S. 252 / Nr. 35 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 73 I 252

35. Urteil vom 10. Oktober 1947 i. S. G. gegen Wehropfer Rekurskommission des
Kantons Zürich.

Regeste:
Wehropfer: Der Geschäftswert einer Unternehmung ist bei Feststellung des
steuerbaren Vermögens nicht anzurechnen, soweit er sich nicht auf den Wert von
Gegenständen des Anlagevermögens (Sachgütern und Rechten) auswirkt.
Sacrifice de défense nationale: Dans la mesure où elle n'est pas constituée
par des éléments du fonds d'exploitation (biens matériels et droits), la
valeur commerciale d'une entreprise ne doit pas être comprise dans le montant
de la fortune imposable.
Sacrificio per la difesa nazionale: Nella misura in cui non comprende elementi
del fondo d'esercizio (beni materiali e diritti), il valore commerciale
d'un'azienda non dev'essere incluso nell'ammontare della sostanza imponibile.

A. ­ Der Beschwerdeführer hat im Jahre 1938 eine Apotheke erworben, wobei er,
ausser dem Wert von Warenlager, Mobiliar und Einrichtung, einen
Kundschaftswert (Goodwill) von ungefähr Fr. 25140.­ zu vergüten hatte. Es ist
unbestritten, dass in dem Goodwill keinerlei Rechte (Markenrechte, Patente,
Verfahren oder Rechte anderer

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Art) inbegriffen sind. Am Ende des Geschäftsjahres 1941/42 war der Goodwill
auf Fr. 14000.­ abgeschrieben, Ende 1943/44 auf Fr. 8500.­.
B. ­ Bei der Einschätzung zum neuen Wehropfer ist in die Berechnung des
steuerbaren Vermögens ein Posten «Goodwill Fr. 14000.­» einbezogen worden.
Eine Einsprache gegen diese Einschätzung ist abgewiesen worden mit der
Begründung, effektiv bezahlter und in der Bilanz aktivierter Goodwill stelle
wehropferpflichtiges Vermögen dar. Die Wehropfer-Rekurskommission des Kantons
Zürich hat die Einschätzung bestätigt und dazu im Wesentlichen ausgeführt, es
handle sich um die Abschreibung des Goodwills von Fr. 14000.­, welche in der
Einschätzung nicht zugelassen wurde: Das Bundesgericht habe in seinem
Entscheide vom 2. April 1941 i. S. Mühlebach S. A. (Archiv 10 S. 86)
festgestellt, dass Abschreibungen des Postens Goodwill nur zulässig seien,
wenn im betreffenden Geschäftsjahr tatsächlich eine Wertverminderung
eingetreten sei. Hier sei der Einschätzung mit Recht der Betrag zu Grunde
gelegt worden, der dem Buchwert am 31. Oktober 1942 entsprach. Denn angesichts
des fortgesetzt steigenden Geschäftsumsatzes könne sich der Pflichtige nicht
darauf berufen, der Kundschaftswert müsse wegen Geschäftsrückgang herabgesetzt
werden. Demgemäss wurde die Einschätzung für Fr. 38500.­ beim Wehropfer
steuerbaren Vermögen bestätigt.
C. ­ Hiegegen richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Zur Begründung wird ausgeführt, der
Goodwillposten dürfe nicht zum steuerbaren Vermögen gerechnet werden, da als
reines Vermögen (Art. 5 WOB II) neben den einer Person zustehenden Sachen nur
geldwerte Rechte angesehen werden könnten. Ein Goodwill aber sei kein Recht.
Er geniesse überhaupt keinen rechtlichen Schutz. Wie er sich geschäftlich
auswirke, sei ganz ungewiss, ebenso, ob er überhaupt je realisiert werden
könne. Dass er in der Bilanz des Beschwerdeführers ausgewiesen

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werde (1944 noch mit Fr. 8500.­) sei ohne Bedeutung. Das Wehropfer erfasse das
Vermögen nach seinem Verkehrswert und sehe dabei von der Buchhaltung
vollständig ab. Die Behaftung des Beschwerdeführers bei seiner Buchhaltung
würde insofern eine Ungerechtigkeit bedeuten, als es zahlreiche Fälle gebe, wo
der Goodwill nicht oder nicht mehr in der Bilanz erscheine. In der Begründung
des angefochtenen Entscheides werde übersehen, dass es sich nicht um die
Berechnung des steuerbaren Einkommens, sondern des Vermögens handle.
D. ­ Die kantonale Rekurskommission verweist auf das Urteil i. S. Marbaise.
Das kantonale Steueramt bemerkt, bei den kantonalen Steuern habe der
Pflichtige den Goodwill stets als steuerbares Vermögen deklariert und damit
kund getan, dass er diesem einen Verkehrswert beimesse. Hiezu setze er sich
nun in Widerspruch. Der Verkehrswert des Goodwill dürfe ohne Bedenken mit Fr.
14000.­ angenommen werden.
Die eidg. Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde gutzuheissen.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde geschützt
in Erwägung:
1. ­ Es handelt sich nicht, wie nach der Begründung ihres Entscheides die
kantonale Rekurskommission anzunehmen scheint, um die Abschreibung des
Goodwills von Fr. 14000.­, sondern um die Frage, ob der Goodwill dem
Beschwerdeführer als ein Bestandteil des steuerbaren Vermögens angerechnet
werden darf. Der Betrag von Fr. 14000.­ ist in die Steuerberechnung
aufgenommen worden, weil der Goodwill so in der Jahresbilanz 1941/42
ausgewiesen war und angenommen wurde, er habe seither jedenfalls nicht
abgenommen. Die inzwischen, bis zu dem für das Wehropfer massgebenden
Stichtag, vorgenommenen Abschreibungen blieben demgemäss unberücksichtigt.
Anderseits geht das Begehren des

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Steuerpflichtigen, den Goodwill ganz ausser Betracht zu lassen, über das, was
am Stichtag abgeschrieben war, weit hinaus. Die Frage stellt sich also
selbständig, unabhängig von den Abschreibungen, die am Stichtag in den Büchern
des Beschwerdeführers vorgenommen waren. Es ist anderseits aber auch nicht
behauptet worden, der Goodwill (Geschäftswert) habe am Stichtage überhaupt
nicht mehr bestanden. Im Falle Marbaise war es anders; dort wurde angenommen,
der Goodwill sei am Stichtage kein bilanzfähiges Aktivum mehr gewesen, und die
Zurechnung zum steuerbaren Vermögen wurde mit dieser Begründung abgelehnt.
Hier war der Goodwill noch in den Büchern ausgewiesen, wenn auch nicht mit dem
in der Einschätzung angerechneten Betrage.
2. ­ Wie ein in der Bilanz ausgewiesener Geschäftswert bei eidgenössischen
Steuern auf dem Vermögen zu behandeln ist, hat das Bundesgericht bisher nicht
entschieden. Dagegen war bei Einschätzungen für Geschäftserträgnisse
(Erwerbseinkommen) zu prüfen, ob Abschreibungen auf dem Geschäftswert zum
Abzuge zugelassen werden können. Das Bundesgericht hat den Abzug in zwei
Fällen abgelehnt (Entscheide vom 18. Juni 1931 i. S. Frey und 2. Juni 1941 i.
S. Mühlebach). Es ist aber mit den Entscheiden vom 21. März 1947 i. S.
Salvisberg und Marbaise auf diese Stellungnahme zurückgekommen und hat sich im
Hinblick auf die Praxis der staatsrechtlichen Abteilung (Urteil vom 30.
September 1938 i. S. Noba S.A. und spätere Entscheide) der Auffassung
angeschlossen, die sich in der Zürcher Steuerpraxis durchgesetzt hatte.
Darnach wird ein entgeltlich erworbener Goodwill als Vermögenswert und
Aktivposten der kaufmännischen Bilanz anerkannt, und es wird angenommen, dass
der Goodwill einer Entwertung unterliege, die bei der Besteuerung durch
Abschreibungen zu berücksichtigen sei. Als Grund der Entwertung wird dabei,
vor allem bei Handelsgeschäften, ein supponierter, praktisch nicht
nachweisbarer Schwund des übernommenen Geschäftswertes angesehen.

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Es wird angenommen, dass der übernommene Geschäftswert durch einen neuen, vom
neuen Betriebsinhaber geschaffenen Geschäftswert ersetzt werde. Man lässt die
Abschreibung zu, weil selbst geschaffener Geschäftswert nach schweizerischen
Bilanzgrundsätzen nicht als Bilanzaktivum anerkannt werde.
3. ­ Geht man, gestützt auf diese Praxis, davon aus, dass dem entgeltlich
erworbenen Geschäftswert wirklich ein Wert beizumessen ist, so wäre es an sich
folgerichtig, diesen Wert auch bei der Vermögenssteuer zu berücksichtigen. Es
ist nicht einzusehen, warum ein wirklich vorhandener Wert, zumal wenn er bei
konkreten Geschäftsvorfällen zu Tage getreten und daher auch dem Betrage nach
zuverlässig feststellbar ist, nicht Bestandteil steuerbaren Vermögens sollte
bilden und als solcher herangezogen werden können, wo das ganze «Reinvermögen»
(Art. 5 Abs. 1 WOB) zu erfassen ist. Dabei würde das «Geschäft», die
Unternehmung, als ein wirkliches Vermögensobjekt angesehen, dessen Wert in der
Gesamtorganisation, dem Rufe, der Kundschaft und dem daraus hervorgehenden
besondern Gewinn zu finden wäre (BERLINER Buchhaltungs- und Bilanzlehre, 7.
Aufl. Bd. II S. 157).
4. ­ Indessen widerspricht die Besteuerung des Geschäftswertes beim Vermögen
der schweizerischen Steuerpraxis. Diese betrachtet es als selbstverständlich,
dass ein durch Arbeit erworbener Geschäftswert, der nach schweizerischen
Bilanzierungsgrundsätzen nicht als besonderer Aktivposten ausgewiesen wird und
nicht ausgewiesen werden soll (vgl. statt anderer: KADERLI Goodwill in
Handbuch des Bank-, Geld- und Börsenwesens der Schweiz, S. 254), bei
Feststellung des steuerbaren Vermögens nicht angerechnet wird. Der
Geschäftswert einer Unternehmung wird beim Vermögen höchstens insoweit
erfasst, als er sich auf den Wert von Gegenständen des Anlagevermögens
(Sachgüter und Rechte) im Sinne einer Werterhöhung auswirkt. Als selbständiges
Vermögensobjekt kommt er bei den Vermögenssteuern jedenfalls dann nicht in
Betracht,

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wenn das Gesetz dessen Erfassung nicht ausdrücklich vorschreibt. Der
Wehropferbeschluss II enthält aber keine derartige Anordnung. Es ist daher
davon auszugehen, dass die Praxis, wonach selbstgeschaffener, also nicht gegen
Entgelt übernommener Geschäftswert nicht als selbständiger
Vermögensbestandteil angerechnet werden darf, der Ordnung des
Wehropferbeschlusses entspricht.
5. ­ Kann aber danach der Unternehmer, der über selbstgeschaffenen
Geschäftswert verfügt, für diesen nicht besteuert werden, so würde durch eine
Besteuerung des gegen Entgelt erworbenen Geschäftswertes eine
Rechtsungleichheit bewirkt, die als stossend und daher unhaltbar angesehen
werden müsste. Es besteht kein Grund, ohne gesetzliche Anordnung den
Geschäftswert, für welchen Aufwendungen gemacht wurden, bei der
Vermögenssteuer anders zu behandeln als den Geschäftswert, den der Unternehmer
anderswie erworben hat. Bei der Frage, ob ein Wertobjekt anzurechnen ist,
kommt es nicht darauf an, wie es erworben wurde, sondern lediglich darauf, ob
es dem Steuerpflichtigen am Stichtage zugestanden hat. Die Unmöglichkeit,
selbstgeschaffenen Geschäftswert als selbständiges Vermögensobjekt zu
besteuern, zieht es daher notwendig nach sich, auch den gegen Entgelt
erworbenen Goodwill als selbständigen Bestandteil steuerbaren Vermögens
auszuschliessen.
Ein unlösbarer Widerspruch zu der Behandlung des Geschäftswertes beim
Einkommen ergibt sich daraus nicht. Denn die Besteuerung des Goodwills als
Vermögensbestandteil unterbleibt, nicht weil ihm, entgegen jener Behandlung,
ein wirklicher Wert abgesprochen würde, sondern lediglich deshalb, weil die
Erfassung dieses Wertes, sein Einbezug bei Berechnung des Reinvermögens, nicht
vorgeschrieben ist.
Übrigens ist die Auffassung, die der Behandlung des entgeltlich erworbenen
Geschäftswertes bei der Besteuerung für Einkommen und Geschäftsgewinn zu
Grunde liegt, nicht die einzig mögliche. Von ihr wurde ausgegangen, um

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im Rahmen der gesetzlichen Ordnung zu einer Lösung zu gelangen, die der
Billigkeit entspricht. Es ist aber auch möglich, Aufwendungen für den Erwerb
von Geschäftsbetrieben nicht als den Preis für ein gekauftes Wertobjekt,
sondern als Entgelt für die Überlassung von Gewinnchancen anzusehen, nämlich
der Möglichkeit, ein gut rentierendes Geschäft sogleich zu erlangen, das man
sonst, mit einer Neugründung, erst nach einigen Jahren zu Stande gebracht
hätte, oder schliesslich als eine dem Vorbesitzer gewährte Beteiligung an den
künftigen, für die ersten Jahre nach der Geschäftsübernahme erwarteten
Gewinnen (vgl. BERLINER, 1. C. S. 158). Auf diesem Boden aber wäre die
Aufwendung für Geschäftswert als Ausgabe auf Rechnung späteren
Geschäftserfolges anzusehen und es würde ihr kein gegenwärtiger Vermögenswert
entsprechen. Bilanzmässig wäre der entsprechende Bilanzposten lediglich als
ein vorübergehender Ausgleichsposten für kapitalisierte Gewinnaussichten oder
als vorübergehender Ergänzungs- und Bewertungsposten für aus künftigen
Geschäftsgewinnen zu tilgende Verwendungen anzusehen. Im Rahmen einer
Vermögenssteuer, bei der die Erfassung selbsterworbenen Geschäftswertes nicht
vorgeschrieben ist, besteht auch angesichts dieser verschiedenen Möglichkeiten
der Stellungnahme kein zwingender Grund, gegen Entgelt erworbenen Goodwill
anders, ungünstiger zu behandeln als jenen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 73 I 252
Date : 01. Januar 1947
Published : 10. Oktober 1947
Source : Bundesgericht
Status : 73 I 252
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Wehropfer: Der Geschäftswert einer Unternehmung ist bei Feststellung des steuerbaren Vermögens...


BGE-register
73-I-252
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