S. 59 / Nr. 13 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 73 III 59

13. Auszug aus dem Entscheid vom 31. März 1947 i. S. Itin.

Regeste:
Dürfen die Werkzeuge eines Handwerkers gepfändet werden, weil sie für eine
selbständige Berufsausübung ja doch unzureichend seien? Art. 92 Z. 3 SchKG.
Le fait que les instruments de travail que possède un artisan ne lui
permettraient pas de toute façon d'exercer son métier pour son propre compte
suffit-il pour les rendre saisissables?
Il fatto che gli arnesi di lavoro posseduti da un artigiano non gli
permetterebbero di esercitare il suo mestiere basta per renderli pignorabili?
(Art. 92 cifra 3 LEF).
Aus dem Tatbestand:

A. ­ Der Schreinermeister Emil Itin hatte in Wettingen eine mit Maschinen
ausgestattete Werkstätte gemietet. Der Vermieter liess für den Mietzins des
Monats Dezember 1946 die Hobelbank des Schuldners retinieren. Auf Ersuchen des
Betreibungsamtes Zürich 6 pfändete das Betreibungsamt Wettingen die Hobelbank
und eine Anzahl anderer Gegenstände.
B. ­ Der Schuldner beschwerte sich über die Retention und die Pfändung wegen
Unpfändbarkeit der Hobelbank, der Waldsäge und der Schrauben-Zwingen. In
beiden kantonalen Instanzen, der obern durch Entscheid vom 5. März 1947,
abgewiesen, hält er mit dem vorliegenden Rekurs an der Beschwerde fest.

Seite: 60
Aus den Erwägungen:
Dass die als unpfändbar angesprochenen Gegenstände, Hobelbank, Waldsäge und
Schraubenzwingen, unentbehrliche Werkzeuge eines Schreinermeisters sind, ist
nicht zweifelhaft. Indessen glaubt die Vorinstanz die
Unpfändbarkeitsbeschwerde deshalb abweisen zu sollen, weil diese Werkzeuge
nebst allfälligen nicht gepfändeten, die der Schuldner etwa in der Wohnung
noch besitzen möge, ja doch nicht ausreichend seien, um ihm die selbständige
Ausübung seines Berufes in konkurrenzfähiger Weise zu ermöglichen.
Diese Betrachtungsweise ist zu engherzig. Was zur Berufsausübung im
Wettbewerbe mit andern Berufsleuten gleicher Art unentbehrlich ist, stellt das
Maximum der nach Art. 92 Ziff. 3 SchKG als unpfändbar zu belassenden
Gegenstände dar (vgl. BGE 61 III 49 oben). Es kann dem Schuldner aber sehr
wohl auch weniger Berufswerkzeug belassen werden, wenn er eben weniger besitzt
oder beansprucht. Auch mit einem an sich ungenügenden Werkzeugbestand kann ein
Berufsmann etwas anfangen. Er kann sich je nach den Umständen das Fehlende
leih- oder mietweise oder durch Kauf auf Kredit (etwa auf Abzahlung)
beschaffen oder sich in eine mit dem Fehlenden ausgerüstete Werkstatt oder in
eine voll ausgerüstete (unter Einsparung der Vergütung für die von ihm selbst
mitgebrachten Werkzeuge) einmieten oder sich mit einem Werkstattbesitzer über
deren Benutzung zu Arbeiten, für die er nicht genügend ausgerüstet ist,
einigen oder endlich sich mit einem andern Berufsmann vergesellschaften, der
seinerseits entsprechend ausgerüstet ist oder sich die nötigen Werkzeuge auf
die eine oder andere Art beschaffen kann. Der Schutz des Art. 92 Ziff. 3 SchKG
steht dem Schuldner übrigens auch dann zu, wenn er seiner Werkzeuge auch nur
zur Ausübung eines Nebenberufes bedarf, der ihm einen allfällig notwendigen
zusätzlichen Erwerb verschaffen soll. Das kommt hier sehr wohl in Frage, da

Seite: 61
der Schuldner, falls er sich verdingen muss, mit dem Arbeitslohn kaum
auskommt, um seine Familie mit (laut Rekursvorbringen) vier unmündigen Kindern
durchzubringen, zumal wenn er angesichts seines (auch von der Vorinstanz
erwähnten) rheumatischen Leidens öfters bei der Arbeit aussetzen und daher
allenfalls mit Lohnausfall rechnen muss. Auch wenn über diese
Zukunftsaussichten nur Mutmassungen angestellt werden können, lässt sich der
Unpfändbarkeitsanspruch grundsätzlich nicht verneinen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 73 III 59
Date : 01. Januar 1947
Published : 31. März 1947
Source : Bundesgericht
Status : 73 III 59
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Dürfen die Werkzeuge eines Handwerkers gepfändet werden, weil sie für eine selbständige...


Legislation register
SchKG: 92
BGE-register
61-III-49 • 73-III-59
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
cantonal remedies • commercial spatiality • debt enforcement and bankruptcy law • debtor • employee • family • hamlet • lower instance • maximum • month • need • prosecution office • question • tool • use • wage