S. 62 / Nr. 6 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 73 I 62

6. Auszug aus dem Urteil vom 21. Februar 1947 i. S. Hotelgesellschaft Seiler
gegen Rekurskommission des Kantons Wallis für das eidg. Wehropfer und die
Wehrsteuer.


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Regeste:
Wehrsteuer: Passivposten der Bilanz, die lediglich der Korrektur zu hoch
bezifferter Aktiven dienen (unechte Reserven), unterliegen der Wehrsteuer
nicht.
Impôt pour la défense nationale: Ne sont pas soumis à cet impôt les articles
inscrits au passif du bilan et qui ne servent qu'à la correction d'articles
portés à l'actif pour une somme trop élevée.
Imposta per la difesa nazionale: Non sono soggetti a quest'imposta le voci che
sono iscritte tra le passività del bilancio e servono soltanto a correggere
voci figuranti al passivo per una somma troppo elevata.

A. - Die Beschwerdeführerin führte im Jahre 1942 eine Sanierung durch, wobei
sich aus Herabsetzung der Aktien und Obligationen und Nachlässen auf laufenden
Schulden ein Buchgewinn ergab. Davon wurde ein Teil zu Abschreibungen auf den
Liegenschaften und auf dem Mobiliar verwendet; der Rest wurde dazu bestimmt,
die in den weiteren Kriegs- und Nachkriegsjahren noch zu erwartenden
Geschäftsverluste aufzufangen. Er wurde dazu in eine sog. Sanierungsreserve
(réserve d'assainissement oder

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compte de réorganisation) gelegt, die aus einer früheren Sanierung stammte.
In ihrer Steuererklärung für die II. Wehrsteuerperiode gab die
Beschwerdeführerin für die Ergänzungssteuer lediglich das einbezahlte
Aktienkapital an. Die Wehrsteuerverwaltung des Kantons Wallis (KWStV)
behandelte die Sanierungsreserve als steuerbare Reserve. Im
Einspracheverfahren machte die Beschwerdeführerin geltend, es handle sich
nicht um eine echte Reserve, sondern um einen Wertberichtigungsposten zum
Ausgleich für die in der Bilanz zu hoch bewerteten Aktiven. In den
nachfolgenden Verhandlungen mit der Beschwerdeführerin und der Schweizerischen
Hoteltreuhandgesellschaft erklärte sich die KWSTV bereit, den. Standpunkt der
Beschwerdeführerin anzuerkennen, wenn diese die Erklärung abgebe, dass die
sog. Sanierungsreserve nicht zur Deckung von Verlusten verwendet werde; das
verweigerte die Beschwerdeführerin. Darauf wurde die Einsprache abgewiesen.
Der Einspracheentscheid ist im kantonalen Rekursverfahren bestätigt worden.
B. - Mit der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde beantragt die
Beschwerdeführerin die Ergänzungssteuer nur vom statutarischen Grundkapital,
nicht aber von der Sanierungsreserve zu erheben.
Sie hält daran fest, dass die sog. Sanierungsreserve trotz ihrer Bezeichnung
keine echte Reserve und kein Bestandteil des steuerpflichtigen Vermögens sei.
Die Ergänzungssteuer werde erhoben auf dem Vermögen der Gesellschaften; die
ihr unterliegenden offenen und stillen Reserven müssten unter allen Umständen
echte Reserven sein, d. h. Passivposten, die Vermögen der Gesellschaft
darstellten; auf die blosse Bezeichnung als «Reserve» könne nicht abgestellt
werden. Wenn ein Passivposten als unechte, rein buchtechnische Spezialreserve
erkennbar sei, könne er der Besteuerung nicht unterworfen werden; die
Auslegung der KWRK sei zu formal und wirtschaftlich unhaltbar. Die
Sanierungsreserve habe schon lange vor 1942

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bestanden und sei nie als steuerpflichtiger Vermögensbestandteil betrachtet
worden; durch die Erhöhung im Jahre 1942 sei ihr Charakter nicht verändert
worden. Die Bezeichnung als «Sanierungsreserve» bringe für jedermann klar zum
Ausdruck, dass ihr in der Gesamtheit des Gesellschaftsvermögens keinerlei
Aktivwert beigemessen werden könne.
Das Bundesgericht hat die Sache zur Ergänzung der Untersuchung und zu neuer
Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen
in Erwägung:
2.- Nach Art. 48 lit. b WStB ist die Ergänzungssteuer zu erheben vom
einbezahlten Teil des im Handelsregister eingetragenen Grund- bezw.
Stammkapitals, sowie von den offenen und stillen Reserven. Was unter Reserven
zu verstehen ist, sagt der WStB nicht; es ist dafür auf den handelsrechtlichen
Begriff abzustellen. Danach bestehen die Reserven einer A.-G. in ihrem
tatsächlich vorhandenen, über das Grundkapital hinausgehenden Reinvermögen
(STÄHELIN, Die Reserven der A.-G., in ZSR 1939, S. 119 a, FOLLIET, Le Bilan
dans les sociétés anonymes, S. 299; BOSSARD, Die Reserven der A.-G. im neuen
OR, S. 22; BUEHLER, Bilanz und Steuer, S. 24; PERRET /GROSHEINTZ, Nr. 6 zu
Art. 48 WStB; WEYERMANN, in VSA 1921, S. 100). Die sog. «unechten Reserven»,
d. h. Passivposten, die der Korrektur gewisser in der Bilanz zu hoch
bezifferter Aktiven dienen, sind trotz ihrer Bezeichnung keine wirklichen
Reserven (Reinvermögen) und unterliegen daher der Wehrsteuer nicht. Der WStB
will die gesamten eigenen Einsatzmittel der Gesellschaft erfassen. «Unechte
Reserven», wie Delcredere-Konten, Wertberichtigungsposten u. dgl., sind keine
Einsatzmittel; nach dem Sinn der Bestimmung, die sich nur auf «echte Reserven»
bezieht, sind sie der Ergänzungssteuer nicht unterworfen.
3.- Die Beschwerdeführerin macht nun gerade geltend, ihre sog.
Sanierungsreserve sei keine echte Reserve,

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sondern ein Wertberichtigungsposten zum Ausgleich der Liegenschaften und
Mobilien, die auch nach der Sanierung in der Bilanz noch zu übersetzten Werten
eingestellt geblieben seien. KWRK und eidg. Steuerverwaltung bestreiten diese
Darstellung und werfen ihr vor, sie stehe im Widerspruch zu der früheren
Stellungnahme der Beschwerdeführerin, wonach die Sanierungsreserve zum
Auffangen künftiger Geschäftsverluste bestimmt sei, und zu der Tatsache, dass
sie hiefür und für Renovationen verwendet wurde; sie bestreiten auch, dass die
Aktiven in der Bilanz überbewertet seien, und machen endlich geltend, offene
Reserven seien ohne Rücksicht auf ihren wirklichen Wert gemäss den Angaben in
der Bilanz zu besteuern.
Die Sanierungsreserve entstammt Buchgewinnen, die aus Verzichten der
Aktionäre, Obligationäre und Gläubiger zum Zwecke der Sanierung entstanden
waren und keine effektiven Einnahmen darstellten. Dieselben wurden in der
Hauptsache zu Abschreibungen auf den Liegenschaften und dem Mobiliar
verwendet, zum Teil aber zurückgestellt, um die in den weiteren Kriegsjahren
mit Sicherheit noch zu erwartenden Geschäftsverluste aufzufangen. Eine
Täuschung der Aktionäre und Obligationäre in dem Sinne, dass die
Sanierungsreserve wirklichen Einnahmen entspringe und frei verfügbares
Vermögen darstelle, erscheint als ausgeschlossen; aber auch in der
Öffentlichkeit dürfte, die Bezeichnung als «Sanierungsreserve» hierüber keinen
Irrtum haben aufkommen lassen. Für ihren Charakter als echte oder unechte
Reserve ist nicht entscheidend, ob sie ausdrücklich als
Wertberichtigungsposten oder unter einer anderen Bezeichnung und zu einem
anderen Zwecke in die Bilanz aufgenommen wurde, sondern einzig, ob sie
tatsächlich durch die vorhandenen Aktiven gedeckt war oder nicht. Ob der aus
der Sanierung entstandene Buchgewinn gänzlich zu Abschreibungen verwendet oder
zum Teil zum Auffangen künftiger Verluste zurückgestellt und dann auch hiefür
gebraucht wurde, wirkt sich auf den

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tatsächlichen Vermögensstand nicht aus- und nur hierauf kommt es an. Da
Reserven immer Reinvermögen sind, liegt eine echte Reserve in einem in der
Bilanz aufgeführten Passivposten - ganz unabhängig von seiner Bezeichnung und
Bestimmung - nur dann, wenn er durch die Aktiven gedeckt ist. Und zwar ist
dabei für die Wehrsteuer nicht auf den Bilanzwert abzustellen, sondern auf die
massgebenden Bewertungsvorschriften, d. h. auf Art. 56 und, gemäss dessen
Verweisung, auf Art. 30 -36 WStB (Entscheid vom 22. Dezember 1946 i. S. Société
immobilière Le Logis Salubre A, Erw. 2, nicht publiziert).
4.- Die von der KWRK und der eidg. Steuerverwaltung vertretene Auffassung,
Art. 48 lit. b WStB unterwerfe die offenen Reserven der Ergänzungssteuer auf
Grund ihrer formalen Aufführung in der Bilanz und unbekümmert darum, ob sie
echte oder unechte Reserven seien, lässt sich nicht halten. Nur für das
einbezahlte Grund-bezw. Stammkapital stellt er auf ein formales Moment ab,
nämlich auf den Eintrag im Handelsregister, und besteuert es in diesem Umfang
auch dann, wenn es nicht mehr gedeckt ist. Für die Reserven sieht er kein
solches formales Moment vor, sodass nur wirkliche Reserven erfasst werden,
deren Vorhandensein nicht durch die Bilanz, sondern durch das tatsächliche
Reinvermögen bestimmt wird. Das ergibt sich mit aller Deutlichkeit daraus,
dass neben den offenen auch die stillen Reserven genannt werden, die ja schon
ihrem Begriffe nach aus der Bilanz nicht ersichtlich sind. Art. 48 lit. b WStB
bietet keine Grundlage dafür, bei den offenen Reserven im Gegensatz zu den
stillen nicht auf den wirklichen Wert, sondern auf die Angaben in der Bilanz
abzustellen, also auch «unechte Reserven» zu erfassen. Freilich hat die
staatsrechtliche Abteilung des Bundesgerichts in einem Urteil vom 23. Februar
1924 i. S. Zürcher Depositenbank i. L.-auf Grund der ähnlichen Regelung von §
31 Z. 3 des Zürcher Steuergesetzes-eine derartige formale Berechnung der
Steuer zugelassen; allein sie hatte den angefochtenen kantonalen Entscheid nur

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unter dem Gesichtspunkt der Willkür zu überprüfen und verneinte eine solche.
Bei freier Kognition, wie sie dem Verwaltungsgericht hinsichtlich der
Anwendung des WStB gemäss Art. 104 Abs. 1 OG zusteht, kann dieses Vorgehen
nicht geschützt, sondern muss im Bestreitungsfalle geprüft werden, ob die in
der Bilanz ausgewiesenen Reserven wirklich vorhanden, d. h. durch die Aktiven
gedeckt sind (Urteile vom 23. März 1945 i. S. Società dei terreni alla Maggia
S.A., S. 7, und vom 22. November 1946 i. S. Société immobilière Le Logis
Salubre A, nicht publiziert).
5.- Ob und allenfalls in welchem Umfang die in der Bilanz der
Beschwerdeführerin per 30. November 1942 aufgeführte Sanierungsreserve eine
echte, der Ergänzungssteuer unterliegende Reserve darstellt, hängt mithin
davon ab, ob und inwieweit sie im genannten Zeitpunkt durch die vorhandenen
Aktiven gedeckt war. Hiefür ist nicht die Bilanz massgebend, sondern die
Bewertungsgrundsätze des WStB; es fragt sich, ob nach diesen der in der Bilanz
eingestellte Wert der Aktiven übersetzt sei. Die Aktiven entfallen zum weitaus
grössten Teil auf Liegenschaften und auf Mobiliar; die anderen Posten spielen
daneben nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist somit die Frage, ob
die Liegenschaften und das Mobiliar in der Bilanz per 30. November 1942
überbewertet waren, wie die Beschwerdeführerin behauptet. Die KWRK und die
eidg. Steuerverwaltung verneinen das, aber nicht auf Grund einer Prüfung der
tatsächlichen Werte, sondern nur mit dem Argument, die Bestimmung und
Verwendung zur Deckung von Geschäftsverlusten spreche dagegen und die dadurch
bewirkte buchmässige Aufwertung wäre pflichtwidrig gewesen. Allein diese
Argumentation richtet sich nur gegen die Annahme, die Sanierungsreserve sei
zum Zwecke der Wertberichtigung in die Bilanz aufgenommen worden, und hat mit
dem wirklichen Wert der Aktiven nichts zu tun. Es braucht deshalb nicht darauf
eingegangen zu werden; denn es kommt nicht darauf an, wozu der Bilanzposten
bestimmt war, sondern einzig darauf, ob er

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tatsächlich durch die Aktiven gedeckt war. Das ist auf Grund der einschlägigen
Vorschriften des WStB zu prüfen, d. h. der Art. 30-35, auf welche in Art. 56
für die Bewertung der Vermögensbestandteile juristischer Personen verwiesen
wird. Da eine solche Prüfung bisher von den kantonalen Behörden gar nicht
vorgenommen wurde, ist die Sache hiezu und zu darauf gestützter neuer
Entscheidung an sie zurückzuweisen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 73 I 62
Date : 01. Januar 1947
Published : 21. Februar 1947
Source : Bundesgericht
Status : 73 I 62
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Wehrsteuer: Passivposten der Bilanz, die lediglich der Korrektur zu hoch bezifferter Aktiven dienen...


Legislation register
OG: 104
WStB: 30  36  48  56
BGE-register
73-I-62
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