 60 , 61 KUVG rechtfertigen, sämtliche Schiffsleute der
Beschwerdeführerin als ständig bei der SUVAL versichert anzusehen. Die
Verhältnisse liegen hier nicht wesentlich anders als etwa beim Monteur, der
für bestimmte Arbeiten im Interesse seiner Schweizer Firma ins Ausland
geschickt wird, oder beim Chauffeur eines Basler Transportgeschäftes, der
regelmässig Warentransporte zwischen Basel und dem benachbarten Auslande
ausführt. Der nächstliegende Wortsinn des Art. 61 Abs. 1 KUVG mag freilich für
den Standpunkt

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der Beschwerdeführerin sprechen. Bei näherer Prüfung erscheint es aber
sachlich als richtig, den vorliegenden Sachverhalt dem Falle der
vorübergehenden Beschäftigung im Ausland, von dem in Art. 61 Abs. 1 die Rede
ist, gleichzustellen.
Es besteht auch kein zureichender Grund, von dieser Ordnung diejenigen
Schiffer auszunehmen, - welche auf Booten beschäftigt sind, die wegen ihrer
Grösse nicht bis nach Basel hinauf fahren können. Diese Leute stehen im
wesentlichen im gleichen Verhältnis zum versicherungspflichtigen Betriebe wie
die übrigen, auch wenn sie nie, auf andern, kleinern Schiffen, bis nach Basel
gelangen sollten ­ was dahinsteht, da nach einer Auskunft des
Rheinschiffahrtsamtes in Basel die Schiffer die Fahrzeuge häufig wechseln.
5. ­ Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass der uneingeschränkte
Einbezug ihres Schiffahrtspersonals in die schweizerische obligatorische
Unfallversicherung zu internationalen Verwicklungen führen könne; schon jetzt
entstehe ein Doppelversicherungskonflikt mit Frankreich. Solche
Schwierigkeiten sind aber kein Grund, die geltende schweizerische Gesetzgebung
nicht so anzuwenden, wie es nach ihrem Sinn geboten ist. Sie sind auf dem Wege
zwischenstaatlicher Abmachungen zu beheben.
Eine Grundlage hiefür bildet das von der siebenten Internationalen
Arbeitskonferenz am 5. Juni 1925 beschlossene Übereinkommen über
Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer in der
Entschädigung bei Betriebsunfällen, dem alle Rheinuferstaaten beigetreten
sind, darunter auch die Schweiz (AS 45, 19 ff.). Nach Art. 2 daselbst können
die beteiligten Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation
vereinbaren, dass auf die Entschädigung bei Unfällen solcher Arbeitnehmer, die
nur vorübergehend oder mit Unterbrechungen im Gebiete eines Mitgliedes für
Rechnung eines im Gebiet eines andern Mitgliedes gelegenen Unternehmens
beschäftigt sind, die gesetzlichen Vorschriften des letztgenannten

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Mitgliedes Anwendung finden sollen. Darauf stützt sich das Abkommen zwischen
der Schweiz und den Niederlanden betreffend Betriebsunfallversicherung, das
der Bundesrat, mit Ermächtigung der Bundesversammlung (AS 45, 19), am 27.
Januar 1937 abgeschlossen hat (AS 51, 77 ff.). Sein Art. 3 bestimmt:
«Für die Transportunternehmungen (Transport zu Lande, zu Wasser und durch die
Luft), deren Sitz sich im Gebiet des einen Landes befindet und die auch im
Gebiet des andern Landes ihre Tätigkeit ausüben, gelangt nur die Gesetzgebung
des Landes, in dem die Unternehmung ihren Sitz hat, auf den Fahrbetrieb zur
Anwendung, ungeachtet der Ausdehnung der in jedem der beiden Länder
vollzogenen Arbeiten. Das Fahrpersonal bleibt auch dann dieser Gesetzgebung
unterstellt, wenn es mit Arbeiten beschäftigt ist, die zu andern
Betriebsteilen gehören und im Gebiete des andern Landes vor sich gehen.
Die Bestimmung des vorstehenden Absatzes ist auch anwendbar auf die in Art. 1
genannten Unternehmungen, die sich für die Durchführung ihres Betriebes, d. h.
für ihre eigenen Bedürfnisse Transportmittel bedienen.»
Mit dieser Vorschrift befindet sich der angefochtene Entscheid in Einklang,
auch wenn sie, wie die Beschwerdeführerin meint, bloss eine Konfliktsnorm,
nicht unmittelbar anwendbares materielles Recht, enthalten sollte. Die gleiche
Regel, dass für übergreifende Transportunternehmungen in bezug auf die
Unfallversicherung die Gesetzgebung des Landes des Betriebssitzes gelte, ist
übrigens, wie es scheint, in einer Reihe anderer zweiseitiger, zwischen
ausländischen Rheinuferstaaten abgeschlossener Abkommen vorgesehen.
Auch sonst bestehen gegenwärtig keine internationalen Normen, welche es
ausschlössen, den gesamten Schiffsbetrieb der Beschwerdeführerin auf dem Rhein
und den Kanälen der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung zu
unterstellen. Namentlich bildet kein Hindernis die internationale Regelung des
Schiffsverkehrs auf dem

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Rhein, welche zurückgeht auf die Pariser und Wiener Friedensverträge von
1814/1815 und niedergelegt ist in der revidierten Rheinschiffahrtsakte
(Mannheimer Akte) vom 17. Oktober 1868 (geändert und ergänzt durch die
einschlägigen Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages von 1919) und in
dem heute noch für Grossbritannien und die Schweiz geltenden sog. Modus
vivendi vom 4. Mai 1936 (vgl. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung
über sein bisheriges Vorgehen in der Rheinfrage, BBl 1922 II S. 973 ff.; AS
52, 675 ff.; FELLMANN, Staats- und völkerrechtliche Grundlagen der freien
Rheinschiffahrt). Diese Ordnung gewährleistet die Freiheit der
Rheinschiffahrt. Art. 1 der Mannheimer Akte bestimmt darüber in Abs. 1 und 2:
«Die Schiffahrt auf dem Rheine und seinen Ausflüssen von Basel bis in das
offene Meer soll, sowohl aufwärts als abwärts, unter Beachtung der in diesem
Vertrage festgesetzten Bestimmungen und der zur Aufrechterhaltung der
allgemeinen Sicherheit erforderlichen polizeilichen Vorschriften, den
Fahrzeugen aller Nationen zum Transport von Waren und Personen gestattet sein.
Abgesehen von diesen Vorschriften soll kein Hindernis, welcher Art es auch
sein mag, der freien Schiffahrt entgegengesetzt werden.»
Aus diesen Bestimmungen kann allenfalls abgeleitet werden, dass ein
Rheinuferstaat seine Gesetzgebung über das Arbeitsrecht, insbesondere über die
Unfallversicherung, grundsätzlich nicht auf Besatzungen ausländischer Schiffe,
welche sein Hoheitsgebiet durchfahren oder in seinen Rheinhäfen anlegen,
ausdehnen soll, da die Verpflichtungen und Formalitäten, welche mit einer
solchen Ordnung verbunden wären, den Grundsatz der Freiheit der
Rheinschiffahrt beeinträchtigen würden. In diesem Sinne mag von einer
«praktischen» Exterritorialität der schweizerischen Rheinschiffe gesprochen
werden. Jedenfalls aber steht fest, dass der Grundsatz der Freiheit der
Rheinschiffahrt, wie er im internationalen Rheinstatut umschrieben ist, der
Schweiz

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nicht verbietet, die Besatzungen der schweizerischen Rheinschiffe durchweg
ihrer eigenen obligatorischen Unfallversicherung zu unterstellen.
Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 I 337
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 24. Juni 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 I 337
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Obligatorische Unfallversicherung: Die Besatzungen der schweizerischen Rheinschiffe sind durchweg...


Gesetzesregister
KUVG: 60  60bis  60ter  61
BGE Register
74-I-337
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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BBl
1922/II/973