S. 108 / Nr. 29 Strafgesetzbuch (d)

BGE 73 IV 108

29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshoies vom 2. Juni 1947 i.S. Wyler
gegen GeneralproLurator des Kantons Bern.


Seite: 108
Regeste:
Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 317 - 1. Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützen,
1    Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützen,
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe.445
StGB. Der Gemeindebeamte, welcher in der für die
Geschäftsprüfungskommission bestimmten schriftlichen Abrechnung Einnahmen
verheimlicht, begeht keine Urkundenfälschung.
Art. 317 ch. 1 al. 2 CP. Le fonctionnaire communal qui n'inscrit pas des
recettes dans le compte écrit destiné à la Commission de gestion ne commet pas
un faux.
Art. 317, cifra 1, cp. 2 CP. Il funzionario comunale che non fa figurare delle
entrate nel conto di liquidazione allestito per iscritto e destinato alla
commissione di gestione non si rende colpevole di falsità in atti.

A. ­ Wyler verwaltete als Gemeindeschreiber auch das Quartieramt der
Einwohnergemeinde Nidau. In dieser Eigenschaft hatte er das Rechnungswesen zu
besorgen, das mit den Einquartierungen schweizerischer und internierter
ausländischer Truppen zusammenhing. Auf wiederholte Aufforderung legte er der
Geschäftsprüfungskommission der Gemeinde im Mai 1943 die im November 1942
erstellte Abrechnung des Quartieramtes für die Jahre 1939 bis 1942 vor. Darin
sind für das Interniertenwesen zu niedrige Beträge, nur die reglementarischen
Einnahmen, eingesetzt; ferner sind nicht belegte Einnahmen aus der
Einquartierung schweizerischer Truppen weggelassen.
B. ­ Das Obergericht des Kantons Bern hat Wyler von der Anschuldigung der
Veruntreuung zum Nachteil der Gemeinde freigesprochen. Dagegen hat es das
Erstellen der falschen Abrechnung des Quartieramtes als Urkundenfälschung nach
Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 317 - 1. Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützen,
1    Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützen,
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe.445
StGB gewürdigt und Wyler deshalb und wegen
Widerhandlungen gegen das Militärstrafgesetz (Behändigung von Lebensmitteln
und Ausrüstungsgegenständen Internierter) zu einer bedingt vollziehbaren
Gefängnisstrafe von sechs Monaten und zu Fr. 20.­ Busse verurteilt. Zudem hat
es ihn für drei Jahre als nicht wählbar zu einem Amte erklärt. Den
Zivilanspruch der Gemeinde hat es dem Grundsatze nach gutgeheissen,

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dagegen die Bestimmung der Höhe der Entschädigung dem Zivilrichter überlassen.
Es hat die Fortdauer der Beschlagnahme von Fr. 2800.­ bis zur Erledigung des
Zivilrechtsstreites der Parteien verfügt.
C. ­ Wyler ficht dieses Urteil mit der Nichtigkeitsbeschwerde an. Er
beantragt, es sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen,
damit sie ihn auch von der Anschuldigung der Urkundenfälschung freispreche,
von der Nebenstrafe absehe und ihm die beschlagnahmte Summe von Fr. 2800.­ zur
Verfügung stelle. Er macht insbesondere geltend, die in Frage stehende
Abrechnung sei keine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB. Für die Höhe
der Einnahmen und Ausgaben, die Entstehung, den Bestand oder das Erlöschen der
Forderungen und Verpflichtungen seien in einem solchen Falle einzig die Belege
massgebend. Die Prüfung einer Abrechnung erschöpfe sich nie in der Kontrolle
der Addition oder Subtraktion der darin aufgeführten Zahlungen, sondern
erstrecke sich auf die Belege und deren Begründung.
D. ­ Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt die Abweisung der
Beschwerde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Nach Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 317 - 1. Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützen,
1    Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützen,
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe.445
StGB begehen eine Urkundenfälschung Beamte
oder Personen öffentlichen Glaubens, die eine rechtlich erhebliche Tatsache
unrichtig beurkunden, namentlich eine falsche Unterschrift oder ein falsches
Handzeichen oder eine unrichtige Abschrift beglaubigen. Auch Art. 251 Ziff. 1
Abs. 2 (am Ende) stellt, unter andern subjektiven Voraussetzungen, die
unrichtige Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache als
Urkundenfälschung unter Strafe. Wie das Bundesgericht schon wiederholt
festgestellt hat (BGE 72 IV 72, 139; 73 IV 50 Erw. 2), ist aber nicht jede
schriftliche Lüge eine Falschbeurkundung im Sinne dieser Bestimmung. Es genügt
nicht, dass die niedergeschriebene Tatsache rechtlich

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irgendwie erheblich ist. Die Schrift muss ausserdem, als Urkunde nach der
Umschreibung in Art. 110 Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB, bestimmt oder geeignet sein, gerade die
erlogene Tatsache zu beweisen. Dasselbe gilt für Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 317 - 1. Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützen,
1    Beamte oder Personen öffentlichen Glaubens, die vorsätzlich eine Urkunde fälschen oder verfälschen oder die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützen,
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Geldstrafe.445
StGB.
2. ­ Die Abrechnung, welche der Beschwerdeführer als Gemeindefunktionär über
die Truppeneinquartierungen erstellte, war weder bestimmt noch geeignet, der
Geschäftsprüfungskommission, welcher sie zu erstatten war, die Vollständigkeit
und Richtigkeit der aufgeführten Rechnungsposten zu beweisen. Vielmehr war sie
von der Kommission daraufhin erst noch, vor allem anhand der Belege, zu
überprüfen. Urkunde ist die Abrechnung selbst nur insofern, als sie die
Darstellung des Beschwerdeführers darüber, wie sich die Einnahmen und Ausgaben
zusammensetzen, festhält, also Beweis dafür schafft, dass und mit welcher
Begründung er Rechnung abgelegt hat; sie ist es nicht auch insofern, als sie
für die Wahrheit seiner Behauptungen Beweis bilden würde. Somit kommt nichts
darauf an, dass diese Behauptungen teilweise falsch waren. Durch die
Erstellung der unrichtigen Abrechnung hat sich der Beschwerdeführer der
Urkundenfälschung nicht schuldig gemacht.
Das Obergericht hat ihn daher in diesem Punkte freizusprechen und über die
Strafe, namentlich was die Nichtwählbarkeit zu einem Amte anlangt, sowie über
die Beschlagnahme der Fr. 2800.­ und die Kosten neu zu entscheiden.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil
aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die
Vorinstanz zurückgewiesen.
Vgl. auch Nr. 30 und 34 - Voir aussi nos 30 et 34.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 73 IV 108
Date : 01. Januar 1947
Published : 01. Juni 1947
Source : Bundesgericht
Status : 73 IV 108
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : Art. 317 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Der Gemeindebeamte, welcher in der für die...


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