S. 387 / Nr. 59 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 73 I 387

59. Urteil vom 5. Dezember 1947 i.S. F. gegen Basel-Stadt, Regierungsrat.


Seite: 387
Regeste:
Militärpflichtersatz: Ein Wehrpflichtiger, der zwar diensttauglich erklärt
worden ist, aber keine Rekrutenschule bestanden hat kann die
Militärdienstpflicht nicht erfüllen und wird daher ersatzpflichtig.
Taxe d'exemption du service militaire: Un militaire, qui a été déclaré apte au
service, mais qui n'a pas accompli une école de recrues, ne peut pas faire du
service militaire proprement dit; il est par conséquent astreint au paiement
de la taxe d'exemption.
Tassa d'esenzione dal servizio militare: Un milite che è stato dichiarato
abile al servizio, ma non ha fatto une scuola di reclute, non può prestare
servizio militare vero e proprio ed è quindi assoggettato al pagamento della
tassa d'esenzione.

A. ­ Der Beschwerdeführer wurde, nachdem er nach 45 tägigem Dienst aus der
Rekrutenschule in ein Militärspital eingewiesen worden war, am 17. August 1923
wegen eines Nasenleidens hilfsdiensttauglich erklärt. Er bezahlte für die
Jahre 1923-1939 den Militärpflichtersatz. Im Jahre 1937 wurde er im Luftschutz
eingeteilt. Bei der sanitarischen Nachmusterung vom 20. Januar 1940 wurde er
diensttauglich erklärt. Er wurde indessen nicht um

Seite: 388
geteilt, so dass er den ganzen Aktivdienst 1939-1945 beim Luftschutz
absolvierte.
Für das Jahr 1946 wurde er als im Hilfsdienst Eingeteilter wieder zum
Militärpflichtersatz herangezogen. Seine Einsprache wurde abgewiesen, zuletzt
durch Rekursentscheid des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt vom 12.
September 1947.
B. ­ Gegen diesen Entscheid richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit
dem Antrage, er sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass der
Beschwerdeführer als diensttauglicher Wehrmann für das Jahr 1946 keinen
Militärpflichtersatz zu leisten habe. Der Begründung ist zu entnehmen: Der
Regierungsrat berufe sich zu Unrecht darauf, dass die Diensttauglicherklärung
bei der Nachmusterung nur «bedingt» gewesen sei. Das Gesetz sehe eine solche
Bedingung nicht vor. Die in Art. 13 MStV aufgeführten Voraussetzungen der
Ersatzpflicht träfen auf den Beschwerdeführer nicht zu: Weder sei er aus
sanitarischen oder andern Gründen von der Erfüllung der Dienstpflicht
ausgeschlossen, noch habe er einen Dienst versäumt. Vielmehr sei er im Jahre
1946 einfach zu keinem Dienst aufgeboten worden. Freilich habe der BRB vom 27.
Aug. 1947 (A.S. 63, 945), auf den sich der Regierungsrat berufe, die
militärische Stellung der sanitarisch Nachgemusterten neu umschrieben, aber
mit Wirkung erst vom 1. Januar 1947 an. Das bedeute, dass der nachgemusterte
Diensttaugliche bis Ende 1946 als Militärdienstpflichtiger gegolten habe. Der
Beschwerdeführer dürfe daher für 1946 nicht als Hilfsdienstpflichtiger
betrachtet und zum Militärpflichtersatz herangezogen werden.
C. ­ Der Regierungsrat und die eidg. Steuerverwaltung beantragen, die
Beschwerde sei abzuweisen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Nach Art. 1 Abs. 2 MO umfasst die Wehrpflicht des Schweizers die
Militärdienstpflicht (Pflicht zur persönlichen

Seite: 389
Leistung des Militärdienstes in Auszug, Landwehr und Landsturm), die
Hilfsdienstpflicht (Pflicht zur persönlichen Leistung von Diensten in einer
Gattung der Hilfsdienste) und die Militärsteuerpflicht (Pflicht zur Bezahlung
eines Ersatzes). Gemäss Art. 3
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 3 - 1 Dem Militärstrafrecht unterstehen:
1    Dem Militärstrafrecht unterstehen:
1  Dienstpflichtige während ihres Militärdienstes, ausgenommen Urlauber für strafbare Handlungen nach den Artikeln 115-137b und 145-179, die keinen Zusammenhang mit dem Dienst der Truppe haben;
2  die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Militärverwaltung des Bundes und der Kantone für Handlungen, die die Landesverteidigung betreffen, ebenso wenn sie in Uniform auftreten;
3  Dienstpflichtige, die ausserhalb des Dienstes in Uniform auftreten, für strafbare Handlungen nach den Artikeln 61-114 und 138-144;
4  Dienstpflichtige ausserhalb des Dienstes in Bezug auf ihre militärische Stellung und ihre dienstlichen Pflichten sowie ehemalige Dienstpflichtige, soweit ihre dienstlichen Pflichten nicht erfüllt sind.
5  Stellungspflichtige mit Bezug auf ihre Stellungspflicht sowie während des Orientierungstags und während der Dauer der Rekrutierungstage;
6  Berufs- und Zeitmilitärs, die Angehörigen des Grenzwachtkorps sowie Personen, die nach Artikel 66 des Militärgesetzes vom 3. Februar 19957 Friedensförderungsdienst leisten, während der Ausübung des Dienstes, ausserhalb des Dienstes mit Bezug auf ihre dienstlichen Pflichten und ihre dienstliche Stellung oder wenn sie die Uniform tragen;
7  Zivilpersonen oder ausländische Militärpersonen, die sich schuldig machen der landesverräterischen Verletzung militärischer Geheimnisse (Art. 86), der Sabotage (Art. 86a), der Schwächung der Wehrkraft (Art. 94-96), der Verletzung militärischer Geheimnisse (Art. 106) oder des Ungehorsams gegen militärische und behördliche Massnahmen, die der Vorbereitung oder Durchführung der Mobilmachung der Armee oder der Wahrung des militärischen Geheimnisses dienen (Art. 107);
8  Zivilpersonen oder ausländische Militärpersonen für Taten nach den Artikeln 115-179, die sie als Angestellte oder Beauftragte der Armee oder der Militärverwaltung im Zusammenwirken mit der Truppe begehen;
9  Zivilpersonen und ausländische Militärpersonen, die im Ausland gegen einen Angehörigen der Schweizer Armee eine Tat nach dem sechsten Abschnitt (Art. 108 und 109) oder dem sechsten Abschnittbis (Art. 110-114) des zweiten Teils oder nach Artikel 114a begehen.
2    Die Personen nach Absatz 1 Ziffern 1, 2, 6 und 8 unterstehen für die ganze Dauer ihres Auslandeinsatzes dem Militärstrafrecht, wenn sie im Ausland eine nach diesem Gesetz strafbare Handlung begehen.
daselbst (und Art. 1
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
MStG) hat die
Militärsteuer zu bezahlen, wer die «Militärdienstpflicht» nicht erfüllt, d. h.
wer im Sinne von Art. 1 Abs. 2 MO keinen persönlichen Militärdienst in Auszug,
Landwehr oder Landsturm leistet. Danach ist auch der Hilfsdienstpflichtige
grundsätzlich steuerpflichtig; nur in den Jahren, in denen er Instruktions-
oder Aktivdienst leistet, ist er je nach der Dauer dieser Dienstleistungen
ganz oder teilweise von der Steuerpflicht befreit (Art. 20 bis
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
MO). Freilich
ist in den romanischen Texten des Art. 3
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
MO «Militärdienstpflicht» schlechthin
mit «service personnel» bzw. «servizio personale» wiedergegeben. Diese
Fassungen sind jedoch ungenau. Gemeint ist im Sinne von Art. 1 Abs. 2 MO
lediglich der «service personnel dans l'élite, la landwehr et le landsturm
(service militaire proprement dit)» bzw. «servizio personale nell'attiva,
nella landwehr e nella landsturm (servizio militare vero e proprio)», nicht
auch der «service personnel dans une catégorie des services complémentaires
(service complémentaire)» bzw. «servizio personale in una categoria dei
servizi complementari (servizio complementare)». Dass der deutsche Text des
Art. 3
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
MO massgebend ist, kann nach dem Zusammenhang der Bestimmung mit Art. 1
Abs. 2 und Art. 20 bis nicht zweifelhaft sein.
Nun ist allerdings die Diensttauglichkeit die Voraussetzung zur persönlichen
Leistung des Militärdienstes (Art. 3
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
und 8
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
MO). Wenn aber ein Diensttauglicher
nicht in eine Heeresklasse (Auszug, Landwehr oder Landsturm, Art. 35
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
MO)
eingeteilt wird, kann er die Militärdienstpflicht nicht erfüllen und wird
ersatzpflichtig. In eine Heeresklasse wird er indessen nach dem System des
schweizerischen Milizheeres nur eingeteilt, wenn er eine

Seite: 390
volle Rekrutenschule (Art. 118
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
MO) bestanden hat, militärisch genügend
ausgebildet («ausexerziert») ist (vgl. Art. 17 der Verordnung vom 3. November
1908 über das Aufgebot zum Instruktionsdienst, über Begehren um Dispensation
und über das Nachholen versäumten Dienstes, A.S. 24, 1016; Ziff. 199, 204 der
Instruktion von 1941 über die sanitarische Beurteilung der Wehrpflichtigen).
Mit diesem Ergebnis steht Art. 13 MStV durchaus in Einklang. Er bestätigt in
erster Linie, dass ersatzpflichtig sind die Wehrpflichtigen, welche die
Militärdienstpflicht nicht erfüllen, und nennt sodann in lit. a und b
lediglich als Beispiele von Ersatzpflichtigen («insbesondere») die
Wehrpflichtigen, die aus sanitarischen oder andern Gründen von der Erfüllung
der Dienstpflicht befreit oder ausgeschlossen sind, sowie die
Dienstpflichtigen, welche den ihnen obliegenden Dienst versäumen.
Die Ordnung, wonach als Militärdienstpflichtiger im Sinne der
Militärorganisation und des Militärsteuerrechtes nur anzusehen ist, wer eine
Rekrutenschule bestanden hat, gilt auch für die gemäss BRB vom 10. November
1939 (A.S. 55, 1394) sanitarisch Nachgemusterten, und zwar nicht erst seit
Ende 1946, wie der Beschwerdeführer unter Berufung auf den BRB vom 27. August
1947 meint. Dieser Beschluss bestimmt über die militärische Stellung der
Nachgemusterten im wesentlichen nichts Neues; er verdeutlicht lediglich, was
schon bisher der gesetzlichen Regelung zu entnehmen war.
2. ­ Der vorher hilfsdiensttaugliche Beschwerdeführer wurde bei der
Nachmusterung vom 20. Januar 1940 freilich diensttauglich befunden. Er wurde
jedoch nicht in eine Heeresklasse eingeteilt. Das wäre nur möglich gewesen,
wenn der Tauglichkeitsbefund durch eine Ter. U. C. bestätigt worden wäre und
wenn der Beschwerdeführer zudem «ausexerziert» wäre, was beides nicht der Fall
ist. Vielmehr blieb der Beschwerdeführer beim Luftschutz eingeteilt, also bei
der vierten Hilfsdienstgattung (Art. 8 der Verordnung über die Hilfsdienste
vom

Seite: 391
3. April 1939, A.S. 55, 352), wo er seinen Aktivdienst leistete. Als
Hilfsdienstpflichtiger ist er aber grundsätzlich der Militärsteuerpflicht
unterworfen. Da er im Jahre 1946 weder Instruktions- noch Aktivdienst im Sinne
des Art. 20 bis
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
MO geleistet hat, ist er für dieses Jahr ersatzpflichtig.
Dass er damals zu keinem Dienste aufgeboten wurde, ändert daran nichts. In
dieser Beziehung unterscheidet sich die ersatzrechtliche Stellung des
Hilfsdienstpflichtigen von derjenigen des Militärdienstpflichtigen Dieser ist
grundsätzlich ersatzfrei und wird nur in den Jahren ersatzpflichtig, in denen
er einen ihm obliegenden Dienst nicht leistet, während jener umgekehrt während
der ganzen Dauer der Militärdienstpflicht, vom zwanzigsten bis zum
achtundvierzigsten Lebensjahre (Art. 2 Abs. 1
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
MO), ersatzpflichtig ist und nur
in den Jahren ganz oder teilweise ersatzfrei wird, in denen er Dienst leistet.
Im ersten Falle ist die Steuerleistung der Ersatz für einen versäumten Dienst;
im zweiten wird sie aus einem allgemeinen Grunde, nicht im Hinblick auf
bestimmte, nicht geleistete Dienste, geschuldet (BGE 56 I 40 Erw. 2).
Da der Beschwerdeführer nach der ausdrücklichen Regelung des BRB vom 27.
August 1947 auch über das Jahr 1946 hinaus bloss als Hilfsdienstpflichtiger
gilt, ist er für die Jahre 1947 ff. ebenfalls ersatzpflichtig, wobei Art. 20
bis
SR 321.0 Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 (MStG)
MStG Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
MO wiederum vorbehalten bleibt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 73 I 387
Date : 01. Januar 1947
Published : 05. Dezember 1947
Source : Bundesgericht
Status : 73 I 387
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Militärpflichtersatz: Ein Wehrpflichtiger, der zwar diensttauglich erklärt worden ist, aber keine...


Legislation register
MO: 1  2  3  8  20bis  35  118
MStG: 1  3
MStV: 13
BGE-register
56-I-37 • 73-I-387
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
basel-stadt • cantonal council • cantonal remedies • condition • corn • decision • duration • federal court • fitness for service • member of the armed forces • obligation • statement of reasons for the adjudication • substitutional law