S. 422 / Nr. 66 Zollsachen (d)
BGE 73 I 422
66. Auszug aus dem Urteil vom 19. Dezember 1947 i.S. Peter gegen
Oberzolldirektion.
Regeste:
Beschlagnahme des Zollpfandes. Voraussetzungen. Rechtsstellung desjenigen, der
für die durch das Pfand gesicherten Forderungen nicht persönlich haftet und
das Eigentum am beschlagnahmten Gegenstand geltend macht (Art. 122 Abs. 2
ZollG).
Séquestre du gage. Conditions. Position juridique de celui qui ne répond pas
personnellement des créances garanties par le gage et qui invoque la propriété
de l'objet séquestré (art. 122 al. 2 loi sur les douanes).
Sequestro del pegno. Condizioni. Posizione giuridica di chi non risponde
personalmente dei erediti garantiti dal pegno e fa valere la proprietà
dell'oggetto sequestrato (art. 122 cp. 2 della legge sulle dogane).
A. Peter, Pauli und Spieser waren Mitglieder der Bekleidungsgenossenschaft
«Textilia» in Zürich. Peter hielt sich zeitweilig in Italien auf, wo er
polizeilich angemeldet war. Im Mai oder Juni 1946 kauften er und Pauli mit
dessen Geld in Mailand ein Automobil «Alfa Romeo». Die für den Verkehr
erforderlichen Papiere liessen sie auf den Namen Peters ausstellen, da auf
denjenigen Paulis, der in der Schweiz wohnte, kein Grenzpassierscheinheft
(carnet de passages en douanes) erhältlich war. Peter
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verpflichtete sich, die für den Kauf vorgestreckte Summe an Pauli
zurückzuzahlen und ihn an einem Gewinn, der bei einem Wiederverkauf erzielt
würde, zu beteiligen. In der Folge ergaben sich zwischen Spieser und Pauli
einer- und Peter anderseits Differenzen. Am 21. August 1946 wurde vereinbart,
dass das Automobil an diesem Tage in den Besitz Paulis übergehe, womit das
Darlehensverhältnis dahinfalle; von einer Änderung der Ausweispapiere werde
abgesehen, bis der Wagen an eine Drittperson verkauft sei. Tags darauf
verbrachten Spieser und Pauli unter Verwendung des Grenzpassierscheinheftes,
das sich Peter verschafft hatte, den Wagen in die Schweiz, um ihn hier zu
verkaufen. Dadurch wurden Abgaben (Einfuhrzoll von Fr. 2130. und
Warenumsatzsteuer von Fr. 411.80) umgangen und das Verbot, Automobile ohne
besondere Bewilligung einzuführen, verletzt. Das Zollinspektorat Zürich
leitete deshalb eine Untersuchung ein und beschlagnahmte am 26. August 1946
den Wagen als Beweismittel und Zollpfand, indem es dem Besitzer Spieser
untersagte, darüber zu verfügen.
Peter stellte sich auf den Standpunkt, dass das Automobil nach wie vor ihm
gehöre. Der «Kaufvertrag» vom 21. August 1946 sei ungültig. Massgebend sei,
dass das Fahrzeug in den amtlichen italienischen Registern und Ausweisen auf
seinen, Peters, Namen eingetragen sei. Spieser und Pauli hätten es ihm trotz
seiner Einsprache als Sicherheit für die Darlehensforderung weggenommen. Er
habe nicht gewusst, dass es in die Schweiz überführt werden sollte. Das Carnet
de passages sei heimlich aus seiner Aktentasche gezogen worden. Er verlangte
deshalb die Freigabe des Wagens
Die Oberzolldirektion lehnte die Beschwerde am 30. April 1947 ab. Sie führte
aus, die Beschlagnahme des Automobils als Pfand für die geschuldeten Abgaben
und für die Zollbussen, welche gegen die in der hängigen Strafuntersuchung
noch festzustellenden Beteiligten auszusprechen seien, bestehe zu Recht und
könne nicht
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aufgehoben werden (Art. 120, 121 ZollG). Dem Beschwerdeführer bleibe das Recht
gewahrt, sich einer allfälligen späteren Verwertung des Pfandes zu
widersetzen, sofern er die in Art. 122 Abs. 2 ZollG umschriebenen
Voraussetzungen erfülle.
Am 7. Juni 1947 verfügte das eidg. Zolldepartement gegen Spieser und Pauli
Bussen von je Fr. 2333.33.
B. Peter hat gegen den Entscheid der Oberzolldirektion vom 30. April 1947
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Er hält am Begehren um Freigabe des
Automobils fest. Eventuell sei die Angelegenheit an die Oberzolldirektion
zurückzuweisen, da der angefochtene Entscheid auf einer unvollständigen
Feststellung des Sachverhaltes beruhe. Fest stehe, dass der Beschwerdeführer
Eigentümer des Alfa Romeo sei.
C. Die Oberzolldirektion beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Sie räumt
ein, dass die Beschlagnahme ihre Berechtigung verlöre, wenn voraussichtlich
die Verwertung infolge Bestreitung durch den Eigentümer (Art. 122 Abs. 2
ZollG) nicht durchgeführt werden könnte. Der Beschwerdeführer habe aber bis
jetzt nicht nachzuweisen vermocht, dass er Eigentümer sei.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
2. Die Beschlagnahme von Waren, an denen die Zollverwaltung ein
Zollpfandrecht geltend macht, bezweckt zu verhindern, dass der Besitzer über
den Gegenstand dieses Rechtes verfüge (Art. 121 ZollG; Art. 119, 138 der
Vollziehungsverordnung vom 10. Juli 1926, ZollV; Art. 288 BStP). Es ist klar,
dass die Verwaltung sie anordnen kann, bevor das Zollpfandrecht selbst und die
Forderungen (Abgaben, Gebühren, Bussen und Kosten, Art. 120 ZollG), zu deren
Sicherung es dient, endgültig festgestellt sind. Voraussetzung ist nur, dass
nach den bisherigen amtlichen Erhebungen mit genügender Wahrscheinlichkeit das
Bestehen eines Zollpfandrechtes
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angenommen werden kann und dass ausserdem die erfasste Ware auch wirklich als
Gegenstand dieses vermutlichen Rechts in Betracht kommt (Art. 120 ZollG; Art.
288 , 314 BStP). Ebenfalls nur in diesem beschränkten Rahmen (prima facie) kann
die Beschlagnahme auf Beschwerde nach Art. 121 Abs. 2 ZollG hin überprüft
werden.
Hier liegt nichts dafür vor, dass der Beschlagnahme die Grundlage gefehlt
habe. Es bestand für die Vorinstanz kein Anlass zu einer gegenteiligen
Entscheidung. Sie brauchte mit der Beurteilung der Beschwerde Peters gegen die
Beschlagnahme durchaus nicht bis zum Abschluss des Strafverfahrens zuzuwarten.
Der Sachverhalt war im Zeitpunkt ihrer Entscheidung genügend abgeklärt.
3. Die Beschlagnahme des Zollpfandes ist selbst dann zulässig, wenn jemand,
der für die dadurch gesicherten Forderungen nicht persönlich haftet, geltend
macht, dass der beschlagnahmte Gegenstand sein Eigentum sei und ihm gegen
seinen Willen und rechtswidrigerweise weggenommen und zur Begehung einer
Widerhandlung benutzt worden sei. Falls er dies nachweist, muss allerdings die
Verwertung des Pfandes unterbleiben (Art. 122 Abs. 2 ZollG, Art. 145 ZollV,
Art. 315 BStP); dagegen sieht das Gesetz nicht vor, dass durch solchen
Nachweis auch schon die Beschlagnahme ausgeschlossen wird. Immerhin soll diese
Massnahme in der Regel nicht verfügt bezw. nicht aufrecht erhalten werden,
sobald feststeht, dass die Verwertung nicht wird durchgeführt werden können,
weil ihr ein besseres Recht im Sinne von Art. 122 Abs. 2 ZollG und Art. 315
BStP entgegensteht (vgl. Art. 119 Abs. 4, Art. 138 ZollV). Daraus folgt, dass
auch dann, wenn ein solches Recht schon im Stadium der Beschlagnahme geltend
gemacht wird, der Beweis dafür einwandfrei sein muss, wie Art. 119 Abs. 4
ZollV noch besonders hervorhebt. Dabei ist zu beachten, dass durchweg der
Ansprecher für alle sein behauptetes Recht begründenden Tatsachen
beweispflichtig ist, namentlich
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auch für das Eigentum. Das geht zwar aus Art. 122 Abs. 2 ZollG nicht,
jedenfalls nicht deutlich, hervor, wohl aber aus Art. 315 BStP und Art. 119,
145 ZollV.
4. Im vorliegenden Falle hat der Beschwerdeführer seine bessere Berechtigung
nicht nachgewiesen, obwohl er hiezu im Verfahren vor der Verwaltung und auch
noch vor Bundesgericht ausreichend Gelegenheit gehabt hätte. ... Immerhin
bleibt ihm die Möglichkeit vorbehalten, seinen Anspruch besser zu begründen,
wenn es zur Verwertung des Pfandes kommt.