S. 201 / Nr. 33 Familienrecht (d)

BGE 73 II 201

33. Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. Juli 1947 i. S. R. gegen M. und R.


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Regeste:
Anfechtung der Ehelichkeit. Das Kind ist zur Anfechtung seiner Ehelichkeit
nicht legitimiert, auch dann nicht, wenn der angebliche aussereheliche
Erzeuger inzwischen mit der Mutter die Ehe eingegangen ist (Art. 253 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 253
ZGB).
Action en désaveu. L'enfant n'a pas qualité pour exercer l'action en désaveu
même dans le cas où la mère aurait par la suite épousé le prétendu père de
l'enfant (art. 253 et suiv. CC).
Azione di contestazione della paternita. L'infante non ha veste per promuovere
l'azione di contestazione della paternità nemmeno nel caso in cui la madre ha
nel frattempo contratto matrimonio col preteso padre dell'infante (art. 253 e
seg. CC).

A. ­ Nach 4 ½jähriger Dauer der Ehe R.-B. gebar die Ehefrau am 16. August 1944
das Kind Susanna Margrith. Am 19. Juni 1945 reichte der Ehemann R. beim
Bezirksgericht Zürich Klage auf Scheidung ein. Diese wurde mit Urteil vom 28.
August 1945 in Anwendung von Art. 142
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 253
ZGB ausgesprochen. Als Hauptgrund der
Zerrüttung wurde im Scheidungsurteil festgestellt, dass die Ehefrau
zugegebenermassen ehebrecherische Beziehungen mit Ernst M. unterhalten habe,
aus denen nach Angabe der Ehefrau das Kind Susanna hervorgegangen sei. Das
Kind wurde der Mutter zugesprochen. Auf Unterhaltsbeiträge hatte diese
verzichtet.
Am 31. Dezember 1945 ging die geschiedene Frau mit Ernst M. die Ehe ein.
Am 15. April 1946 reichte Rechtsanwalt Dr. Kägi als von der
Vormundschaftsbehörde mit dahingehendem Auftrag bestellter Beistand des
Kindes, Susanna R. beim Bezirksgericht Zürich gegen Frau M. und ihren frühern

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Ehemann R. Anfechtungsklage ein mit dem Antrag, es sei gerichtlich
festzustellen, dass die Klägerin nicht das eheliche Kind der frühern Eheleute
R., sondern das uneheliche Kind der Ehefrau und ihres nunmehrigen Ehemannes M.
sei.
Die Beklagten anerkannten die Klage. Frau M. behauptete, in der kritischen
Zeit (21. Oktober 1943 bis 18. Februar 1944) mit M. Geschlechtsverkehr gehabt
und von ihm am 13. November 1943 das Kind empfangen zu haben, während sie mit
dem im Militärdienst abwesenden Ehemann von Ende Oktober bis Dezember 1943
nicht verkehrt habe. R. bestätigte, Ende Oktober bei seiner Frau im Urlaub
gewesen zu sein; zum Geschlechtsverkehr sei es aber bei diesem Anlass nicht
gekommen. M. erklärte als Zeuge, er sei der Vater des Kindes; die Beklagte sei
beim ersten Geschlechtsverkehr mit ihm schwanger geworden.
Sowohl das Bezirksgericht als das Obergericht haben die Aktivlegitimation des
Kindes zur Anfechtung seiner Ehelichkeit bejaht und eine Verwirkungsfrist für
dessen Klage abgelehnt, jedoch die Klage abgewiesen, weil die Möglichkeit, ja
Wahrscheinlickeit mehrmaligen Verkehrs der Mutter mit dem Ehemann in der
kritischen Zeit nicht schlüssig widerlegt, geschweige denn ein Beweis der
Unmöglichkeit der Vaterschaft desselben erbracht worden sei.
B. ­ Mit der vorliegenden Berufung hält die Klägerin an ihrem Begehren fest
mit der Begründung, die Vorinstanz habe Art. 254
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 254
und 256
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1    Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1  vom Ehemann;
2  vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat.
2    Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter.
3    Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262
ZGB zu Unrecht und
unrichtig angewendet und Art. 1 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB verletzt, indem sie von der
Klägerin gemäss jenen, nur auf die Klage des Ehemannes gemünzten Bestimmungen
den Nachweis der Unmöglichkeit der Vaterschaft desselben verlangt habe, statt
in Anwendung von Art. 1 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB die Wahrscheinlichkeit der einen oder
andern Vaterschaft frei zu würdigen. Event. verlangt die Klägerin die
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Abnahme des von ihr

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beantragten Beweises dafür, dass der Ehemann R. im November 1943 seine Frau
nie besucht habe.
Die Berufungsbeklagte Frau M. hat sich zur Berufung nicht geäussert; R.
beantragte Gutheissung derselben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Die Vorinstanzen haben die Legitimation des Kindes zur Anfechtung seiner
eigenen Ehelichkeit bejaht unter Berufung auf eine dahingehende Praxis
vorwiegend zürcherischer Gerichte, die sich der gegen die negativen
Präjudizien des Bundesgerichts von 1918 und 1923 (BGE 44 II 223, 49 II 319)
laut gewordenen Kritik anschliesst (vgl. insbesondere GAUTSCHI SJZ 18, 317
ff.; BRIDEL, La règle «pater is est ...»; LEEMANN SJZ, 29, 273 ff.; COMMENT
ZBJV 71, 541; SANDMEIER, Die Ehelichkeitsvermutung und ihre Anfechtung;
SILBERNAGEL II. Aufl. N. 3 zu Art. 253; EGGER II. Aufl. N. 3 zu Art. 253 und
dort zit. Literatur). Diese Auffassung geht davon aus, es könne nicht der
Wille des Gesetzgebers sein, die Richtigstellung des anerkanntermassen
wahrheitswidrigen Zivilstandseintrags von der Laune des «Registervaters»
abhängig zu machen bzw. diesen im offensichtlichen Missbrauch seines Rechts
aus dem Eintrag zu unterstützen. Art. 256
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1    Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1  vom Ehemann;
2  vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat.
2    Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter.
3    Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262
ZGB gebe, wenn der Ehemann nicht
selber anfechten könne, das Recht hiezu jedem neben oder hinter dem Kinde
Erbberechtigten; es werde also auf die Verletzung noch so geringfügiger oder
hypothetischer Erbrechte abgestellt. Die Erbrechte und die
Unterstützungsansprüche des Kindes dagegen, die unter Umständen viel
wichtigere Interessen darstellen könnten als diejenigen der subsidiären Kläger
aus Art. 256, würden ganz ausser Acht gelassen, also das Kind schlechter
gestellt als seine und des «Registervaters» Verwandte, was das Gesetz sicher
nicht bezweckt habe. Die Annahme, es liege eine negative Norm vor, führe zu
einem unbefriedigenden, unzweifelhaft schutzwürdige Interessen schutzlos
lassenden Ergebnis. Es handle sich um einen

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im Gesetz nicht vorgesehenen Tatbestand. Das Gesetz weise somit bezüglich der
klageberechtigten Personen eine Lücke auf, die nach Art. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
ZGB im Sinne der
Anerkennung der Klagelegitimation des Kindes auszufüllen sei
(Kassationsgericht Zürich, SJZ 29, 274).
Soweit die Frage der Wünschbarkeit einer Ausdehnung der Klageberechtigung auf
das Kind de lege ferenda aufgeworfen wird, hat das Bundesgericht dazu nicht
Stellung zu nehmen. Soweit es sich aber um die Anwendung des geltenden Rechts
handelt, kann es nach neuer Prüfung seinen in den Präjudizien von 1918 und
1923 begründeten Standpunkt durch die seitherige Kritik nicht als widerlegt
anerkennen. Die Schaffung der gewünschten Abhilfe vermittels der Annahme einer
Lücke im Gesetz läuft auf eine petitio principii hinaus. Der Ausschluss des
Kindes vom Klagerecht ist in Art. 262 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 262 - 1 Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet.
1    Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet.
2    Diese Vermutung gilt auch, wenn das Kind vor dem 300. oder nach dem 180. Tag vor der Geburt gezeugt worden ist und der Beklagte der Mutter um die Zeit der Empfängnis beigewohnt hat.
3    Die Vermutung fällt weg, wenn der Beklagte nachweist, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich ist als die eines Dritten.
. ZGB sowohl positiv als auch negativ
ausgesprochen; letzteres dadurch, dass in Art. 253 Abs. 1, 254, 255 Abs. 1 der
Ehemann als einziger Anfechtungsberechtigter und in Art. 256 als subsidiäre
Kläger (ausser der zuständigen Behörde) abschliessend die neben oder hinter
dem Kinde Erbberechtigten, also vom Kinde verschiedene Personen genannt
werden; ersteres indem in Art. 253 Abs. 2 das Kind schlechthin in die
Beklagtenrolle verwiesen wird. Angesichts dieser genauen Umschreibung der
möglichen Prozessparteien kann nicht angenommen werden, man habe bei der
Ausarbeitung des ZGB nicht an den Fall gedacht, wo das Kind selber ein
Interesse an der Beseitigung seiner Ehelichkeit haben könnte. Die Möglichkeit
einer actio filiationis negativa kann nicht übersehen worden sein angesichts
der Aufmerksamkeit, die ihr in den Vorarbeiten und Kommentaren zum deutschen
BGB gewidmet worden war (vgl. Motive zum Entwurfe eines BGB, IV S. 658; § 1593
BGB; STAUDINGER, N. 1 ZU § 1593). Dass bei der Beratung des ZGB dem Texte kein
anderer Sinn beigelegt wurde, geht aus der Bemerkung der Botschaft des
Bundesrates hervor: «Zur Anfechtung ist regelmässig

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nur der Ehemann berechtigt, jedenfalls Niemand neben ihm». Die negative
Entscheidung der Frage entspricht auch durchaus dem Geist und System, die der
Regelung des ehelichen Kindesverhältnisses im Gesetz zugrunde liegen. Das
individuelle Interesse des Kindes bildet dabei nicht den obersten, geschweige
denn den einzigen leitenden Gesichtspunkt, wie die Kritik meistens annimmt. In
erster Linie hat das Gesetz die Festigkeit der Familie im Auge. Das
grundsätzlich ausschliessliche Anfechtungsrecht des Ehemannes folgt einerseits
aus der ehelichen Treuepflicht der Ehefrau, anderseits aus der gesetzlichen
Ehelichkeitsvermutung. Um des Ehemannes willen hat die verheiratete Frau kein
Recht, von einem andern Manne Kinder zu empfangen; der Ehemann allein soll
daher in der Regel darüber zu befinden haben, ob er aus der Verletzung dieses
seines Rechts Folgerungen ziehen will oder nicht. Liegt keiner der
Ausnahmefälle des Art. 256
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1    Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1  vom Ehemann;
2  vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat.
2    Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter.
3    Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262
ZGB vor, das heisst ist der Ehemann nicht an der
Anfechtung gehindert, und will er das fremde Blut in seiner Familie dulden, so
müssen es auch seine andern Kinder tun. Diese Ermessensbefugnis des Ehemannes
stellt eine aus dem Wesen der Ehe sich ergebende Wirkung derselben dar. Der ­
von der Kritik als mit der Menschenwürde unvereinbar bezeichnete ­ «Anspruch»
des Ehemannes auf die Kinder seiner Frau, gleichgültig von wem sie stammen
mögen, ist einfach das Gegenstück zur gesetzlichen Ehelichkeitsvermutung,
kraft deren er die Kinder seiner Frau als die seinigen anerkennen muss, sofern
seine Vaterschaft nicht geradezu unmöglich erscheint, also ungeachtet aller
noch so schwerwiegenden Verdachtsgründe, dass mindestens ebensogut ein anderer
Mann der Vater sein könne. Dieser gesetzlichen Vermutung kann auch er sich
nicht durch den Hinweis auf seine doch gewiss ebenfalls auf dem Spiele
stehende Menschenwürde entziehen, weil sonst überhaupt das ganze Familienrecht
in seinem Gefüge erschüttert und der Bestand der Familie in Frage gestellt
würde. Die Zulassung einer «Sanierung»

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der durch Ehebruch der Frau in Unordnung gebrachten Familienverhältnisse in
einem weitern als dem vorgesehenen Mindestumfang würde diesen Grundpfeiler der
Familienrechtsordnung schwächen und eine starke Hemmung vor ehelicher Untreue
wegfallen lassen. Dem unter Umständen wie den vorliegenden zweifellos
vorhandenen Interesse des Kindes daran, seinen familienrechtlichen Status mit
dem ­ allseitig anerkannten ­ tatsächlichen in Übereinstimmung zu bringen,
steht das öffentliche Interesse an der Beschränkung des Anfechtungsrechts auf
den Ehemann entgegen, und dieses allgemeine Interesse hat das ZGB jenem
individuellen vorangestellt. Gesichtspunkte der Generalprävention sind es, aus
denen dem von der beklagten Mutter und ihrem nunmehrigen Ehemann betätigten
Willen, «am Kinde wieder gut zu machen, was sie vorher gesündigt hätten», mit
grösster Vorsicht begegnet werden muss. Der Umstand, dass in den bisher
bekannt gewordenen, von den Gerichten contra legem entschiedenen Fällen das
Ergebnis als die menschlich richtige und befriedigende Lösung empfunden wird,
darf nicht vergessen lassen, dass eben gerade die strenge gesetzliche Regelung
zweifellos in viel zahlreichern andern, weniger klar liegenden Fällen die
gerichtliche Austragung mit familiengefährdender Wirkung verhindert hat.
Bei der Entscheidung des Ehemannes darüber, ob er das Kind als das seinige
gelten lassen wolle, muss es insbesondere auch dann das Bewenden haben, wenn
er sein Anfechtungsrecht durch Fristablauf verwirkt hat. Ist dies einmal
geschehen, so ist auch über sein Leben hinaus die Ehelichkeit des Kindes
ebenso unwiderleglich festgestellt wie durch ein seine Klage abweisendes, das
Nichtbestehen eines Anfechtungsrechts aussprechendes Gerichtsurteil. Dann ist
insbesondere auch kein Raum für eine gegenteilige negative Feststellungsklage
(ZBJV 71, 541), ganz abgesehen davon, dass zum Gegenstand einer solchen nur
die Frage nach dem Bestehen oder

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Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gemacht werden kann, keinesfalls aber
die Änderung eines bereits bestehenden und klar festgelegten
Rechtsverhältnisses.
Der Umstand, dass im deutschen BGB und im Gemeinen Recht die legitimatio per
subsequens matrimonium bezüglich im Ehebruch erzeugter Kinder ausgeschlossen,
im ZGB dagegen ­ im Gegensatz zur Anerkennung ­ erlaubt ist, mag ein Motiv
mehr zur Rechtfertigung des Ausschlusses des Kindes vom Anfechtungsrecht in
jenen Rechten bilden, spricht jedoch keinesfalls für eine gegenteilige
Auslegung des ZGB; denn die Zulassung der Legitimation nach Art. 258 findet
auch ohne diesen Sonderfall der Unehelichkeit ihr Anwendungsgebiet und ihre
Rechtfertigung an den ausserehelich geborenen Kindern.
Muss demnach de lege lata das Anfechtungsrecht der Kinder grundsätzlich
verneint werden, so braucht auf die Schwierigkeiten, mit denen im Falle der
Bejahung seine Ausgestaltung verbunden wäre, nur hingewiesen zu werden. Die
Auffassung des Anfechtungsrechts als eines höchst persönlichen Rechts vertrüge
sich nicht wohl mit dessen Ausübung durch einen Vertreter für das
urteilsunfähige Kind, wie denn auch bei Urteilsunfähigkeit des Ehemannes nicht
ein Vertreter für ihn, sondern eine gemäss Art. 256 Abs. 1 legitimierte Person
aus eigenem Rechte klagt. Anderseits aber stände das Absehen von jeglicher
Klageverwirkungsfrist mit der kurzen Frist des Art. 253 und mit dem
unabweisbaren Bedürfnis nach Stabilität der Rechtsverhältnisse in einem schwer
vereinbaren Widerspruch.
Offen bleiben kann schliesslich die Frage, ob nicht in Fällen eigentlich
missbräuchlicher Nichtausübung seines Anfechtungsrechts seitens des Ehemannes
in Anwendung von Art. a ZGB eine Ausnahme von der Regel zuzulassen wäre, z. B.
wenn der Ehemann die Ausübung des Anfechtungsrechts zu einem Geldgeschäft
hatte machen wollen und, als die Interessierten darauf nicht eingingen, es
durch

Seite: 208
Ablaufenlassen der Anfechtungsfrist untergehen liess (vgl. LEEMANN SJZ 29,
273).
2. ­ Wäre die Berufung nicht schon mangels Klagelegitimation der
Berufungsklägerin abzuweisen, so müsste ihr dasselbe Schicksal aus
beweisrechtlichen Gründen beschieden sein. Die Frage, ob der Ehemann unmöglich
der Vater sein könne, ist tatsächlicher Natur und die Feststellung der
Vorinstanz hierüber, dass dieser Beweis nicht erbracht sei, daher für das
Bundesgericht verbindlich. Die klägerische Auffassung, dass im Falle der
Anfechtung durch das Kind die strenge Beweisvorschrift des Art. 264
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 264 - 1 Ein minderjähriges Kind darf adoptiert werden, wenn die adoptionswilligen Personen während mindestens eines Jahres für Pflege und Erziehung des Kindes gesorgt haben und nach den gesamten Umständen zu erwarten ist, die Begründung eines Kindesverhältnisses diene seinem Wohl, ohne andere Kinder dieser Personen in unbilliger Weise zurückzusetzen.
1    Ein minderjähriges Kind darf adoptiert werden, wenn die adoptionswilligen Personen während mindestens eines Jahres für Pflege und Erziehung des Kindes gesorgt haben und nach den gesamten Umständen zu erwarten ist, die Begründung eines Kindesverhältnisses diene seinem Wohl, ohne andere Kinder dieser Personen in unbilliger Weise zurückzusetzen.
2    Eine Adoption ist nur möglich, wenn die adoptionswilligen Personen aufgrund ihres Alters und ihrer persönlichen Verhältnisse für das Kind voraussichtlich bis zu dessen Volljährigkeit sorgen können.
ZGB nicht
gelte, weil die Vermutung der Vaterschaft des Ehemannes zur Zeit der Zeugung
und Geburt gleichsam durch eine solche zu Gunsten des jetzigen Ehemannes der
Mutter neutralisiert würde, müsste mit den zutreffenden Erwägungen der
Vorinstanz abgelehnt werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 28. März 1947 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 II 201
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 08. Juli 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 II 201
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Anfechtung der Ehelichkeit. Das Kind ist zur Anfechtung seiner Ehelichkeit nicht legitimiert, auch...


Gesetzesregister
ZGB: 1 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
142  253 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 253
254 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 254
256 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1    Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1  vom Ehemann;
2  vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat.
2    Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter.
3    Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262
262 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 262 - 1 Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet.
1    Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet.
2    Diese Vermutung gilt auch, wenn das Kind vor dem 300. oder nach dem 180. Tag vor der Geburt gezeugt worden ist und der Beklagte der Mutter um die Zeit der Empfängnis beigewohnt hat.
3    Die Vermutung fällt weg, wenn der Beklagte nachweist, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich ist als die eines Dritten.
264
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 264 - 1 Ein minderjähriges Kind darf adoptiert werden, wenn die adoptionswilligen Personen während mindestens eines Jahres für Pflege und Erziehung des Kindes gesorgt haben und nach den gesamten Umständen zu erwarten ist, die Begründung eines Kindesverhältnisses diene seinem Wohl, ohne andere Kinder dieser Personen in unbilliger Weise zurückzusetzen.
1    Ein minderjähriges Kind darf adoptiert werden, wenn die adoptionswilligen Personen während mindestens eines Jahres für Pflege und Erziehung des Kindes gesorgt haben und nach den gesamten Umständen zu erwarten ist, die Begründung eines Kindesverhältnisses diene seinem Wohl, ohne andere Kinder dieser Personen in unbilliger Weise zurückzusetzen.
2    Eine Adoption ist nur möglich, wenn die adoptionswilligen Personen aufgrund ihres Alters und ihrer persönlichen Verhältnisse für das Kind voraussichtlich bis zu dessen Volljährigkeit sorgen können.
BGE Register
44-II-223 • 49-II-319 • 73-II-201
Stichwortregister
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frage • vorinstanz • bundesgericht • wille • mutter • ehe • vater • geschlechtsverkehr • weiler • familie • beklagter • ehebruch • aktiv- und passivlegitimation • ehegatte • entscheid • mann • erbrecht • legitimation • empfang • vermutung
... Alle anzeigen
SJZ
18 S.317 • 29 S.273 • 29 S.274