S. 302 / Nr. 56 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 74 I 302

56. Auszug aus dem Urteil vom 25. Juni 1948 i. S. Eidg. Steuerverwaltung gegen
Versicherungsgesellschaft X.

Regeste:
Wehropfer und Wehrsteuer:
1. Der Organisationsfonds, zu dessen Bestellung Versicherungsgesellschaften
bei Einführung neuer Geschäftszweige verhalten werden, ist ein Bestandteil des
steuerbaren Vermögens, nicht eine als Schuldposten zu behandelnde technische
Reserve.
2. Ein durch Auflösung technischer Reserven eingetretener Vermögenszuwachs
bildet einen Bestandteil des steuerbaren Reingewinns.
Sacrifice et impôt de défense nationale:
1. Le fonds d'organisation que les compagnies d'assurance sont tenues de
constituer lorsqu'elles introduisent dans leur activité de nouvelles branches
d'assurance représente un élément de la fortune imposable et non pas une
réserve technique assimilable à une dette.
2. Une augmentation de fortune occasionnée par la dissolution de réserves
techniques constitue un élément du bénéfice net imposable.
Sacrificio ed imposta per la difesa nozionale:
1. Il fondo d'organizzazione che le compagnie di assicurazione sono obbligate
a costituire quando introducono nella loro attività un nuovo ramo
d'assicurazione rappresenta un elemento della sostanza imponibile e non una
riserva tecnica equiparabile ad un passivo.
2. L'aumento di sostanza risultante dalla dissoluzione di riserve tecniche
costituisce un elemento dell'utile netto imponibile.

A. ­ Die Versicherungsaktiengesellschaft X, die sich bisher mit
Rückversicherung befasst hatte, dehnte ihre Geschäftstätigkeit auf direkte
Versicherungen gegen Schäden aus Unfall, Haftpflicht und Einbruchdiebstahl
aus. In der Konzession wurde ihr auferlegt, einen Organisationsfonds zu
bestellen. Der Organisationsfonds, der bei derartigen Konzessionserweiterungen
regelmässig gefordert wird, ist dazu bestimmt, die aus der Einführung des
neuen

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Versicherungszweiges zwangsläufig sich ergebenden Organisations- und
Einrichtungskosten zu übernehmen. Er soll es dem Versicherer ermöglichen, die
besonderen Aufbaukosten, die aus den Prämieneinnahmen erst nach und nach
gedeckt werden könnten, fortlaufend abzubuchen, ohne die Betriebsrechnung
belasten zu müssen. Hier war der Organisationsfonds durch Einzahlung des
vorgeschriebenen Betrages bei der Schweizerischen Nationalbank zu bestellen.
Die Zahlung wurde unter Inanspruchnahme technischer Reserven aus dem
bisherigen Geschäftsbetriebe aufgebracht. Der Organisationsfonds ist in der
Bilanz vom 31. Dezember 1944 ausgewiesen.
B. ­ Die X A.G. ist für das Wehropfer II und die Wehrsteuer III nach ihrer
Steuererklärung eingeschätzt worden.
Die eidg. Steuerverwaltung hat die beiden Einschätzungen angefochten. Sie
beanstandet u.a., dass beim Wehropfer der Organisationsfonds in
Übereinstimmung mit der Steuererklärung als abziehbarer Passivposten
(technische Reserve) statt als steuerbare Reserve und bei der Wehrsteuer die
Überführung technischer Reserven in den Organisationsfonds nicht als Auflösung
einer stillen Reserve behandelt wurde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde geschützt
in Erwägung:
1. ­ Gegenstand des neuen Wehropfers ist das reine Vermögen. Als solches gilt
das um die nachgewiesenen Schulden gekürzte gesamte bewegliche und
unbewegliche Vermögen (Art. 5 WOB II). Der Organisationsfonds für die neuen
Versicherungszweige der Steuerpflichtigen könnte daher bei Feststellung des
Betrages, von dem das eidg. Wehropfer zu entrichten ist, nur dann abgezogen
werden, wenn er den Charakter eines Schuldpostens hätte. Diesen Charakter hat
er aber offensichtlich nicht. Der Organisationsfonds wurde der X A.G.
auferlegt und ist von ihr durch Schaffung eines Guthabens bei der
Schweizerischen

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Nationalbank bestellt worden, damit von vornherein Mittel bereits ständen, um
fortlaufend diejenigen Organisationskosten der neuen Versicherungszweige ohne
weiteres decken zu können, für die die laufenden Prämieneinnahmen zunächst
keine Deckung darbieten, weil die betreffenden Kosten planmässig auf einen
längeren Zeitraum verlegt werden. Eine solche Rücklage ist aber zweifellos
Vermögen. Sie ist das Betriebskapital, das für die reibungslose Einführung der
neuen Versicherungszweige als notwendig angesehen wird. Dass die
Versicherungsaufsichtsbehörden sich heute, auf Grund der Erfahrungen aus ihrer
Aufsichtstätigkeit, nicht mehr mit einem allgemeinen Ausweis über das
Vorhandensein der für Geschäftserweiterungen erforderlichen Mittel begnügen,
sondern konkret Rücklage entsprechender Mittel speziell für die Einführung der
neuen Versicherungszweige verlangen, ändert daran nichts; vor allem wird die
Rückstellung deswegen nicht zur technischen Reserve. Technische Reserven sind
der rechnungsmässige Ausdruck der der Versicherungsunternehmung aus ihrem
Geschäftsbetriebe, den laufenden Versicherungsverträgen, entstandenen
versicherungstechnischen Belastung. Sie stellen die Verpflichtungen dar, die
der Unternehmung auf den Bilanztag aus nicht oder nicht vollständig
liquidierten Schäden und aus Prämienüberträgen für noch nicht abgelaufene
Versicherungen erwachsen (Art. 2, Ziff. 2 a, b und c Vers. Aufs. G.). Sie sind
richtige Passiven, Lasten, Schulden im Sinne von Art. 5 WOB II. Der
Organisationsfonds der X A.G. dagegen ist eine Rücklage eigener Mittel der
Unternehmung für spätere Verwendung. Er bildet für die Unternehmung keine
Last, sondern ein Gut. Allerdings beruht er auf einer Verpflichtung, insofern
die X A.G. den Fonds bestellen musste, um die behördliche Bewilligung für die
Erweiterung ihres Geschäftsbetriebes zu erhalten. Die Verpflichtung dient aber
lediglich dazu, eine bestimmte Verwendung des als Organisationsfonds
bereitgestellten Vermögens sicherzustellen. Der Bestand des Vermögens wird
dadurch

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nicht berührt. Der Organisationsfonds ist eine richtige Reserve und bildet als
solche einen Bestandteil des dem eidgenössischen Wehropfer unterliegenden
Vermögens.
Die Reserve ist unter Inanspruchnahme technischer Reserven gebildet worden.
Die technischen Reserven wurden teilweise aufgelöst, ein bisher als fremde
Mittel angesehener Teilbetrag in das eigene Vermögen der Unternehmung
übergeführt. Das eigene Vermögen hat dadurch einen Zuwachs erhalten. Dieser
muss als Vermögensvermehrung in die Berechnung des steuerbaren Reingewinns
einbezogen werden (BGE 69 I S. 270). Dass der Organisationsfonds dazu bestimmt
ist, im Geschäftsbetriebe der X A.G. nach und nach aufgebraucht zu werden, ist
unerheblich. Erzielte Gewinne unterliegen der Besteuerung als Einkommen ohne
Rücksicht auf ihre spätere Verwendung. Die Beschwerde der eidg.
Steuerverwaltung über die Behandlung des Organisationsfonds bei Wehropfer und
Wehrsteuer ist daher begründet.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 74 I 302
Date : 01. Januar 1948
Published : 24. Juni 1948
Source : Bundesgericht
Status : 74 I 302
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Wehropfer und Wehrsteuer:1. Der Organisationsfonds, zu dessen Bestellung...


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