S. 220 / Nr. 28 Doppelbesteuerung (d)

BGE 73 I 220

28. Urteil vom 19. Juni 1947 i. S. B. gegen Kantone Zürich und Luzern.

Regeste:
Art. 16 Abs. 2 BV. Kann ein Steuerpflichtiger, gegen den ein nach kantonalem
Recht endgültiger Entscheid über die Steuerhoheit erging, in einer erst im
Anschluss an das weitere Veranlagungsverfahren erhobenen staatsrechtlichen
Beschwerde wegen Doppelbesteuerung auf die Frage der Steuerhoheit
zurückkommen?
Art. 16 al. 2 Cet. Un contribuablo à l'égard duquel a été rendue sur la
question de la souveraineté fiscale, une décision définitive selon le droit
cantonal, peut-il revenir sur cette question dans un recours de droit public
pour double imposition formé seule" ment à la suite de la procédure ultérieure
de taxation?

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Art. 16 cp. 2 CF. Un contribuente, nei cui confronti è stata pronunciata
secondo il diritto cantonale una decisione sulla questione della sovranità
fiscale, può ritornare su questa questione in un ricorso di diritto pubblico
per doppia imposta inoltrato solo in seguito all'ulteriore procedura di
tassazione?

A. - Der Beschwerdeführer wurde von 1941 bis 1945 nur im Kanton Luzern
besteuert. Für 1946 wurde er am 10. Juli 1946 in Luzern veranlagt. Im Oktober
1946 verlangte auch die zürcherische Gemeinde A., wo seine Familie wohnt, eine
Steuererklärung von ihm. Als er dieser Aufforderung keine Folge leistete,
verfügte das kantonale Steueramt Zürich am 1. November 1946, dass er im Kanton
Zürich steuerpflichtig sei. Auf einen gegen diesen Entscheid erhobenen Rekurs
trat die Finanzdirektion des Kantons Zürich am 8. März 1947 wegen Verspätung
nicht ein. Am 10. Mai 1947 erhielt der Beschwerdeführer, der es unterliess,
Ausweise über sein Vermögen und Einkommen vorzulegen, von der Gemeinde A. die
Anzeige, dass er pro 1946 mit Fr. 18000.­ Einkommen und Fr. 100000.­ Vermögen
eingeschätzt worden sei.
B. ­ Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 7. Juni 1947 beantragt der
Beschwerdeführer, den Beschluss der Steuerkommission A. vom 10. Mai 1947
aufzuheben und die Steuerpflicht im Kanton Zürich zu verneinen. Eventuell
ersucht er das Bundesgericht zu entscheiden, ob Zürich oder Luzern zur
Besteuerung zuständig sei und wie sich die beiden Kantone in die Steuerhoheit
zu teilen haben. Zur Begründung führt die Beschwerdeschrift in formeller
Beziehung aus, der Beschwerdeführer habe das Recht zur
Doppelbesteuerungsbeschwerde nicht verwirkt. Das Bundesgericht habe allerdings
entschieden, dass vor der Veranlagung rechtskräftig erkannt werden müsse, ob
jemand, der die Steuerpflicht bestreite, der Steuerhoheit des betreffenden
Kantons unterstehe. Hiebei handle es sich aber nach Wortlaut und Sinn des
Urteils um «einen Anspruch des Bürgers auf Vorausbeurteilung der
Steuerhoheitsfrage». Der Steuerpflichtige könne auf dieses ausschliesslich zu
seinem Schutz verliehene Recht verzichten,

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indem er die Verfügung des Steueramtes über die Steuerhoheit unangefochten
lasse oder ein gegen sie eingeleitetes Verfahren nicht fortführe. Der
Beschwerdeführer, der in Luzern betrieben werden müsse, könnte die Einrede der
Doppelbesteuerung auch noch im Rechtsöffnungsverfahren erheben. Umso mehr sei
sie auch gegen den Taxationsentscheid zulässig.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die 30-tägige Frist für die staatsrechtliche Beschwerde wegen
Doppelbesteuerung beginnt nach Art. 89 Abs. 3 OG zu laufen, wenn ein zweiter
Kanton endgültig die Steuerhoheit in Anspruch genommen hat. Das geschah im
vorliegenden Fall durch die Verfügung des kantonalen Steueramtes Zürich vom 1.
November 1946, die kantonalrechtlich gesehen rechtskräftig wurde. Die mehr als
ein halbes Jahr nach Zustellung dieses Entscheides erhobene
Doppelbesteuerungsbeschwerde ist infolgedessen nicht fristgemäss eingereicht
worden, sodass nicht auf sie eingetreten werden kann.
Die Einwendungen, mit denen der Beschwerdeführer die Rechtzeitigkeit seiner
Beschwerde darzutun versucht, sind unbegründet. Der dem Bürger zuerkannte
Anspruch auf rechtskräftige Vorausbeurteilung der bestrittenen Steuerhoheit
(BGE 62 I 75 f.) liegt zwar im Interesse des Steuerpflichtigen, bezweckt aber
allgemein die sachgemässe Ordnung des Verfahrens bei Streitigkeiten über die
Steuerhoheit. Damit ist unvereinbar, dass der Steuerpflichtige im
Veranlagungsverfahren auf den nach kantonalem Recht endgültig gewordenen
Entscheid über die Steuerhoheit zurückkommen kann. Die staatsrechtliche
Beschwerde wegen Doppelbesteuerung steht ihm nur noch zu, soweit die
Veranlagung weitere, noch nicht beurteilte Fragen des
Doppelbesteuerungsrechtes entstehen lässt. Sollte der Beschwerdeführer für die
zürcherische Steuer in einem andern Kanton betrieben werden müssen, so wäre er
allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts

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(BGE 59 I 26) unter Umständen befugt, im Rechtsöffnungsverfahren die Einrede
der Doppelbesteuerung zu erheben und gegen den zu seinen Ungunsten
ausfallenden Entscheid das Bundesgericht anzuraten. Er könnte aber in diesem
Falle lediglich noch den zürcherischen Steueranspruch bestreiten, nicht
eventuell auch den luzernischen, so dass es bei der Doppelbesteuerung bliebe,
wenn die Steuerhoheit dem Kanton Zürich zustünde. Aus dieser Möglichkeit, den
Doppelbesteuerungsstreit unter Umständen in einem gewissen Umfange doch noch
dem Bundesgericht vorlegen zu können, darf aber nicht abgeleitet werden. dass
die vorliegende Beschwerde zulässig sei.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 I 220
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 18. Juni 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 I 220
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Art. 16 Abs. 2 BV. Kann ein Steuerpflichtiger, gegen den ein nach kantonalem Recht endgültiger...


Gesetzesregister
OG: 89
BGE Register
59-I-24 • 62-I-74 • 73-I-220
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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