S. 129 / Nr. 32 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 73 III 129

32. Entscheid vom 24. Oktober 1947 i.S. Primus Kölliker GmbH.

Regeste:
Retentionsrecht des Vermieters. Die Geldsumme, die zur Abwendung der Retention
von Einrichtungs- oder Gebrauchsgegenständen hinterlegt und anstelle dieser
Fahrhabe in das Retentionsverzeichnis aufgenommen wurde, ist dem Hinterlege
herauszugeben, wenn der Vermieter die ihm in der Retentionsurkunde angesetzten
Fristen nicht einhält.
Droit de rétention du bailleur. La somme d'argent qui a été déposée pour
éviter que le droit de rétention ne frappe les meubles servant à l'aménagement
ou à l'usage des lieux loués et qui a été inscrite dans l'inventaire en lieu
et place de ces biens doit être restituée au déposant si le bailleur ne
respecte pas les délais indiqués dans le procès-verbal do prise d'inventaire.
Diritto di ritenzione del locatore. La somma di denaro depositata per evitare
che il diritto di ritenzione colpisca i mobili che servono all'arredamento o
all'uso dei locali appigionati ed iscritta nell'inventario invece di questi
beni dev'essere restituita al depositante, se il locatore non osserva i
termini indicati nel verbale d'inventario

Nachdem das Betreibungsamt Uitikon a. A. bei Frau Regli für eine
Mietzinsforderung der Rekurrentin von Fr. 814.50 ein Retentionsverzeichnis
aufgenommen hatte, übergab ihm der Ehemann der Schuldnerin, um den für

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den folgenden Tag geplanten Wegzug zu ermöglichen, einen Check im Betrage von
Fr. 820.­, und zwar gemäss Retentionsurkunde «in der Meinung, dass diese
geleistete Sicherheit dem Retentionsgläubiger als Pfand hafte und dem
Retentionsrecht unterstellt sei».
In der zur Prosequierung dieser Retention angehobenen Betreibung versäumte es
die Rekurrentin, binnen 10 Tagen nach Mitteilung des Rechtsvorschlages Klage
gegen die Schuldnerin einzuleiten. Als die Schuldnerin und ihr Ehemann
deswegen Freigabe der Sicherheit verlangten, schrieb die Rekurrentin dem
Betreibungsamte: «Sollte die Frist bezüglich der Klage nicht eingehalten
worden sein, so stelle ich erneut das Gesuch um Retention des Betrages von Fr.
820.­». Das Betreibungsamt gab diesem Begehren nicht statt, sondern verfügte,
die Sicherheit werde «dem Schuldner» ausbezahlt. Gegen diese Verfügung
beschwerte sich die Rekurrentin rechtzeitig mit den Anträgen, die Sicherheit
sei der Schuldnerin nicht auszuzahlen; eventuell sei das Betreibungsamt
anzuweisen, den Betrag von Fr. 820.­ erneut unter Retentionsbeschlag zu
nehmen. Beide kantonalen Instanzen haben die Beschwerde abgewiesen.
Vor Bundesgericht hat die Rekurrentin den Antrag auf Neuretention des Betrages
von Fr. 820.­ wieder aufgenommen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist der Mieter berechtigt, die
Retention von Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen auch gegen den Willen
des Vermieters durch Hinterlegung des Forderungsbetrages abzuwenden (BGE 59
III 130
, 61 III 76, 66 III 84). Obschon dieses Recht dem Schuldner in analoger
Anwendung von Art. 898
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 898 - 1 Kommt der Schuldner seiner Verpflichtung nicht nach, so kann der Gläubiger, wenn er nicht hinreichend sichergestellt wird, die zurückbehaltene Sache nach vorgängiger Benachrichtigung des Schuldners wie ein Faustpfand verwerten.
1    Kommt der Schuldner seiner Verpflichtung nicht nach, so kann der Gläubiger, wenn er nicht hinreichend sichergestellt wird, die zurückbehaltene Sache nach vorgängiger Benachrichtigung des Schuldners wie ein Faustpfand verwerten.
2    Zur Verwertung zurückbehaltener Namenpapiere hat in Vertretung des Schuldners der Betreibungs- oder der Konkursbeamte das Erforderliche vorzunehmen.
ZGB zuerkannt worden ist, handelt es sich bei der hier
in Frage stehenden Sicherheitsleistung nicht um einen zivil-, sondern um einen
rein betreibungsrechtlichen

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Vorgang, da sie lediglich den Zweck hat, die retinierbare Fahrhabe dem zur
Zeit der Hinterlegung gerade drohenden oder bereits bestehenden
Retentionsbeschlag zu entziehen. Die Betreibungsbehörden haben also nicht nur
darüber zu befinden, ob die angebotene Hinterlage als genügende Sicherheit
entgegenzunehmen sei, sondern sie entscheiden auch über die Wirkungen der
Hinterlegung.
Der betreibungsrechtlichen Natur dieser Sicherheitsleistung entspricht es,
dass die Hinterlage anstelle der sonst zu retinierenden Fahrhabe in das
Retentionsverzeichnis aufgenommen wird, und dass dem Vermieter die Fristen
gemäss Art. 283 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 283 - 1 Vermieter und Verpächter von Geschäftsräumen können, auch wenn die Betreibung nicht angehoben ist, zur einstweiligen Wahrung ihres Retentionsrechtes (Art. 268 ff. und 299c OR492) die Hilfe des Betreibungsamtes in Anspruch nehmen.493
1    Vermieter und Verpächter von Geschäftsräumen können, auch wenn die Betreibung nicht angehoben ist, zur einstweiligen Wahrung ihres Retentionsrechtes (Art. 268 ff. und 299c OR492) die Hilfe des Betreibungsamtes in Anspruch nehmen.493
2    Ist Gefahr im Verzuge, so kann die Hilfe der Polizei oder der Gemeindebehörde nachgesucht werden.
3    Das Betreibungsamt nimmt ein Verzeichnis der dem Retentionsrecht unterliegenden Gegenstände auf und setzt dem Gläubiger eine Frist zur Anhebung der Betreibung auf Pfandverwertung an.
SchKG und Kreisschreiben Nr. 24 vom 12. Juli 1909
angesetzt werden (BGE 59 III 131, 61 III 76 /7). Geschieht das, und hält der
Vermieter die ihm laufenden Fristen ein, so haftet ihm die Hinterlage in
gleicher Weise wie die erwähnte Fahrhabe (vgl. die eben zit. Entscheide).
Prosequiert er dagegen die Retention nicht fristgerecht, so wird die
Hinterlage frei und kann nicht neuerdings retiniert werden, da sie gemäss der
Natur und dem Zweck der Hinterlegung nicht ein für allemal, sondern nur mit
Wirkung für das betreffende Retentionsverfahren an die Stelle jener Fahrhabe
tritt (so im Ergebnis schon der Entscheid vom 8. November 1940 i.S. Stutz und
Hohl, SJZ 37 S. 317).
Die materiellen Rechte des Vermieters werden hiedurch nicht verletzt. Fällt
das Retentionsverzeichnis, das die Hinterlage als Retentionsgegenstand
aufführt, infolge Fristversäumnis dahin, so bleibt es dem Vermieter
unbenommen, zu verlangen, dass die Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände, die
sich noch in den Mieträumen vorfinden, in ein neues Retentionsverzeichnis
aufgenommen werden. Dieses Vorgehen wird freilich oft keinen praktischen
Erfolg zeitigen, weil der Mieter in der Regel deswegen Sicherheit leistet, um
die dadurch vom Retentionsbeschlag befreiten Gegenstände wegschaffen zu
können. Der Gefahr, nach dem Hinfall der ersten Retention mit einer zweiten zu
spät zu kommen, ist der Vermieter

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jedoch auch dann ausgesetzt, wenn im ersten Retentionsverfahren keine
Hinterlegung erfolgt ist. Sie verdient im Falle der Hinterlegung umso weniger
Beachtung, als die Hinterlegung nicht nur dem Mieter, sondern auch dem
Vermieter erhebliche Vorteile bietet; er erhält dadurch Deckung für seine
ganze Forderung, auch wenn der Schätzungswert der retinierbaren Gegenstände
den Forderungsbetrag nicht erreicht, hat von der Verwertung keine unangenehmen
Überraschungen zu befürchten und kann nicht in ein Widerspruchsverfahren
verwickelt werden. Der Annahme, dass der Vermieter, der die Retention nicht
fristgerecht prosequiert, jeden Anspruch auf die bestellte Sicherheit
verliere, stehen also auch vom praktischen Gesichtspunkte aus keine
entscheidenden Bedenken entgegen. Umgekehrt hätte die Annahme, dass die
Hinterlage dem Vermieter trotz dem Dahinfallen des Retentionsbeschlages
weiterhafte, die unerwünschte Folge, dass das Betreibungsamt eine solche
Sicherheit nie ohne Zustimmung des Vermieters herausgeben könnte.
Da die Rekurrentin die von der Mitteilung des Rechtsvorschlages an laufende
Klagefrist versäumt hat, ist der streitige Betrag von Fr. 820.­ also dem
Hinterleger herauszugeben.
Der Grundsatz, dass die Nichteinhaltung der in der Retentionsurkunde
festgesetzten Prosequierungsfristen die Hinterlage frei werden lässt, erträgt
höchstens dann eine Ausnahme, wenn der Mieter vor Ablauf der Frist für die
Einleitung der Betreibung in Konkurs fällt und eine Betreibung aus diesem
Grunde nicht mehr angehoben werden kann (Art. 206
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 206 - 1 Alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen sind aufgehoben, und neue Betreibungen für Forderungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, können während des Konkursverfahrens nicht eingeleitet werden. Ausgenommen sind Betreibungen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind.
1    Alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen sind aufgehoben, und neue Betreibungen für Forderungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, können während des Konkursverfahrens nicht eingeleitet werden. Ausgenommen sind Betreibungen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind.
2    Betreibungen für Forderungen, die nach der Konkurseröffnung entstanden sind, werden während des Konkursverfahrens durch Pfändung oder Pfandverwertung fortgesetzt.
3    Während des Konkursverfahrens kann der Schuldner keine weitere Konkurseröffnung wegen Zahlungsunfähigkeit beantragen (Art. 191).
SchKG). Dieser Fall liegt
jedoch nicht vor.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 73 III 129
Date : 01. Januar 1947
Published : 24. Oktober 1947
Source : Bundesgericht
Status : 73 III 129
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Retentionsrecht des Vermieters. Die Geldsumme, die zur Abwendung der Retention von Einrichtungs-...


Legislation register
SchKG: 206  283
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37 S.317