BGE 72 IV 67
21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Juli 1946 i.S. Obrecht
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn.
Regeste:
Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
ist für die Anwendung dieser Bestimmung unerheblich.
Art. 191 ch. 1 al. 1 CP. Il est sans importance pour l'application de cette
disposition que l'enfant dont l'auteur abuse soit déjà corrompu.
Art. 191, cifra 1, cp. 1 CP. Per l'applicazione di questo disposto è
irrilevante che il fanciullo, di cui si abusa, sia già corrotto.
Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer verneint die Anwendbarkeit des Art. 191 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
der Beischlaf oder die beischlafsähnliche Handlung mit einem bereits
verdorbenen Kinde keinen Missbrauch desselben darstelle. Missbrauch setze
Unverdorbenheit voraus. Diese Auslegung ist absurd. Sie ist die Verneinung für
das Anwendungsgebiet des StGB des sogenannten strafrechtlichen Schutzalters.
Indem der deutsche Text im Unterschied übrigens zu den romanischen, welche
einfach den Beischlaf und die beischlafsähnliche Handlung mit dem Kind unter
Strafe stellen, den Missbrauch des Kindes zum Beischlaf bestraft, drückte er
gerade den Gedanken aus, der das Schutzalter motiviert, nämlich dass der
Beischlaf mit einem Partner, der das Kindesalter noch nicht überschritten hat,
in allen Fällen Missbrauch des Kindes ist.