BGE 73 I 144
17. Auszug aus dem Urteil vom 30. Mai 1947 i. S. Schweiz. Sprengstoff A.-G.
Cheddite gegen Steuerrekurskommission des Kantons Basel-Landschaft.
Regeste:
Wehrsteuer: Der Satz der von der Aktiengesellschaft geschuldeten
Reingewinnsteuer wird bestimmt durch das Verhältnis des steuerbaren
Reingewinns zum durchschnittlichen Betrag des einbezahlten Grundkapitals und
der Reserven in den während der Berechnungsperiode abgeschlossenen
Geschäftsjahren (Art. 57 WStB). Die Höhe der Reserven ergibt sich aus der
Bewertung der Aktiven und Passiven gemäss Art. 56 , 28 -35 WStB.
Impôt pour la défense nationale: Le taux de l'impôt dû sur leur bénéfice net
par les sociétés anonymes dépend du rapport entre le bénéfice net imposable et
le montant du capital-actions plus les réserves durant les exercices clos au
cours de la période de calcul (art. 57 AIN). On détermine les réserves en
appréciant l'actif et le passif conformément aux art. 56, 28 à 35 AIN.
Imposta per la difesa nazionale: L'aliquota dell'imposta dovuta sul loro utile
netto dalle società anonime dipende dal
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rapportotra l'utile netto imponibile e l'ammontante del capitale azionario e
delle riserve nel corso degli esercizi chiusi durante il periodo di computo
(art. 57 DIN). Si calcolano le riserve valutando l'attivo e il passivo
conformemente agli art. 56, 28.35 DIN.
Aus den Erwägungen:
1. Nach Art. 57 Abs. 1 WStB beträgt die Steuer vom Reingewinn der
Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften und Gesellschaften mit
beschränkter Haftung innert der Grenzen von 2 und 8 % halb so viele Prozente
des steuerbaren Reingewinnes, als dieser Prozente vom durchschnittlichen
Betrag des einbezahlten Grund- oder Stammkapitals und der Reserven in den
während der Berechnungsperiode abgeschlossenen Geschäftsjahren ausmacht. Es
steht fest und ist auch im vorliegenden Falle nicht bestritten, dass die
Bestimmung unter Reserven nicht nur offene, sondern auch stille versteht.
Dagegen fragt es sich, ob für die Berechnung des Verhältniskapitals sämtliche
stillen Reserven heranzuziehen sind, wie die Beschwerdeführerin verlangt, oder
ob nur diejenigen zu berücksichtigen sind, welche vorher als Gewinne
versteuert worden sind, wie die Vorinstanz und die eidg. Steuerverwaltung
meinen.
Zur Begründung der zweiten Auffassung wird angeführt, für die Feststellung der
Ertragsintensität seien die beiden Faktoren Reingewinn und Kapital
richtigerweise nach denselben Bewertungsgrundsätzen zu bemessen, indem
Gleiches mit Gleichem ins Verhältnis gesetzt werden müsse; auch für das
Kapital seien daher Art. 49 Abs. 1 WStB und Art. 663 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 663 |
und, gemäss dessen Verweisung, 28-35 WStB massgebend, also der Einkommens-,
nicht der Vermögenssteuerwert. Die Überlegung hat etwas für sich. Die
staatsrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat denn auch im nicht
veröffentlichten Urteil vom 1. April 1938 i. S. Brauerei A. Hürlimann A.-G.
erklärt, § 29 des damals in Frage stehenden zürcherischen Steuergesetzes,
wonach der Ertragssteuersatz bestimmt wird durch das Verhältnis zwischen
steuerpflichtigem Kapital und Ertrag,
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lege die Annahme nahe, dass bei der Berechnung einerseits des Kapitals,
anderseits des Ertrages die Aktiven der pflichtigen Aktiengesellschaft
grundsätzlich übereinstimmend bewertet werden sollten; das habe zur Folge,
dass stille Reserven, die bei der Ertragsbestimmung nicht als Bestandteile des
Vermögens betrachtet werden, auch bei der Berechnung des steuerpflichtigen
Kapitals ausser acht zu bleiben hätten. Dieser Auffassung sind gewisse Kantone
in ihren neuen Steuererlassen mehr oder weniger gefolgt. So ordnet das
bernische Steuergesetz von 1944 in Art. 66 ausdrücklich an, dass die Höhe der
Gewinnsteuer bestimmt wird durch das Verhältnis des steuerbaren Reingewinnes
zum durchschnittlichen Betrag des einbezahlten Kapitals und der versteuerten
Reserven während der Bemessungsperiode, wogegen gemäss Art. 68 die
Kapitalsteuer vom einbezahlten Kapital und von sämtlichen offenen und stillen
Reserven erhoben wird. Und weitergehend kennt das st. gallische Steuergesetz
von 1944 in Art. 48 und 50 für Kapitalsteuer und Verhältniskapital die
gleichen Bewertungsgrundsätze; es zieht nur die offenen und stillen Reserven
in Betracht, für welche die Gewinnsteuer entrichtet wurde.
Was das Wehrsteuerrecht anlangt, kann sich fragen, ob der Standpunkt der
Vorinstanz und der eidg. Steuerverwaltung nicht schon durch Art. 57 WStB
ausgeschlossen wird, der, gleich wie Art. 60 für die Berechnung der
Ergänzungssteuer, von Reserven schlechthin spricht. Die Frage kann offen
bleiben, weil jene Ansicht ohnedies mit der Ordnung des Wehrsteuerbeschlusses
nicht vereinbar ist. Die Reserven der Aktiengesellschaft bestehen in ihrem
tatsächlich vorhandenen, über das Grundkapital hinausgehenden reinen Vermögen.
Zur Feststellung ihrer Höhe müssen die Aktiven und Passiven, bewertet werden,
und dafür ist nicht auf den Bilanzwert abzustellen, sondern auf die
massgebenden Bewertungsvorschriften, d. h. auf Art. 56 , Art. 28 -35 WStB (BGE
73 I 64). Dafür, dass diese Bestimmungen nur das Kapital, von dem die
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Ergänzungssteuer zu entrichten ist, betreffen würden, ist dem
Wehrsteuerbeschluss nichts Schlüssiges zu entnehmen, zumal da sich das
Verhältniskapital aus den gleichen Elementen zusammensetzt, die auch der
Ergänzungssteuer unterliegen, wie aus Art. 57 einer- und Art. 48 lit. b, 60
anderseits hervorgeht.
Die eidg. Steuerverwaltung verweist demgegenüber auf die Systematik des
Wehrsteuerbeschlusses. Sie führt aus, Art. 56 habe seinen Platz im
Unterabschnitt «A. Gegenstand und Bemessungsgrundlage der Wehrsteuer
juristischer Personen». Das Verhältniskapital des Art. 57 sei aber nicht
selbst Steuerobjekt und diene auch nicht zur Bemessung eines solchen, sondern
lediglich für die Berechnung des Satzes, zu dem der nach dem Unterabschnitt A
bestimmte Reingewinn zu besteuern sei. Art. 57 finde sich folgerichtig nicht
in diesem, sondern im folgenden Unterabschnitt «B. Steuerberechnung».
Entscheidend ist jedoch, dass eine Bewertung von Vermögen vorzunehmen ist, für
die nach Wortlaut und Sinn einzig Art. 56 WStB massgebend sein kann.
Unbegründet ist auch der weitere Einwand der eidg. Steuerverwaltung, Art. 56
sei für die Bemessung des Reingewinnes selbst nicht anwendbar und dürfe daher
auch nicht für die Bestimmung des Satzes der Reingewinnsteuer herangezogen
werden. Dass Art. 56 für die Festsetzung des Reingewinnes, der ein
Vermögensstandsgewinn ist (BGE 71 I 406), keine Anwendung findet, hat seinen
Grund darin, dass Art. 49 dafür selbständige, abweichende
Berechnungsgrundsätze aufstellt. Daraus folgt aber nicht, dass für die
Bemessung des Verhältniskapitals, die mit der Berechnung des Reingewinnes
nichts zu tun hat, nicht auf Art. 56 abgestellt werden könne. Eine
Gesetzeslücke liegt entgegen der Ansicht der eidg. Steuerverwaltung nicht vor.
Das Postulat, dass für die Bestimmung des Verhältniskapitals nur die Reserven
berücksichtigt werden sollen, die vorher als Gewinne versteuert worden sind,
ist nur durch Revision des Wehrsteuerbeschlusses zu verwirklichen. Wie aus den
von der eidg.
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Steuerverwaltung vorgelegten Akten hervorgeht, war denn auch eine Zeitlang ein
dahin gehender Bundesratsbeschluss in Aussicht genommen.