S. 205 / Nr. 53 Verfahren (d)

BGE 73 IV 205

53. Entscheid der Anklagekammer vom 16. Oktober 1947 i. S. Procuratore
pubblico sopraccenerino gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich

Regeste:
Art. 351 StGB, Art. 264 BStP. Wann ist der Gerichtsstand zur Verfolgung eines
Antragsdeliktes streitig? Ein Kanton ist solange nicht verpflichtet, zur
Gerichtsstandsfrage Stellung zu nehmen, als nicht bei der nach seinem
Prozessrecht zuständigen Amtsstelle in der vorgeschriebenen Form Strafantrag
gestellt worden ist.
Art. 351 CP, art. 264 PPF. Quand y a-t-il contestation sur la juridiction
compétente pour la poursuite d'une infraction qui ne peut être poursuivie que
sur plainte? Un canton n'est pas tenu de se prononcer sur la question de for
tant qu'il n'a pas

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été porté plainte auprès de l'autorité compétente d'après sa loi de procédure
et dans les formes fixées par elle.
Art. 351 CP, art. 264 PPF. Quando esiste contestazione sul foro competente per
perseguire un reato che pub essere perseguito soltanto su querela? Un cantone
non è tenuto a pronunciarsi sulla questione di foro fino a tanto che non è
stata sporta. querela davanti all'autorità competente in virtù della sua logge
di procedura e giusta le forme fissate da essa.

A. ­ Gestützt auf Mitteilungen, die dem Verband Schweizerischer Jüdischer
Flüchtlingshilfen gemacht worden sein sollen, reichte Benno Weiss am 13.
Januar 1947 bei der Staatsanwaltschaft des Sopracceneri gegen unbekannte Täter
Strafklage wegen Verleumdung ein. Da die Untersuchung der Staatsanwaltschaft
nicht zur Ermittlung des Täters führte, stellte Weiss, als er am 10. Juli 1947
durch den Sekretär der Staatsanwaltschaft einvernommen wurde, Strafantrag
gegen Otto Heim wegen Ehrverletzung, begangen durch zwei Schreiben, die Heim
ihm am 19. und 23. Dezember 1946 im Namen des Verbandes Schweizerischer
Jüdischer Flüchtlingshilfen von Zürich aus nach Locarno zugeschickt hatte.
B. ­ Der Staatsanwalt des Sopracceneri vertrat die Auffassung, Gerichtsstand
für die Verfolgung Heims sei Zürich, wo die beiden Briefe der Post übergeben
worden seien. Er übermittelte daher die Akten am 18. September 1947 der
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit der Frage, ob sie den Gerichtsstand
Zürich anerkenne.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich liess am 27. September 1947 durch
das Bezirksgericht Zürich antworten, dass es sich zur Frage des
Gerichtsstandes nicht äussern könne, solange bei ihm kein
Ehrverletzungsprozess unter Beobachtung der kantonalen Verfahrensvorschriften
anhängig gemacht worden sei.
C. ­ Mit Gesuch vom 14. Oktober 1947 beantragt die Staatsanwaltschaft des
Sopracceneri der Anklagekammer des Bundesgerichts, die Behörden des Kantons
Zürich seien zuständig zu erklären, Otto Heim wegen Verletzung der Ehre des
Benno Weiss zu verfolgen.

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Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Die Anklagekammer hat den zur Verfolgung und Beurteilung berechtigten und
verpflichteten Kanton zu bezeichnen, wenn der Gerichtsstand unter den Behörden
mehrerer Kantone streitig ist (Art. 351 StGB, Art. 264 BStP). Im vorliegenden
Falle bestreiten die Behörden des Kantons Zürich indessen die zürcherische
Gerichtsbarkeit nicht. Sie verlangen bloss, dass Weiss seine
Ehrverletzungsklage nach den Vorschriften des zürcherischen Prozessrechtes im
Kanton Zürich anbringe, bevor sie zu der Frage des Gerichtsstandes Stellung
nehmen. Die Staatsanwaltschaft des Sopracceneri übersieht in der Tat, dass
Ehrverletzung nur auf Antrag verfolgt wird und daher die Behörden des Kantons
Zürich nicht verpflichtet sind, von Amtes wegen das Verfahren einzuleiten,
nachdem sie durch das Schreiben vom 18. September 1947 von der behaupteten
Ehrverletzung Kenntnis erhalten haben. Vielmehr ist in den Formen des
zürcherischen Prozessrechtes bei der von diesem Prozessrecht bestimmten
Amtsstelle ein Strafantrag zu stellen (vgl. BGE 69 IV 198). Wenn der Kanton
Zürich zu diesem Zwecke die Anbringung einer Privatstrafklage verlangt und die
blosse Übermittlung einer bei den Behörden eines anderen Kantons angebrachten
Erklärung des Verletzten samt Akten nicht genügen lässt, so bleibt er im
Rahmen des Befugnisse, die Art. 365 Abs. 1 StGB in Übereinstimmung mit Art.
64bis Abs. 2 BV den Kantonen vorbehält (vgl. BGE 69 IV 93 f.). Das entspricht
denn auch der Rechtsprechung der Anklagekammer, die annimmt, dass ein Streit
über den Gerichtsstand zur Verfolgung eines Antragsdeliktes nicht vorliegt,
solange im Kanton, dessen Zuständigkeit behauptet wird, nicht ein seinen
Vorschriften entsprechendes Verfahren anhängig gemacht worden ist (Entscheid
vom 24. September 1943 i. S. Bern c. Zürich).
Die Frage, ob Weiss dadurch, dass er den Strafantrag

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zuerst im Kanton Tessin gestellt hat, die Frist des Art. 29 StGB gewahrt habe,
ist dadurch nicht präjudiziert.
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Auf das Gesuch wird nicht eingetreten.
Vgl. auch Nr. 48. ­ Voir aussi no 48.
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 73 IV 205
Data : 01. gennaio 1947
Pubblicato : 16. ottobre 1947
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 73 IV 205
Ramo giuridico : DTF - Diritto penale e procedura penale
Oggetto : Art. 351 StGB, Art. 264 BStP. Wann ist der Gerichtsstand zur Verfolgung eines Antragsdeliktes...


Registro di legislazione
CP: 29  351  365
Cost: 64bis
PP: 264
Registro DTF
69-IV-195 • 69-IV-91 • 73-IV-205
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
camera d'accusa • querela • quesito • ministero pubblico • onore • posto • termine • tribunale federale • lettera • azione penale privata • d'ufficio • conoscenza